Institut für Gender und Diversity IGD-FHO

Institut

In einer Welt wachsender Komplexität prägen zunehmend Vielfalt und Verschiedenartigkeit unsere Lebensrealität. Unterschiedliche Einstellungen, Werte, Mentalitäten und Bedürfnisse der Menschen, aber auch geschlechtsspezifische, kulturelle oder altersbedingte Merkmale beeinflussen das soziale und betriebliche Miteinander.

Unternehmen, Bildungsinstitutionen und öffentliche Hand verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil, wenn sie die Unterschiedlichkeit der Kundenbedürfnisse, Anspruchsgruppen und Mitarbeitenden berücksichtigen. Denn Vielfalt und Verschiedenartigkeit schafft kreative Milieus, die Innovationen begünstigen. Diversity Management ist ein praxisnahes Instrument der Unternehmensführung, um diese Entwicklung aktiv zu begleiten und die internen Rahmenbedingungen bewusst zu gestalten. Das Ziel: Vielfalt nutzen und pflegen.

Das Institut unterstützt Bildungsinstitutionen, Unternehmen und die öffentliche Hand mit Beratung und Dienstleistungen beim Aufbau praxisrelevanter Kompetenzen sowie bei der Implementierung eines wirkungsvollen Diversity-Managements.

Schulferien in Frankreich 2025

Institutsflyer (PDF)

Unsere Kompetenzfelder

Diversity Managmenent

Das Institut bildet in enger Zusammenarbeit mit verwandten Fachstellen ein Kompetenzzentrum im Bereich Gender und Diversity Management. Wir unterstützen Bildungsinstitutionen, Unternehmen und die öffentliche Hand mit Beratung und Dienstleistungen beim Aufbau praxisrelevanter Kompetenzen sowie bei der Implementierung eines wirkungsvollen Diversity-Managements.

Förder- und Laufbahnprogramme

Vielfalt nutzen heisst Potenziale entwickeln. Wir begleiten Sie bei der Erarbeitung von Förder- und Laufbahnprogrammen und Personalentwicklungsmassnahmen für Ihre Organisation. Profitieren Sie von unseren Erfahrungen mit Mentoringprogrammen und Coachings.

Forschungsbasiertes Praxiswissen

Organisationen und Unternehmen profitieren von unserem Know-how aus anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung. In Umsetzungsprojekten, Vorträgen und Beratungen geben wir unser praxisrelevantes Wissen in den Bereichen Gender und Diversity an Wirtschaft, Gesellschaft und Politik weiter.

Team

Im Institut für Gender und Diversity IGD der FHO Fachhochschule Ostschweiz arbeiten zusammen:

Prof. Rosmarie Müller-Hotz
dipl. Arch. ETH / SIA
Institutsleiterin, HSR Rapperswil
T +41 (0)55 222 49 83
rosmarie.mueller@hsr.ch

Beatrice Cipriano
dipl. Geogr.
Institutspartnerin, HSR Rapperswil
T +41 (0)55 222 45 42
beatrice.cipriano@hsr.ch

Ursula Graf
lic. phil. I
Institutspartnerin, FHS St.Gallen
T +41 (0)71 228 63 26
ursula.graf@fhsg.ch

Lore Schmid
Dipl. TEFL RSA
Institutspartnerin, HTW Chur
T +41 (0)81 286 24 89
lore.schmid@htwchur.ch

Regula Roffler
Dipl. Ing. FH, M. Sc.
Institutspartnerin, NTB Buchs
T +41 (0)81 755 34 25
regula.roffler@ntb.ch

Netzwerk

Kompetenznetzwerk FHO Fachhochschule Ostschweiz

Am Institut für Gender und Diversity sind die vier Hochschulen der FHO Fachhochschule Ostschweiz mit den Fachbereichen Technik/Informationstechnologie, Bau/Planung, Wirtschaft/Management, Soziale Arbeit und Gesundheit beteiligt. Dank eines hochschulinternen Netzwerkes können wir auf Kompetenzen und Fachpersonen verschiedener Disziplinen zurückgreifen und interdisziplinäre Projekte realisieren.

Interne Partnerinnen und Partner

Institut für Qualitätsmanagement und Angewandte Betriebsökonomie, FHS St.Gallen – Hochschule für Angewandte Wissenschaften

Institut für Soziale Arbeit, FHS St.Gallen – Hochschule für Angewandte Wissenschaften

Forschungsstelle für Wirtschaftspolitik, HTW Hochschule für Wirtschaft und Technik Chur

Externe Netzwerkpartnerinnen und –partner

Fachstelle Gender Studies, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZAHW

Pädagogische Hochschule des Kantons St.Gallen PHSG

femdat – Die Schweizer Expertinnendatenbank

Fachkommission Chancengleichheit der Rektorenkonferenz der Fachhochschulen der Schweiz (KFH)

Kompetenzzentrum Integration, Gleichstellung und Projekte des Kantons St.Gallen

Verein Gleichstellungscontrolling

Verband Wirtschaftsfrauen Schweiz – Unternehmerinnen, Managerinnen, KMU’s, Frauen in Wirtschaftspositionen und Nachwuchstalente

SVIN – Schweizerische Vereinigung der Ingenieurinnen

Swiss Engineering – Fachgruppe Ingenieurinnen und Architektinnen (fia)

FFU – FachFrauen Umwelt – Netzwerk von Fachfrauen im Umweltbereich

Links

Speziell für KMU: Links zu Themen wie Gleichstellung im Erwerbsleben, Mutterschaftsversicherung, Mutterschutz, Schwangerschaft, Familie und Beruf, flexible Arbeitszeitmodelle, sexuelle Belästigung etc. finden Sie unter Gender Toolbox KMU.

Diversity Management

Transnationales ExpertInnen-Netzwerk

Internationale Gesellschaft für Diversity Management

Gender- und Diversity-Portal der Leuphana Universität in Deutschland

16 Thesen zum Diversity Management

Gender Mainstreaming

GenderKompetenzZentrum der Humboldt-Universität in Berlin

Gender- und Diversity-Portal der Leuphana Universität in Deutschland

Zahlen und Fakten zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Schweiz

Bundesamt für Statistik

Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten

UNECE United Nations Economic Commission of Europe

Unsere Dienstleistungen

Beratung, Analysen und Konzepte

Wir bieten Beratung beim Aufbau und bei der Implementierung eines massgeschneiderten Diversity Managements für Ihr Unternehmen bzw. Ihre Organisation. Wir führen Standortanalysen oder Studien durch und stellen Ihnen unsere langjährige Erfahrung in der Entwicklung wirkungsvoller Konzepte zur Verfügung.

Projektmanagement

Wir begleiten und beraten Sie bei der Realisierung von Projekten in den Bereichen Gender und Diversity sowie in der Nachwuchsförderung.

Mentoring und Laufbahnprogramme

Mentoring und Laufbahnförderung sind wirksame Personalentwicklungsinstrumente, um junge Potenzialträgerinnen und –träger auf ihrem Karriereweg zu begleiten und zu fördern. Wir unterstützen Sie mit Dienstleistungen, Erfahrungen und unserem Netzwerk in diesem Prozess.

Forschung

Sie wollen Ihre Wissens- und Entscheidungsbasis zu spezifischen Gender- und Diversity-Fragestellungen erweitern. Wir setzen mit Ihnen Forschungsprojekte um, die praxisrelevante Erkenntnisse generieren.

Praxisprojekte, Bachelorarbeiten

Wir bieten Ihnen die Möglichkeit, Gender- und Diversity-Themen in Praxis-, Bachelor- oder Masterarbeiten von unseren Studierenden bearbeiten zu lassen. Auf diese Weise können Sie praktische Fragestellungen mit wissenschaftlichen Ansätzen professionell untersuchen lassen.

Schulungen und Tagungen

Wir bieten massgeschneiderte Schulungen zu Gender- und Diversity-Themen. Bei Bedarf übernehmen wir die Planung einer themenspezifischen Tagung oder Weiterbildung in Ihrem Unternehmen oder Ihrer Organisation. Wir vermitteln Ihnen Expertinnen für Tagungen, Vorträge und Expertisen.

Projekte

Vielfalt nutzen heisst Potenziale entwickeln.

Wir sind Ansprechpartnerin für Ihre Anliegen im Bereich Diversity Management in KMU. Wir konzipieren und realisieren verschiedene Nachwuchsförderungsprojekte für technische und soziale Berufe, Karriere- und Laufbahnprogramme sowie zu Work-Life-Balance.

Profitieren Sie von unserer breiten Erfahrung.

Diversity in KMU

Eine Studie des Instituts für Gender und Diversity untersucht den Bekanntheits- und Umsetzungsgrad von Diversity Management in Ostschweizer KMU. Sie zeigt Ansätze und Anwendungsbereiche für die Praxis auf und skizziert die spezifischen Bedürfnisse von KMU im Bereich Diversity Management.

Gefragt sind differenzierte Ansätze und Vorgehensweisen im Diversity Management. Wichtige Diversity-Gebiete wie demographische Alterung, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, der Umgang mit Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung oder die Wiedereingliederung von Mitarbeitenden nach einem Unfall oder Burnout werden von KMU als dringliche Handlungsgebiete benannt.

Wir unterstützen Sie dabei, Schlüsselbereiche im Diversity-Management für Ihr Unternehmen zu ermitteln und ein angepasstes Konzept zu entwickeln.

Studie Diversity Management in KMU (PDF)

Weitere Angebote

Diversity- und Genderkompetenz in der Lehre

Cross Mentoring in KMU

Gender Toolbox KMU

Nachwuchsförderung

Aktuelle Projekte

Stepping into: My Plans for Career & Life
Ein gendersensibles Laufbahnprogramm für MINT-Studentinnen und -Studenten der FHO, FHNW und ZHAW

Prenez Place Mesdames!
Ein Laufbahnprogramm für Studentinnen und Absolventinnen des Ingenieur-, Bau- und Planungswesens

Berufs- und Karrierewege Soziale Arbeit
Internetportal “Berufs- und Karrierewege Soziale Arbeit” - Geschlechtersensible Zugänge zu den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit

Mobilisierungsprodukte für Soziale Arbeit / Lehrberufe
Mobilisierungsprodukte zur Gewinnung sozial tätiger und interessierter junger Männer für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe

Männer in Sozialberufen
Forschungsprojekt über Zugangswege und Berufsbilder von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen.

Sozial tätige junge Männer
Impulsprojekt zur Sensibilisierung des männlichen Nachwuchses für das Studium Soziale Arbeit und Lehramt.

Boys Day
Projekt, um Jungen für soziale und pflegerische Berufe zu interessieren.
Website FHS

Girls’ Day, informatics4girls, Techniktage
Schnupper- und Techniktage machen Schülerinnen Lust auf Technik. Workshops ermöglichen praktische Erfahrungen in verschiedenen technischen Disziplinen.

Website HTW

Website HSR

Website NTB

Abgeschlossene Projekte

Bauingenieurinnen plus – Mit Redesign den Frauenanteil im Bauingenieurstudium erhöhen
Projekt zur Verknüpfung spezifischer Lerninteressen von Frauen im Studium Bauingenieurwesen mit den Anforderungen der Bauplanungsbranche.

Projektinformation (PDF )

Perspektive Ingenieurin / Project Discovery
Projekte zur Sensiblisierung von Mittelschülerinnen für ein Ingenieurstudium.

Projektinformation Perspektive Ingenieurin (PDF)

Projektinformation Project Discovery (PDF)

Laufbahn

Karriereberatung

Karriereberatung für Frauen und Männer: Typen- und geschlechtsspezifische Angebote am Berufseinstieg
mehr

Fachhochschuldozentin

Die FHO Fachhochschule Ostschweiz will Frauen aus Wirtschaft, Industrie und Verwaltung für den Beruf der Fachhochschuldozentin gewinnen.

Um die Suche nach qualifizierten Frauen mit Hochschulabschluss für Lehraufträge und eine Tätigkeit als Referentin oder Expertin zu erleichtern, betreiben wir einen Fachfrauenpool, in den sich interessierte Frauen mit ihrem beruflichen Profil eintragen können. Die Frauen werden via Email über Vakanzen in Lehre und Forschung informiert. Interessierte Frauen können sich über die Website in den Fachfrauenpool eintragen.

www.fachhochschuldozentin.ch

Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern

Forschungsprojekt zur Entwicklung angepasster Förder- und Laufbahnprogramme.

Cross Mentoring für KMU

Mentoring und Laufbahnförderung sind einfache und wirkungsvolle Wege, um junge Potenzialträgerinnen und –träger auf ihrem Karriereweg zu begleiten und zu fördern. Mentoring ist ein innovatives Instrument der Personalentwicklung, das branchenübergreifend männliche und weibliche Führungskräfte darin unterstützt, sich auf neue berufliche Aufgaben vorzubereiten und von den Erfahrungen einer erfahrenen Führungskraft zu lernen. Für KMU eignet sich besonders das Cross Mentoring.

Wir stehen Ihnen beratend und unterstützend zur Verfügung und begleiten Sie in diesem Prozess.

Unser Angebot

Cross Mentoring Info (PDF)

Cross Mentoring KMU (PDF)

Mentoring-Programme (PDF)

Prenez Place Mesdames!

Das Laufbahnprogramm „Prenez Place Mesdames!“ der FHO Fachhochschule Ostschweiz unterstützt Sie beim Berufseinstieg und in Ihrer persönlichen Laufbahnplanung. Es richtet sich an Studentinnen und Absolventinnen des Ingenieur-, Bau- und Planungswesens.
Flyer Prenez Place Mesdames (PDF)

Workshops

Im Rahmen von Workshops entwickeln Sie Ihr berufliches Profil und arbeiten heraus, welche Motivation und Karriereorientierung Sie leiten. Sie erkennen Ihre Stärken und lernen, diese wirkungsvoll in Bewerbungsverfahren einzubringen. Sie erweitern Ihre Kompetenzen und Strategien, um sich auf dem Arbeitsmarkt selbstsicher zu bewegen.

Zu folgenden Themenbereichen werden Workshops angeboten:

Praxisbesuche

In Zusammenarbeit mit Unternehmen, Industriebetrieben und der öffentlichen Verwaltung finden Unternehmensbesuche statt. Sie erfahren direkt von potenziellen Arbeitgebern, welche Einstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten sie anbieten und welche Anforderungen an Nachwuchskräfte gestellt werden.

Anmeldung

Die Workshops und Praxisbesuche können einzeln besucht werden und werden laufend ausgeschrieben. Die Teilnahme ist kostenlos.

Auskunft

Beatrice Cipriano, FHO Fachhochschule Ostschweiz, Tel. 055 222 45 42, E-Mail beatrice.cipriano@hsr.ch

Mit Unterstützung von: 

„Um den Frauenanteil in führenden Positionen nachhaltig zu erhöhen, setzt ewz auf flexible Arbeitsformen wie Jobsharing, Teilzeitpensen und ermöglicht auch Homeoffice. So werden z.B. seit 2015 alle neuen Vollzeitstellen als 80- bis 100-Prozent-Stellen ausgeschrieben.“ Dr. Stéphanie Engels, Mitglied der Geschäftsleitung, Leiterin Unternehmensentwicklung bei ewz

Forschungs- und Entwicklungspartnerschaft

Das Institut betreibt anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung. Im Auftrag von Unternehmen, Institutionen und öffentlicher Hand bearbeiten wir auf wissenschaftlicher Basis ausgewählte Fragestellungen für Ihre Praxis.

Organisationen und Unternehmen profitieren von unserem Know-how aus anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung. Wir stellen Ihnen unser Wissen und unsere Erfahrung zur Verfügung, um die Entwicklung Ihres Unternehmens oder Ihrer Institution in den Bereichen Gender und Diversity zu optimieren. In Umsetzungsprojekten, Vorträgen und Beratungen geben wir unser praxisrelevantes Wissen in den Bereichen Gender und Diversity an Wirtschaft, Gesellschaft und Politik weiter.

Wir bieten Ihnen auch die Möglichkeit, Gender- und Diversity-Themen in Studien-, Bachelor- oder Masterarbeiten bearbeiten zu lassen.

Mädchen in der Schweiz

Die Lebensvorstellungen und die Lebensrealitäten der Mädchen in der Schweiz werden im Laufe ihrer Kindheit und Jugend immer mehr durch geschlechtsspezifische Erwartungen geprägt. Das hat eine Studie des Instituts für Gender und Diversity der Fachhochschule Ostschweiz, die zusammen mit dem Kinderhilfswerk Plan Schweiz realisiert wurde, deutlich gemacht.

Das Institut für Gender und Diversity befragte in der Mädchenstudie 70 neun-, zwölf- und sechzehnjährige Mädchen zu ihren Lebens- und Selbstkonzepten. Die Interviews deckten die Themen Freizeitgestaltung, Selbsteinschätzung, Selbstwirksamkeit und Zukunftsvorstellungen ab. Es zeigte sich, dass sich die Mädchen im Laufe ihrer Kindheit immer mehr an traditionellen Geschlechterrollen orientieren und an Selbstbewusstsein verlieren.

Das Positionspapier “Mädchen in der Schweiz – von der Überholspur zurück in den Boxenstopp?” von Plan Schweiz formuliert fünf konkrete Massnahmen gegen die Renaissance traditioneller Geschlechterrollen.

Positionspapier Plan „Mädchen in der Schweiz“ (PDF)

Kontakt
Prof. Gabriella Schmid, Leiterin Institut für Gender und Diversity IGD-FHO
Tel. 071 226 18 16, gabriella.schmid@fhsg.ch

Der Beitrag der Eltern zur “geschlechtsuntypischen” Berufs- und Studienwahl der Kinder

Trotz zahlreicher bildungspolitischer Anstrengungen und eines verbesserten Zugangs von Frauen zur Bildung bleibt die Geschlechtersegregation bei der Berufs- und Studienwahl nahezu unverändert. Nur wenige Frauen wagen sich in männerdominierte Berufsfelder und umgekehrt finden sich nur wenige Männer in “typischen” Frauenberufen.

Das Forschungsprojekt untersucht die Zusammenhänge zwischen der “geschlechteruntypischen” Berufs- und Studienwahl der Kinder und dem Einfluss der Eltern. Aus der Genderperspektive interessiert dabei besonders die praktizierte Arbeitsteilung der Eltern in der Familie als eine mögliche Einflussgrösse.

Projektleitung
Prof. Dr. Steve Stiehler, Fachbereich Soziale Arbeit, FHS St.Gallen
Tel. 071 844 48 46, steve.stiehler@fhsg.ch
Ursula Graf, Institut für Gender und Diversity IGD-FHO
Tel. 071 228 63 26, ursula.graf@fhsg.ch

Projektinformation (PDF)
Forschungsbericht (PDF)
Ergebnisse (PDF)

Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern

Das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern in Technik, Wirtschaft, Soziale Arbeit und Gesundheit“ ist an der Schnittstelle von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und individuellen Karrierepraktiken angesiedelt. Die Ergebnisse beschreiben, wie Frauen und Männer aus verschiedenen Milieus, in unterschiedlichen Branchen und Berufs- sowie Lebensaltern ihren Berufsweg gestalten.

Bericht

Der Bericht dokumentiert fünf verschiedene Karrieremuster und identifiziert geschlechts-, branchen- und altersspezifische Besonderheiten. Die fünf Karrieretypen zeigen, wie unterschiedlich Frauen und Männer vor dem Hintergrund ihrer Biographien und den gesellschaftlichen Erwartungen mit den Herausforderungen des Karrieremachens umgehen. Der Blick auf die Karrierepraktiken ermöglicht, im Kontext der Karrieredebatte die Perspektive der Akteurinnen und Akteure einzunehmen. Somit bietet der Bericht neue Erkenntnisse aus der Karriereforschung für die Praxis.

Handbuch

Ergänzend zum wissenschaftlichen Bericht wurde ein Handbuch entwickelt, das die praktische Anwendung der Typologie im Rahmen der Personalentwicklung und Karriereberatung beschreibt. Das Handbuch zeigt die Vorgehensweise und Merkmale zur Identifikation der verschiedenen Karrieretypen auf. Es werden typenspezifische Beratungsanliegen formuliert und ergänzende Instrumente der Karriereberatung aufgeführt. Das Handbuch versteht sich als Praxisinstrument für Fachleute in der Personalentwicklung und Karriereberatung, die ihre eigene Arbeitsweise erweitern wollen, indem sie die biographisch erworbenen Karrierepraktiken ihrer Klientel und geschlechtsspezifische Aspekte in die Beratung mit einbeziehen.

PraxispartnerInnen:

St.Galler Kantonalbank, Kantonsspital St.Gallen, Kommission Frau und SIA beim Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein, Schweizerische Vereinigung der Ingenieurinnen (SVIN), AvenirSocial Ostschweiz

Projektleitung
Prof. Dr. Annegret Wigger, Institut für Soziale Arbeit IFSA
Tel. 071 844 48 82, annegret.wigger@fhsg.ch
Prof. Dr. Sibylle Olbert-Bock, Institut für Qualitätsmanagement und angewandte Betriebsökonomie IQB
Tel. 071 228 70 66, sibylle.olbert@fhsg.ch
lic. phil. Ursula Graf, Institut für Gender und Diversity IGD-FHO
Tel. 071 228 63 26, ursula.graf@fhsg.ch

Bericht “Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern” (PDF)
Handbuch “Karrierekonzeptionen” (PDF)

Tools

Instrumente

Wir haben verschiedene Instrumente entwickelt, die Sie bei der Umsetzung von Chancengleichheit und Gender Mainstreaming, beim Aufbau eines Gleichstellungscontrollings und der Verwendung einer respektvollen Sprache unterstützen.

Gender Toolbox KMU

Die Gender Toolbox richtet sich an kleinere und mittlere Unternehmen, die mit ihren Dienstleistungen, in ihrem Werbeauftritt sowie in ihrer Unternehmenskultur differenziert auf Frauen und Männer eingehen möchten. Sie umfasst Dienstleistungen, Arbeitsinstrumente und Information.

Gender Mainstreaming an Hochschulen

Der Leitfaden „Gender Mainstreaming an Hochschulen“ baut eine Brücke von der Theorie zur praktischen Anwendung. Er ist ein Werkzeug, mit dem Lehrpersonen sich für das Thema sensibilisieren und sich selbst befragen können. Mithilfe des Leitfadens können aber auch Leitungspersonen im Hochschulmanagement prüfen, ob ihre hochschulinternen Rahmenbedingungen und Prozesse genderkonform sind. Das Instrument unterstützt Sie darin, die Geschlechterperspektive in Lehre und Organisation immer mitzudenken.

Leitfaden Gender Mainstreaming (PDF)

Gleichstellungscontrolling an Fachhochschulen
Kennzahlen und Indikatoren sind die Grundlage für den Aufbau eines Gleichstellungsmonitorings und die Implementierung eines Gleichstellungscontrollings. Wir stellen Ihnen einen Leitfaden und ein einfaches Tool für die Datenerfassung zur Verfügung.

Respektvolle Sprache

Die Sprache bildet nicht einfach nur die Wirklichkeit ab, sie schafft auch neue Realitäten. Umgekehrt beeinflusst unsere Sprache unsere Denkgewohnheiten. Mit einer geschlechterbewussten Sprache wird die Kommunikation präziser und lebendiger. Um konsequent weibliche und männliche Formen zu verwenden, braucht es ein wenig Übung. Unsere Beiträge und Leitfäden möchten Sie dazu anregen, eine respektvolle Sprache zu pflegen und Ihnen praktische Hinweise geben.

Leitfaden geschlechterbewusste Sprache (PDF)

Leitfaden für geschlechterbewusste Stelleninserate (PDF)

Schulungen

Studierende sind doch alle gleich, oder!? - Diversity- und Genderkompetenz in der Lehre

Diversity spricht die Vielfalt an. Studierende haben unterschiedliche Lernpräferenzen, die von ihrer Geschlechterzugehörigkeit aber auch von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft, von ihrem Alter und Erfahrungshintergrund geprägt sind. Um den eigenen Unterricht möglichst optimal an die Lernbedürfnisse der Studierenden anzupassen, bedarf es eines fundierten Wissens über diese Unterschiede und flexibler Handlungsstrategien. In diesem eintägigen Weiterbildungkurs erhalten Dozierende, Lehrbeauftragte und interessierten Lehrpersonen die Möglichkeit, ihre Diversity- und Genderkompetenzen auszubauen.

Massgeschneiderte Schulungen

Wir bieten massgeschneiderte Schulungen zu Gender- und Diversity-Themen. Bei Bedarf übernehmen wir die Planung einer themenspezifischen Tagung oder Weiterbildung in Ihrem Unternehmen oder Ihrer Organisation. Wir vermitteln Ihnen Expertinnen für Expertisen, Tagungen und Vorträge – beispielsweise zu Diversity als Führungsaufgabe, Arbeiten mit interdisziplinären Teams, etc.

Gender Roles and Culture

Im Rahmen des Lehrgangs „Intercultural Leadership für Young Adults“ der Stiftung Kinderdorf Pestalozzi entwickelte das Institut einen einwöchigen Kurs zum Thema „Gender Roles and Culture“. Am Lehrgang nehmen junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ausländischen Partnerorganisationen der Stiftung teil. Der Kurs ist in englischer Sprache und wird in der Schweiz durchgeführt. Das Angebot kann für interessierte Organisationen flexibel angepasst werden.

Information (PDF)

Publikationen

Graf, Ursula/ Martin, Roger / Olbert-Bock, Sibylle / Schöne, Mandy / Wigger, Annegret (2012): Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern in Wirtschaft, Technik, Soziale Arbeit und Gesundheit zu verschiedenen berufsbiographischen Zeitpunkten. Schlussbericht zum Forschungsprojekt. FHS St.Gallen (Hrsg.). St.Gallen.
Publikation (PDF)

Olbert-Bock, Sibylle / Wigger, Annegret / Graf, Ursula / Martin, Roger / Schöne, Mandy (2012): Handbuch Karrierekonzeption. FHS St.Gallen (Hrsg.). St.Gallen.
Publikation (PDF)

Cipriano, Beatrice / Funk, Julika / Niederberger, Gabriela (2012): Empfehlungen für eine Kultur der Chancengleichheit. Gesammeltes Wissen aus zehn Jahren Bundesprogramm Chancengleichheit an Fachhochschulen. Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (Hrsg.). Bern.
Publikation (PDF)

Cipriano, Beatrice / Graf, Ursula (2010): Kennzahlen und Indikatoren für ein Gleichstellungscontrolling. Ein Leitfaden für Fachhochschulen. Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (Hrsg.). Bern.
Publikation (PDF)

Bernoulli, Katharina / Giger Robinon, Esther / Graf, Ursula / Kuster, Ruth Maria / Schmid, Gabriella (2005): Gender Mainstreaming an Hochschulen. Kriterien und Indikatoren. FHS St.Gallen (Hrsg.). St.Gallen.

Kontakt

Institut für Gender und Diversity IGD
FHO Fachhochschule Ostschweiz
c/o HSR Hochschule für Technik Rapperswil
Oberseestr. 10
Postfach 1475
8640 Rapperswil

T +41 (0)55 222 45 42
F +41 (0)55 222 44 00

Projektbericht

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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch1Programm Chancengleichheit von Frauen und Männern anFachhochschulen des Bundesamtes für Berufsbildung undTechnologie (BBT)Projektbericht„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für dasStudium der Sozialen Arbeit und der Lehrberufe“ (Projekt 190/10)Ein Kooperationsprojekt der FHO Fachhochschule Ostschweiz an der FHSSt.Gallen (Fachbereich Soziale Arbeit), Berner Fachhochschule BFH(Fachbereich Soziale Arbeit), Pädagogische Hochschule St.Gallen PHSG,Hochschule Luzern HSLU (Fachbereich Soziale Arbeit), PädagogischeHochschule Zentralschweiz PHZ ZugStand: 15.11.2011
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch2Inhalt1Tätigkeiten, Ergebnisse, Leistungen … 31.1Projekttätigkeiten … 41.2Leistungen und Ergebnisse der Projektarbeit … 81.3Projektänderungen … 121.4Reaktionen auf das Kooperationsprojekt … 132Auswirkungen und Änderungen … 142.1Projektziele und Zielpublikum … 142.2Gesamtziele … 162.3Nachhaltigkeit … 182.4Evaluation … 192.5Transfer … 192.6Rückwirkungen auf die Verantwortlichen … 282.7Öffentlichkeitsarbeit … 303Zusammenarbeit mit Organisationen … 314Auflagen und Bedingungen … 325Projektablauf … 335.1Vorteile und Stärken … 335.2Verbesserungsmöglichkeiten … 335.3Empfehlungen … 346Anhang … 357Literatur … 36
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch31 Tätigkeiten, Ergebnisse, LeistungenAm Kooperationsprojekt beteiligten sich Dozierende und Studenten aus dem Fachbereich SozialeArbeit dreier Fachhochschulen und aus zwei Pädagogischen Hochschulen. Diese organisiertensich in ein Team „Zivildienstleistende“ (im Folgenden Zivildienst genannt) und ein Team„Freiwilligenarbeit“ (im Folgenden Freiwillige genannt). Entsprechend fokussierte das eine alsZielgruppe junge Männer, die Zivildienst leisten, und das andere männliche Jugendliche und jungeMänner, die in Freiwilligenorganisationen tätig sind. Für die Projektarbeit wurden gezielt Studentenaus den beteiligten Hochschulen gesucht, die selber Zivildienst geleistet haben oder in derFreiwilligenarbeit tätig sind oder waren.Im „Team Zivildienst“ waren Studenten und Dozierende der FHS St.Gallen, der BernerFachhochschule (BFH) und der Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG) beteiligt. Im „TeamFreiwillige“ Studenten und Dozenten der Hochschule Luzern (HSLU) und der FHS St.Gallen undder Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz (FHZ Zug). Aus organisatorischen Gründenentschieden beide Teams, einzelne Aufgabenschritte getrennt in Projektgruppen zu erarbeiten.Das Team Zivildienst führte aufgrund der sich ideal ergänzenden Angebotsideen der beidenProjektgruppen gemeinsam ein Gesamtangebot durch und das Team Freiwillige entwickelte dreiseparate Angebote.Die Tätigkeiten wurden in einer Projektdokumentation detailliert erfasst und von demEvaluationsteam ausgewertet. Das Kooperationsprojekt wurde durch eine Gesamt-Projektleitunggerahmt (siehe Anhang). Das Projekt erstreckte sich über elf Monate (1. Januar bis 30. November2011).Methodisches VorgehenIn der Projektetappe des Aufbaus einer Genderexpertise bei Studenten, bildete dieAuseinandersetzung mit den eigenen biografischen Erfahrungen als Zivildienstleistender und als insozialer Freiwilligenarbeit Tätiger einen wesentlichen Zugang zur Themensammlung, die nach derSondierung des thematischen Angebots für Zivildienstleistende bzw. für die Freiwilligenarbeitüberführt wurden. Ein wesentlicher Ausgangspunkt bestand in der Annahme, dass Studenten, dieselbst Zivildienst geleistet haben und/oder in der Freiwilligenarbeit tätig sind/waren, eineentsprechende Interdependenz biografischer Erfahrungen besitzen.Der Begriff der Biografie verweist auf den dialektischen Prozess von subjektiver Aneignung derGesellschaft und der gesellschaftlichen Konstitution von Subjektivität (vgl. Fischer-Rosenthal,1991) und kann insbesondere mit Verfahren der Biografieforschung erschlossen werden. Ausbiografischen Äusserungen können Erfahrungsaufschichtungen ermittelt werden. „Das bedeutet,dass sowohl der Aneignungsprozess von Erfahrungselementen als Bestandteilen der sozialen Weltdurch subjektive Bedeutungszuweisung rekonstruiert werden kann, als auch die Entwicklung des„Aneignungssystems“ selbst und der Prozess der Erfahrungsaufschichtung als Herausbildungübergeordneter generativer Handlungs- und Wissensstrukturen“ (von Felden 2004).Durch die besondere Verbindung von Milieu, Lebensalter und Geschlecht (vgl. u.a. Schäffer 2004)besitzen die Erfahrungen in o.g. Kontexten für die befragten Studenten die besondere Kraftkonjunktiver Erfahrungsräume (Mannheim 1980). Der Grundgedanke kann in etwa so umschriebenwerden, dass aus der Bezogenheit auf gemeinsam getragene Erfahrungszusammenhänge einbesonderer Erfahrungsgewinn für den einzelnen Menschen hervorgeht. KonjunktiveErfahrungsräume zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen Übereinstimmungen in den sozialenLagerungen, des biografischen Erlebens und der Sozialisationsgeschichte miteinander verbundensind (vgl. auch Meuser & Behnke 1999; Bohnsack 2000). Diese Übereinstimmungen sind, nebendem Mannsein, in Beziehungen von Männern durch weitgehend bestehende Homogenität u.a.hinsichtlich Lebenslage, biografischer Entwicklungen und Alter oftmals gegeben. DiesenErfahrungsraum gilt es für die im Projekt mitarbeitenden Studenten herzustellen, um gemeinsamgetragene Themen aus der Zeit als sozial Engagierte herauszuarbeiten. Entsprechend derGesamtausrichtung des Projektes besteht ein spezifisches Interesse, übergreifende
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch4geschlechtsspezifische Themengehalte für diese Lebenslage sichtbar zu machen und in einAngebotsthema zu überführen.Im vorliegenden Kooperations- und Sensibilisierungsprojekt wurden entsprechende methodischeAnpassungen vollzogen. Als gängiges Praxisverfahren zur Erforschung von biografischenErfahrungsaufschichtungen und konjunktiven Erfahrungsräumen hat sich das Projekt methodischan der Biografiearbeit orientiert (vgl. u.a. Haupert et al. 2010; Hölzle & Jansen 2009). Die konkretemethodische Anwendung innerhalb der Biografiearbeit erfuhr in den jeweiligen Arbeitsteamskonkrete Anpassungen, die im Evaluationsbericht dargestellt sind.1.1 ProjekttätigkeitenTeam ZivildienstAuf die Ausschreibung an der Berner Fachhochschule meldeten sich viele interessierte Studenten.Einige von ihnen mussten aus Kapazitätsgründen absagen. Drei Studenten aber haben sich zurMitarbeit verpflichtet und sind mit grossem Engagement dabei geblieben. Für die interneAusschreibung an der PH St.Gallen hat sich ein Student für eine Mitarbeit interessiert. An der FHSSt.Gallen wurden rund 20 Studenten des ersten und vierten Semesters persönlich angesprochenund angeschrieben (siehe Anhang: „Schreiben der FHS St.Gallen an Studenten fürProjektmitarbeit“), die eigene Erfahrungen in der Freiwilligenarbeit und/oder dem Zivildienstmitbringen sowie Interesse an Genderfragen und der Entwicklung von Genderkompetenz haben.Für die Mitarbeit im Team Zivildienst verpflichteten sich drei Studenten für jene im Team Freiwilligezwei, die den Fachbereich Soziale Arbeit der FHS St.Gallen vertraten. Im Team Zivildienstarbeiteten also insgesamt sieben Studenten aus drei Hochschulen mit: sechs Studenten derSozialen Arbeit und ein Lehramtsstudent. Sie wurden im Vorfeld über die Anforderungen undRahmenbedingungen des Projekts informiert.Mit zwei ganztägigen Veranstaltungen, die Fachwissen zum Thema Gender zum Inhalt hatte,starteten die beiden Teil-Projektgruppen des Teams Zivildienst die Projektarbeit und initiiertendamit ihre Zusammenarbeit. Das erste Treffen zielte auf die Erfahrungen, welche die Studenten alsZivildienstleistende gemacht hatten. Es ging darum, diese Erfahrungen unabhängig von derGenderthematik abzufragen und erst dann im Kontext von Gender zu diskutieren und relevanteGeschlechteraspekte zu erkennen. Referate von Dozierenden zu verschiedenen historischen undtheoretischen Aspekten von Gender sowie ein erstes Brainstorming zu möglichen Angeboten fürdie Zivildienstleistenden schlossen den ersten Tag ab.Das zweite Treffen hatte zum Ziel, die Genderkompetenz und -expertise der Studenten zuerhöhen. Dies erfolgte mittels verschiedener Grundlagentexte und anschliessender Diskussionen,dabei standen Fragen nach der Männerrolle und geschlechtlichen Zuschreibung im Zentrum. Zielwar, zu einem frühen Zeitpunkt des Projektes erste Grundlagen für den Aufbau einerGenderexpertise zu legen.Das Team einigte sich darauf, Angebote für Zivildienstleistende im ZivildienstzentrumSchwarzenburg zu entwickeln. Die Zielsetzung bestand darin, konkrete Botschaften zum Studiumvon Sozialer Arbeit bzw. Lehrberufen zu vermitteln. Zentrales Anliegen der Studenten war es,Vorurteilen und falschen Zuschreibungen entgegenzutreten und ein differenziertes Bild der beidenBerufe zu zeichnen, gerade auch in Bezug auf Voraussetzungen für Männer (siehe Anhang:„Dokumentation Durchführung der Angebote im Zivildienstzentrum Schwarzenburg“).Aus organisatorischen Gründen erfolgte die konkrete Ausarbeitung der Angebote in zwei Teil-Projektgruppen. Die eine setzte sich aus Studenten und Dozierenden der BFH und die andere ausStudenten und Dozierenden der FHS St.Gallen und der PHSG zusammen. Die Ideen, welcheschliesslich von den beiden Projektgruppen entwickelt worden waren, ergänzten sich ideal. Daherwurde beschlossen, ein gemeinsames Angebot daraus zu generieren und dieses an zwei Abendendurchzuführen. Dieses sah vor, dass Zivildienstleistende von den Studenten angeregt werden, in
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch5einem entspannten Rahmen bei einem offerierten Getränk über Berufs- undWeiterbildungsperspektiven, ihre Vorstellungen über Männerbilder und die Tätigkeit in einemweiblich dominierten Berufsfeld zu sprechen.Vorbereitend wurden in den Projektgruppen verschiedene Produkte (u.a. ein Flyer und ein Poster)entwickelt (vgl. 1.2). Diese dienten als Informationsmaterialien und sollten auf das abendlicheGesprächsangebot aufmerksam machen. Weitere Vorarbeiten bestanden im Druck derverschiedenen Materialien oder im Rekognoszieren des Zivildienstzentrums Schwarzenburg. Beider Entwicklung und Gestaltung der Produkte war es den Dozierenden ein Anliegen, das kreativePotenzial der mitarbeitenden Studenten einfliessen zu lassen. Nach deren Vorstellungen solltendie Logos der T-Shirts und Flyer bewusst provozieren und zum Nachdenken über die Thematik„Soziale Berufe und Männerrolle“ anregen. Die Studenten verfassten Slamtexte, die als Anregungfür eine gemeinsame Diskussion über diese Themen vorgetragen werden sollten.Zu Beginn des Projekts erfolgte die Klärungs- und Informationsarbeit gegenüber demZivildienstzentrum. Ein Vertreter des Projektteams legte mit den Verantwortlichen desZivildienstzentrums die Rahmenbedingungen für die mögliche Projektentwicklung in einemGrundlagendokument fest. Die Rahmenbedingungen wurden sowohl den Dozierenden wie auchden Studenten bekannt gegeben. Vor der Entwicklung des Angebots war somit geklärt, in welcherForm die Projektverantwortlichen den Zivildienstleistenden gegenüber treten können. Ideal war,dass das neu eröffnete Ausbildungszentrum in Schwarzenburg zur Verfügung stand, um dieZivildienstleistenden in ihrem fünftägigen Ausbildungskurs anzutreffen.Die Zusammenarbeit zwischen den Projektteams und dem Bundesamt für Zivildienst funktioniertevon Anfang an sehr gut. Leitung und Mitarbeitende des Zivildienstzentrums in Schwarzenburgzeigten ein grosses Interesse am Projekt. Diese Kontakte können als wichtig und nachhaltigbeurteilt werden.Team FreiwilligeDas Team Freiwillige setzte sich aus Dozierenden und Studenten der Sozialen Arbeit der FHSSt.Gallen, der HSLU und der PHZ Zug zusammen. Von der FHS St.Gallen engagierten sich zweiStudenten im Team Freiwillige. Die beiden Studenten der HSLU wurden im Rahmen derProjektausschreibungen für studentische Projekte gewonnen.Die Projektleitung der PHZ Zug informierte mögliche interessierte Studenten aus dem erstenStudienjahr per Mail über das Projekt und lud sie zur Mitarbeit ein. An der erstenInformationssitzung nahmen sieben Studenten teil, zwei davon zogen sich danach zurück. Die fünfverbliebenen Studenten bewertete es als attraktiv, andere junge Männer für den Lehrberuf zubegeistern. Einer von ihnen begründete sein Interesse am Projekt damit, im Kinder- undJugendverband Jungwacht Blauring gut verankert zu sein.In diesem Team setzten sich Studenten und Dozierende mit Aspekten von Freiwilligenarbeitauseinander. Die Beteiligten liessen sich von Forschenden der Jacobs Stiftung zum Thema„Gender im Feld der Freiwilligenarbeit“ weiterbilden. Diese Weiterbildung fand an der PHZ Zugstatt. Neben grundsätzlichen Fragen wie der Definition von Freiwilligenarbeit (wo beginnt und endetFreiwilligenarbeit) wurden auch Genderaspekte beleuchtet.Angebotsteam Freiwillige LuzernDas Angebotsteam Freiwillige der HSLU erarbeitete im Rahmen eines studentischen Projektesgemäss den curricularen Vorgaben des Studiengangs ein Angebot für sozial tätige junge Männer.Die Studenten entwarfen ein Projektdesign, welches das Vorgehen bezüglich der Entwicklung desProduktes beschreibt, und legten die Projektziele fest. Aus der Biografie- und Genderarbeit sowiein Auseinandersetzung mit Fachliteratur kristallisierte sich als Format ein spielerischer Workshopheraus, der die Soziale Arbeit in verschiedenen Facetten erleb- und begreifbar machen soll.
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch6Um diesen Attributen gerecht zu werden und einen Link zwischen Sozialer Arbeit undFreiwilligenorganisation zu schaffen, benannte das Angebotsteam Fähigkeiten, die in der SozialenArbeit sowie in Leitungsfunktionen von Freiwilligenorganisationen förderlich sein können. DieAnalyse der Biografie- und Genderarbeit künftiger Sozialarbeiter hat ergeben, dass bei derStudienwahl für Soziale Arbeit die Thematiken „Vorbild sein“ und „Vorbild haben“ stark Einflussnehmen können. Deshalb erschien es dem Angebotsteam wichtig, mit seinem Produkt direkt mitden jungen Männern in Kontakt zu treten, mit ihnen zu arbeiten und gegenüber der Zielgruppe alsExperten der Sozialen Arbeit aufzutreten. Dabei stützte sich das Angebotsteam zusätzlich auf dieTheorie des „Doing-Gender“. Der unmittelbare Einbezug der Genderexpertise in die Umsetzungdes Produktes ist mit dem Spiel GAME XY (siehe Anhang: „Konzept GAME XY der HSLU“)gelungen. Der Direktkontakt des Angebotsteams mit der Zielgruppe wurde von den Teilnehmernpositiv bewertet, ebenso wie das gesamte Konzept GAME XY.Das Angebotsteam suchte nach verschiedenen Methoden, Themenfelder der Sozialen Arbeit undsoziale Kompetenzen (wie Kommunikation, Verantwortung tragen, Selbst-Management) spielerischzu verbinden. Hintergrund für diese Kombination war die Überlegung, dass den Mitspielern einThemenfeld der Sozialen Arbeit näher gebracht und ihnen zugleich aufgezeigt werden soll, dassFähigkeiten, die in der Sozialen Arbeit hilfreich sind, sie in einer Freiwilligenorganisation bereitseinsetzen.Mit einem Genderexperten und einem Theaterpädagogen wurden mittels Experteninterviewswichtige Erfahrungswerte beim Zugang zu Genderthemen für junge Männer zusammengetragenund nächste Schritte und Ideen überprüft und festgelegt.Das Angebotsteam ging von der Annahme aus, dass 16- bis 19-jährige Männer einenausgeprägten Spieltrieb und eine männliche Lust am Wettkampf haben. (Bourdieu: Die ernstenSpiele des Wettbewerbs). Diese Annahme wurde im Gespräch mit dem Genderexperten, miteinem soziokulturellen Animator und dem Theaterpädagogen bestätigt. Zudem ging dasAngebotsteam anhand von persönlichen Erfahrungen als Jungwacht Blauring-Leiter sowie alsLehrer davon aus, dass das geplante GAME XY, eine spannende und adressatengerechte Formder Inhalts- und Wissensvermittlung ist.Basierend auf der Theorie „Doing-Gender“ erarbeiteten die beiden Studenten ein Konzept für einenWorkshop, in dem die 16- bis 19-jährigen Männer aus Freiwilligenorganisationen in Interaktion mitStudenten der Sozialarbeit kommen sollten. Studenten war dabei eine „Expertenrolle“ vorgesehen,die der Zielgruppe ein Bild der Sozialen Arbeit vermitteln. Durch den direkten Kontakt bestand fürdie jungen Männer die Möglichkeit, aufkommende Fragen zu klären und sich intensiv mit demBerufsfeld zu beschäftigen.Die beiden Studenten arbeiteten mit zwei Organisationen zusammen, die ihre Räumlichkeitenkostenlos zur Verfügung stellten: die Kantonsschule Willisau und die Jungwacht Blauring Grächen(Jubla Grächen), bei der das Angebotsteam während eines Anlasses auch für das Projekt werbenkonnte. Das Angebotsteam fragte zwei sozial tätige junge Männer aus dem persönlichen Umfeldfür die Mitwirkung am GAME XY an. Als sogenannte Türöffner ermittelten diese daraufhin in ihremeigenen Umfeld weitere Interessenten, die für eine Teilnahme gewonnen werden konnten.Angebotsteam Freiwillige ZugIm Team Freiwillige der Pädagogischen Hochschule Zug war die Selbstwahrnehmung derbeteiligten Studenten nach verschiedenen Praktika im ersten Studienjahr bereits klar ausgeprägt.Sie fühlten sich als männliche Minderheit in einem Frauenberuf. Aus dieser Situation herausüberlegten sie sich, welches Bild junge Männer von einem Lehrer haben und wollten darauf gezieltEinfluss nehmen und eine Veränderung bewirken. Das Angebotsteam definierte das Ziel, jungenMännern zu vermitteln, dass angehende Lehrpersonen „Typen“ sind, die in ihrer Freizeit Aktivitätennachgehen, die auch Jugendliche mit Interesse verfolgen.Die fünf Studenten der PHZ Zug entschieden sich, verschiedene Studenten in ihrenFreizeitaktivitäten zu zeigen. Sie liessen Mitstudenten von einem professionellen Fotografen im
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch7Porträt und bei der Ausübung einer Freizeitaktivität ablichten. Es entstand eine Fotoserie, die ausjeweils zwei Postern pro Student besteht. Das Porträt enthält die persönlichen Angaben desStudenten und die Aufschrift „Ich werde Lehrer!“. Das zweite Poster zeigt den Studenten bei derAusübung seines Hobbies (Fussball, Freeski, Klavierspiel, Skateboarden, Klippenspringen) mit derFrage „Und du?“ (siehe Anhang: „Poster“).Im nächsten Schritt planten die Studenten, in direkten Kontakt mit jungen Männern zu treten, diePlakate am jährlich stattfindenden Lieder- und Kulturfest der Jungwacht Blauring zu zeigen und anverschiedenen Sekundarschulen in Zug Werbung zu machen.Die Studenten organisierten sich in drei Unterteams. Eine Gruppe konzipierte und organisierteeinen Stand am sogenannten Lieder- und Kulturfest der Jungwacht Blauring. Ein Student planteund realisierte in Zusammenarbeit mit einem Fotografen die Fotokampagne für Poster undPostkarten. Die dritte Gruppe konzipierte einen Fragebogen als Eignungstest für Interessierte(siehe Anhang: „Fragebogen“) und reservierten die Domain www.werde-lehrer.ch für das BBT-Projekt. Der Fragebogen enthält ernste und humorvolle Fragen zur Berufseignung und konnte aufder Homepage heruntergeladen werden. Auf der Homepage finden sich Informationen zumLehramtsstudium und zum Projekt. Verschiedene Give-aways, welche die Studenten herstellenliessen, weisen auf die Homepage hin.Zentrale Überlegungen zur Gestaltung einer Website als geeigneter Zugang zu sozial tätigenjungen Männern waren u.a.: Das Internet ist für Männer attraktiv, der Name der Homepage istansprechend, die Fotoserie der Studenten ist attraktiv. Hinter den Bildern stehen Geschichten(darum mehr Informationen zu Männern). Die Fotos sind humorvoll (was als wichtig erachtet wird).Es gibt ernsthafte Fragen mit Antworten, die nicht alle schon kennen. Fragen sind guter Auslöser,um miteinander in einen Dialog zu treten.Aufgrund eigener Erfahrungen und Kontakte kristallisierte sich die Vereinigung Jungwacht Blauringals Zielgruppe heraus. Das Lieder- und Kulturfest dieses Verbands, das jeweils für jungeLeiterinnen und Leiter organisiert wird, bot sich als Begegnungsort an, da jeweils rund 800Leiterinnen und Leiter an diesem Spiel- und Unterhaltungs-Event teilnehmen.Als zweite Zielgruppe definierte das Angebotsteam Gymnasiasten und Schüler der Schulen AtheneZug (FMS). Zu dieser Festlegung führte die Überlegung, dass hier hunderte von jungen Männernauf der Suche nach einem späteren Berufsfeld in Ausbildung sind und in Erwägung ziehenkönnten, später einmal ein Studium an der PHZ Zug aufzunehmen.Die am Projekt beteiligten Studenten selber kennen diesen Weg und wählten daher teilweise ihreehemaligen Schulen, um die Projektideen unter junge Männer zu bringen. Sie legten sich auf dieKantonsschule Zug, die ein Gymnasium und eine Wirtschaftsmittelschule führt sowie dieFachmittelschule Zug, die die Profile Pädagogik, Soziales und Gesundheit führt, fest. Ergänztwurden diese Orte mit dem „Schulischen Brückenangebot“, ein freiwilliges 10. Schuljahr, in demjunge Leute sich für den weiteren Berufs- oder schulischen Weg orientieren. Hier sind jugendlicheMänner unmittelbar mit der Berufsfrage konfrontiert und daher eine wichtige Gruppe potentiellerkünftiger Studierender.Zwei Studenten, die sich für die Veranstaltung am Lieder- und Kulturfest von Jungwacht Blauringverantwortlich zeigten, kamen über das von ihnen angebotene Spiel „Rockfussball“ und eineKaffeestube mit den Leitern der Jugendorganisationen in Kontakt. Mit grossem Erfolg konntenJugendliche für den Rockfussball begeistert werden.Angebotsteam Freiwillige St.GallenFür die konkrete Projektmitarbeit im Team Freiwillige konnten die Projektverantwortlichen der FHSSt.Gallen zwei Studenten gewinnen, die selber Erfahrung in der Freiwilligenarbeit mitbrachten.Ende März 2011 fand in Zürich mit allen Beteiligten der Freiwilligenteilteams eine eintägigeVeranstaltung zum Thema „Biografische Erfahrungen/Zugänge im Rahmen der Freiwilligenarbeit“mit den Schwerpunkten „geschlechtsspezifische Zugänge“ sowie „Freiwilligenarbeit und
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch8Berufswahl“ statt. Im Zusammenhang mit der Ausgestaltung möglicher thematischer Angebote fürin der sozialen Freiwilligenarbeit tätige junge Männer skizzierte das Angebotsteam St.Gallen zweimögliche Angebotsvarianten wie „Einblick in die Berufswelt“ (Schnuppertag in einerPraxisorganisation und/oder in der Hochschule) und als zweite Variante eine Imagekampagne(Plakatkampagne, Website).Da das Kriterium der persönlichen Kontaktaufnahme und der persönlichen Information im Zentrumstehen sollte, entschied sich das Angebotsteam für das Angebot „Einblick in die Berufswelt“(Schnuppertag). Das Angebotsteam plante daraufhin die inhaltliche Ausrichtung, das Vorgehensowie die Umsetzung und Schritte entlang des Projektziels, interessierten jungen Männern, die inder Freiwilligenarbeit tätig sind, einen direkten bzw. konkreten Einblick in die Praxis der SozialenArbeit zu ermöglichen.Die jungen Männer in den Freiwilligenorganisationen sollten gezielt durch männliche Studentenangesprochenwerden,umkonkretaufzuzeigen,dassderBerufdesSozialarbeiters/Sozialpädagogen offensichtlich gendersensible Thematiken beinhaltet. DieWahrnehmung dieser Themen sollte durch die direkten Kontakte von den studentischenProjektmitarbeitern und Interessierten ermöglicht werden, durch persönliches Coaching undBegleitung während eines Schnuppertages oder durch Seminarbesuche an der Fachhochschule.Für die Wahrnehmung der Schnuppertage wurde ein Flyer „Soziale Arbeit - Ein Beruf für Männer“gestaltet. Dieser sollte den Interessierten ausgehändigt werden. (siehe Anhang: Flyer „SozialeArbeit – ein Beruf für Männer“)Die Studierenden haben mit den sozialen Organisationen Pro Senectute, Quimby Haus, Betula undJugendsekretariat St.Gallen zusammengearbeitet. Damit konnten die Praxisfelder Altersarbeit,körperliche Einschränkungen und psychische Einschränkungen in das Angebot für Interessentenaufgenommen werden. Diese Organisationen, die eine breite Berufspraxis widerspiegeln undEinblick in verschiedene Tätigkeitsfelder ermöglichen, wurden schriftlich angefragt, ob sie bereitwären, einen Interessenten einen halben bis einen Tag lang zu begleiten, um so den Alltagfassbarer zu machen.Die beiden im Projekt involvierten Studenten planten darüber hinaus den Besuch derVorstandssitzungen von Pfadi und Jungwacht. Anhand eines Leitfadens sollte das Projekt in denSitzungen vorgestellt werden. Auf dem Flyer, der den jungen Männern ebenfalls in diesenSitzungen ausgehändigt werden sollte, waren stichwortartig die Argumente aufgeführt, wieso einStudium der Sozialen Arbeit sinnvoll und eine Tätigkeit in der Praxis attraktiv ist. Das Projekt wurdein den Vorstandssitzungen der jeweiligen Freiwilligenorganisation kurz vorgestellt und diemännlichen Vorstandsmitglieder zu einem Schnuppernachmittag in einer Organisation der SozialenArbeit motiviert.1.2 Leistungen und Ergebnisse der ProjektarbeitTeam ZivildienstDurchführung IName/Titel des Angebots: Zivildienst, Männerbilder und die Berufe Soziale Arbeit und LehrerZielgruppe: Zivildienstleistende im AusbildungskursDurchführungsort: Ausbildungszentrum Zivildienst in SchwarzenburgZeitpunkt: 10. August 2011Beschreibung der Durchführungsinhalte und Einsatz der Produkte:Aufbauend auf dem Konzept Abendangebot für Zivildienstleistende, das Gespräche mitZivildienstleistenden an zwei kursfreien Mittwochabenden vorsah, fanden sich zwei am Projektbeteiligte Studenten jeweils bereits am Mittag ein. Mit selbst entworfenen Tischsets, Flyern undspendierten Desserts machten sie auf die abendliche Veranstaltung aufmerksam. Für den ersten
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch9Abend wurde die Grillstelle des Zivildienstzentrums reserviert und mit den selbst gestaltetenPostern dekoriert. Die Grillstelle befindet sich etwas abseits der Mensa, sodass der Weg mit einemSpruchband markiert wurde. Die Studenten trugen auffallend rote T-Shirts mit dem eigens kreiertenLogo und luden die Zivildienstleistenden zu Getränk und Würstchen ein, um den Zugang zu ihnenzu erleichtern und die Möglichkeit zu Gesprächen zu eröffnen.Folgende Produkte wiesen auf die Anlässe hin oder wurden an Interessierten verteilt: Flyer,Broschüre, Poster, Tischsets, Bänder, T-Shirts mit Logo und Slamtexte. (siehe Anhang: „Sujet fürProdukte“, „Flyer“, „Broschüre“, „Spruchband“).Durchführung IIName/Titel des Angebots, Zielgruppe, Durchführungsort, Produkte: keine VeränderungenZeitpunkt: 17. August 2011Beschreibung der Durchführungsinhalte und Einsatz der Produkte:Die Analyse der Gründe, weshalb das Angebot am ersten Abend nicht stärkeres Interesse fand,führte zu Anpassungen. So gingen bei der zweiten Durchführung die Studenten unmittelbar nachUnterrichtsende aktiv auf die Zivildienstleistenden zu, um mit ihnen vor und auch in der Mensa insGespräch zu kommen. Die Zivildienstleistenden zeigten Interesse für den Anlass und somitkonnten die Themen Männlichkeitsbilder, Berufswahl und Studium der Sozialen Arbeit bzw. derPädagogik beleuchtet und diskutiert werden.Angebotsteam Freiwillige LuzernDurchführung IName/Titel des Angebots: Workshop mit GAME XYZielgruppe: in der Freiwilligenarbeit tätige männliche GymnasiastenDurchführungsort: Kantonsschule WillisauZeitpunkt: erste Septemberwoche 2011Beschreibung der Durchführungsinhalte und Einsatz der Produkte:Im Mittelpunkt des dreiteiligen 90-minütigen Workshops stand das Spiel GAME XY, das sich in dreiTeile gliedert: Einstieg, Hauptteil, Ausklang. Zu Beginn des Spiels werden die Teilnehmer von denSpielleitern begrüsst und mit dem weiteren Verlauf vertraut gemacht. Mit einem sogenannten„Icebreaker“ versucht die Spielleitung die Distanz zu den Teilnehmern abzuschwächen und miteinem theaterpädagogischen „Warm-up“ eine lockere Atmosphäre zu schaffen, um die Teilnehmerauf den 60-minütigen Hauptteil einzustimmen.Der Hauptteil läuft am „runden Tisch“ ab. Das ist ein kleiner Holztisch, der als Spieltisch fungiertund als roter Faden dem Spielgeschehen Struktur verleiht. Gespielt wird in Zweier-Teamsgegeneinander. Jedes Team besitzt eine Spielfigur, die durch Würfeln bewegt wird. Wer dielängste Strecke zurücklegt, gewinnt. Auf die Teams warten Aufgaben, die in zwei Kategoriengegliedert sind. Es gibt Wissensfragen zu Themen verschiedener Bezugswissenschaften derSozialen Arbeit (Wirtschaft, Politik, Recht, Psychologie und Soziologie), die beantwortet werdenmüssen. Oder die Teilnehmer lösen bestimmte Aufgaben. Diese Aufgaben dauern zwischen fünfund zehn Minuten und werden auf einer „Bühne“ gelöst. Durch die „Bühne“ verlassen dieTeilnehmer das Spiel und treten fiktiv in die Welt der Sozialen Arbeit ein. Die gestellte Aufgabekombiniert eine soziale Kompetenz (Verantwortung tragen, Management, Kommunikation, Analyseund Durchsetzungsvermögen) und ein Themenfeld der Sozialen Arbeit mit einer spielerischenMethode. Dadurch wird den Teilnehmern ein breites Berufsspektrum aufgezeigt. Zugleich werdenFähigkeiten angesprochen, die in der Sozialen Arbeit hilfreich und auch in Leitungsfunktionen inder Freiwilligenarbeit eingesetzt werden. Die Aufgaben werden einzeln, im Team oder gegen einanderes Team gelöst. Während des Spiels führt die Spielleitung das Geschehen, bewertet die
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch10Aufgaben, tritt als Experte auf, beantwortet Fragen und moderiert allfällige Diskussionen.Im dritten Teil erhalten die Teilnehmer den Raum, Feedback zu geben oder noch offene Fragen zustellen und ein letztes Mal die „Experten“ in Anspruch zu nehmen.Folgende Produkte wurden hergestellt: Konzept Game XY, runder Spieltisch mit Spieldesign.Durchführung IIName/Titel des Angebots: keine ÄnderungZielgruppe: männliche Jugendliche der Jungwacht Blauringen GrächenDurchführungsort: Raum Jungwacht Blauringen GrächenZeitpunkt: erste Septemberwoche 2011Beschreibung der Durchführungsinhalte und Einsatz der Produkte:Die Ergebnisse der beiden Workshops fielen aufgrund von zwei Faktoren unterschiedlich aus.Einer davon ist die Konzeption des Hauptteils, der durch seine grosse Auswahl an Aufgaben undWissensfragen verschiedene Spielanlagen zulässt. Der zweite Faktor bestand in denunterschiedlichen Gruppenkonstellationen, die sich im Alter, Bildungsgrad und soziokulturellemUmfeld unterschieden. In beiden Workshops wurden verschiedene Aspekte der Sozialarbeitaufgegriffen und Fragen und Diskussionen jeweils auf einer anderen, dem Spielverlauf und Gruppeentsprechenden Ebene geführt.Die beiden Durchführungen wurden mit den Teilnehmern und teamintern evaluiert. Die Ergebnissefielen äusserst positiv aus und bescheinigten dem Angebotsteam, die Projektziele erreicht zuhaben. Es hat eine Einstellungsveränderungen der Teilnehmer gegenüber der Sozialen Arbeitstattgefunden. Dieses Resultat belegen Aussagen wie: „Ich dachte, dass diese Arbeit einfachersei.“ Adrian (18 Jahre); „Jetzt weiss ich etwas über diesen Beruf, den ich vorhin gar nicht so richtiggekannt habe.“ Steven (17 Jahre) oder „Ich wusste gar nicht, dass Sozialarbeit so vielschichtig ist.“Samuel (19 Jahre). Als methodischer Zugang ist das GAME XY bei den Teilnehmern sehr gutangekommen. Die Durchführungen wurden als spannend, interessant und abwechslungsreichbewertet. Trotz der zum Teil ernsten Themen und Diskussionen hat auch Humor und Spass nichtgefehlt.Nach den Durchführungen wurde das Konzept modifiziert und fertiggestellt. Im Rahmen derstudentischen Projektarbeit der Hochschule Luzern, Soziale Arbeit, schloss das Angebotsteam ihrEntwicklungsprojekt mit einem Projektbericht ab.Angebotsteam Freiwillige ZugDurchführung IName/Titel des Angebots: Teilnahme am Kultur- und Liederfest Jungwacht BlauringZielgruppe: Leiter von JungwachtDurchführungsort: Kultur- und Liederfest „Kulti-Fest“ Jungwacht Blauring, Open-air in MenzingenZG (http://www.kulti2011.ch/)Zeitpunkt: Im September 2011 wurden die verschiedenen Aktivitäten durchgeführt, wobei die dreiGruppen sich auf ihr jeweiliges unterschiedliches Material beziehen. Am Samstag 3.9.2011 amKulti-Fest in Menzingen (Stand und Spielangebot).Beschreibung der Durchführungsinhalte und Einsatz der Produkte:Zwei Studenten, die sich für die Veranstaltung am Lieder- und Kulturfest von Jungwacht Blauringverantwortlich zeigten, kamen Anfang September über das von ihnen angebotene Spiel„Rockfussball“ und einer Kaffeestube mit den Leitern der Jugendorganisationen in Kontakt. Mitgrossem Erfolg konnten Jugendliche für den Rockfussball begeistert werden. Die Studenten kamenmit ihnen anschliessend mühelos in der Kaffeestube ins Gespräch. Diese war als Stand gestaltet
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch11und zog die Aufmerksamkeit mit der Plakataktion, die Studenten als Porträt sowie bei einerFreizeitbeschäftigung zeigt, auf sich. Die Studenten informierten über Studium und Lehrberuf undhändigten Interessierten Informationsmaterial der PHZ Zug aus, verteilten Postkarten mit für dieKampagne erstellten Studentenmotiven sowie Give-aways mit der Domain der eigens erstelltenHomepage. Eine Vielzahl dieser Jugendlichen füllte zudem den Eignungstest aus und stellte ihndem Angebotsteam anschliessend zur Verfügung.Folgende Produkte wurden hergestellt und an Interessierte bei Standaktionen verteilt, bzw. solltendie Aufmerksamkeit auf den Stand lenken: Sackmesser, Lineale, Bleistifte, Postkarten mit demHinweis auf die Homepage, Eignungstest mit zehn Fragen und einer Auswertung, Poster inverschiedenen Grössen.Durchführung IIName/Titel des Angebots: Werde Lehrer.chZielgruppe: Schüler von Mittelschulen (Fachmittelschule Zug mit Fachmaturität Pädagogik,Schulisches Brückenangebot Zug, Kantonsschule Zug mit Gymnasium und Wirtschafts-mittelschule)Durchführungsort: Schulen Athene Zug (FMS), SBA Zug, Kantonsschule ZugZeitpunkt: Die Standaktionen fanden in der Mittagspause der Schüler am Dienstag 13.9.2011 amGymnasium, Mittwoch 14.9.2011 an der FMS und dem SBA, und Donnerstag 15.9.2011 erneut amGymnasium statt.Beschreibung der Durchführungsinhalte und Einsatz der Produkte:Mitte September 2011 führten rund 15 Studenten des zweiten Studienjahres unter Leitung desAngebotsteams an drei Mittelschulen im Kanton Zug eine Standaktion durch. In Gruppen von fünfbis sieben Studenten kamen sie mit den Schülern ins Gespräch und verteilten Give-aways, die aufdie Homepage www.werde-lehrer.ch hinwiesen.Auf dieser Homepage werden unterschiedliche Informationen zum Studium und dem Teilprojektdes BBT-Kooperationsprojekts, Dokumente und Links zur Verfügung gestellt. Des Weiteren konnteder Eignungstest online ausgefüllt, die Poster der angehenden Lehrer angeschaut, die Steckbriefeder Studenten aus der Plakataktion gelesen und ein Gästebucheintrag gemacht werden.Angebotsteam Freiwillige St.GallenDurchführung IName/Titel des Angebots: Soziale Arbeit - ein Beruf für MännerZielgruppe: Jugendliche oder junge Erwachsene zwischen 15 und 22 Jahren, die in der Pfadi oderJungwacht als Leiter engagiert sindDurchführungsort: In den jeweiligen Räumlichkeiten der Jugendgruppen in der Stadt St.Gallen undim St.Galler-RheintalZeitpunkt: an zwei aufeinanderfolgenden Abenden Ende August 2011Beschreibung der Durchführungsinhalte und Einsatz der Produkte:Entlang eines im Vorfeld der Durchführung entwickelten Leitfadens wurde den an denVorstandsitzungen anwesenden jungen Männern das Projekt vorgestellt. Die Präsentationumfasste Informationen zum Gesamtprojekt (Kontext), zum Berufsfeld der Sozialen Arbeit sowiezum Studium an einer Fachhochschule und dem Projektangebot. Durch den direkten Kontakt mitmännlichen Studierenden sollten die anwesenden jungen Männer auf die Studienrichtung SozialeArbeit aufmerksam gemacht und mögliche Berufsperspektiven aufgezeigt werden.Die kontaktierten Jugendlichen wurden unmittelbar von Studenten der Sozialen Arbeitangesprochen und eingeladen in ausgewählten Organisationen der Sozialen Arbeit in Begleitung
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch12von männlichen Professionellen/Studenten Einblick zu nehmen und/oder einen Tag in Begleitungmit männlichen Studierenden an ausgewählten Seminaren der Fachhochschule teilzunehmen.Durch diese konkreten Erfahrungen wurde die Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischenberuflichen Anforderungen initiiert, welche durch die stete Begleitung durch Männer, die bereits imBerufsfeld der Sozialen Arbeit stehen, angeregt werden soll. Zur Unterstützung wurde ein Flyergestaltet, der die Attraktivität des Berufsfeldes der Sozialen Arbeit für Männer aufzeigt.Bei den zwei ersten besuchten Gruppen zeigte sich, dass das Interesse am Berufsfeld derSozialen Arbeit bei den angesprochenen jungen Erwachsenen sehr unterschiedlich war. AusÄusserungen der Angesprochenen ging zudem hervor, dass zwar häufig das grundlegendeInteresse am Berufsfeld vorhanden war, die Frage nach einer beruflichen Weiterentwicklungallerdings nicht aktuell war. In der Folge wurde der Fokus der Präsentationen noch stärker auf dasProjektangebot und die damit verbundenen Chancen und Möglichkeiten gelegt und die anderenInhalte der Präsentation verkürzt, was mehr Raum öffnete, die Präsentation den Bedürfnissen undder Dynamik der Gruppe anzupassen und auf Fragen von Interessierten einzugehen. Zudemwurde festgelegt, dass die Besuche aufgrund der knappen Ressourcen nur noch durch einenStudenten vorgenommen werden.Durchführung IIName/Titel des Angebots: Keine ÄnderungZielgruppe: Jungwachttreffen (im Rheintal)Durchführungsort: Vorstandsitzungen von drei Pfadiabteilungen im Raum St.Gallen und vierJungwachtgruppen im Raum Rheintal (in den Räumlichkeiten der jeweiligen Freiwilligen-organisationen)Zeitpunkt: an Abenden im Zeitraum Ende August bis Mitte September 2011Beschreibung der Durchführungsinhalte und Einsatz der Produkte:Der Fokus wurde verstärkt auf das Projektangebot gelegt und die Präsentation den situativenAnliegen der Gruppe angepasst. Von 80 angesprochenen jungen Männern wurden zweiInteressierte einen Tag lang von männlichen ausgebildeten oder in Ausbildung stehendenSozialarbeitern oder Sozialpädagogen durch deren Berufsalltag begleitet.Folgende Produkte wurden entwickelt: Flyer „Soziale Arbeit - ein Beruf für Männer“, LeitfadenProjektvorstellung und zum Berufsfeld und Studium. (siehe Anhang: Flyer „Soziale Arbeit – einBeruf für Männer“, „Leitfaden Projektvorstellung und zum Berufsfeld und Studium“)1.3 ProjektänderungenTeam ZivildienstDen für Flyer, Poster, Tischsets und T-Shirts entworfenen Sujets wurde von im ZentrumSchwarzenburg anwesenden Armee-Mitarbeitern Militärfeindlichkeit unterstellt. Bei der LeitungZivildienst gingen in der Folge Reklamationen ein. So war es den Studenten am zweiten Abendunter Androhung eines Hausverbots nicht mehr erlaubt, die produzierten Werbematerialien zuverwenden. Die Studenten trugen daraufhin die T-Shirts verkehrt herum, sodass das Logo nichtmehr sichtbar war. Die kritisierten Bilder sollten Denkanstösse liefern. So konnten auch dieSlamtexte nicht präsentiert werden.Die Schwierigkeiten mit den Zivildienstleistenden in ein abendliches Gespräch über soziale Berufeund Männerbilder zu kommen, werden in den folgenden vorgefundenen Rahmenbedingungenvermutet: Die Zivildienstleistenden durchlaufen die ganze Woche über eine intensive Schulung.Diese dauert jeweils bis in den Abend hinein. Den jungen Männern steht lediglich derMittwochabend zur freien Verfügung. Aufgrund des sonnigen Wetters hatten viele
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch13Zivildienstleistende bereits andere Pläne. So ist davon auszugehen, dass verschiedene Gründedazu führten, dass viele Zivildienstleistende vom Angebot erst gar nicht oder zu spät erfuhren.Angebot Freiwillige ZugAufgrund des engen Stundenplanes gab es immer wieder Verzögerungen oderKoordinationsprobleme. Dennoch konnten die gesetzten Termine eingehalten werden. Mühebereitete auch die Koordination mit unterschiedlichen PHZ Zug-internen Fachpersonen. Anfangsverlief das Hochladen der Homepage nicht reibungslos. Die Studenten erwiesen sich aber alsäusserst kompetente Nutzer, sodass die Verzögerung nicht allzu bedeutsam war. Eine technischeEinführung am Kick-off-Meeting in das kooperationsinterne Tool hätte Sinn gemacht. Es zeigtesich, dass die Studenten stärker an Projektinhalten als korrekten administrativen Abläufeninteressiert waren.Angebot Freiwillige St.GallenDa die Module des Bachelorstudiengangs an der Fachhochschule erst Mitte September starten,konnte mit dem Besuch der Lehrveranstaltungen später als im Projekt vorgesehen begonnenwerden. Ebenso waren die Besuche der Vorstandssitzungen früher geplant, jedoch bedingt durchAbwesenheit in der Sommerzeit konnten diese sowie die Organisationsbesuche erst später alsgeplant durchgeführt werden.1.4 Reaktionen auf das KooperationsprojektDie Hochschul- und Fachbereichsleitungen reagierten im Tenor sehr positiv auf das Projekt undunterstützten das Vorhaben. Sie stellten grosszügig Ressourcen zur Verfügung oder finanziertendie eine oder andere Idee mit über die Eigenleistung reichenden, zusätzlichen Mitteln (vgl. z.B.PHZ Zug: Die Schulleitung unterstützte die geplanten Produkte, stellte den Webserver und eineDomain zur Verfügung und schaffte Zeitressourcen durch eine Freistellung für das Kick-off-Meetingmit den Partnerhochschulen sowie Projekteinsätze. Mit einem für die am Projekt beteiligtenStudenten offerierten Apéro bedankte sie sich offiziell und betonte dabei die Bedeutung, das Imagedes Lehrers an die Öffentlichkeit zu tragen und den Wert des Beitrags der Studenten.)Eine der Schulleitungen bedauerte dennoch, dass nicht vorgängig wichtige Grundsatzfragen(Brauchen wir wirklich mehr Männer in der Sozialen Arbeit? Sollen wir nicht vor allem versuchen,die Disziplin und Profession zu stärken? Was sind die wirklichen Gründe für das Ausbleiben derMänner? etc.) theoretisch aufgearbeitet und allenfalls mit Forschungsprojekten untersucht wurden.Insbesondere auch die Studiengangsleitung und auch die Fachstelle Gleichstellung PHSGbegegneten dem Projekt sehr wohlwollend und hiessen die Aktivitäten, welche die Attraktivität desLehrberufs für Männer erhalten oder steigern wollen, gut. Das Projekt hatte für die PHSG vor allemdurch den kooperativen Charakter eine Bedeutung; die Bereitschaft für eine weitereZusammenarbeit mit anderen Hochschulen ist da. Wenngleich hier die Resonanz bei denStudierenden bezüglich Projektmitarbeit eher gering ausgefallen ist, zeigt sich eine positiveSignalwirkung: Der Aufruf zur Projektmitarbeit und weitere männerbezogene Aktivitäten derFachstelle Gleichstellung haben Studierende dazu angeregt, Studienleistungen in diesemThemenbereich zu erbringen (je eine Master-, Bachelor- und Modulabschlussarbeit).An manchen am Projekt beteiligten Hochschulen fanden sich so viele interessierte Studierende,dass eine Auswahl getroffen werden musste. Bei einigen Studenten zeigte sich aber, dass derAufwand unterschätzt wurde und dadurch ihre Präsenz an den Vorbereitungssitzungenunterschiedlich hoch war. Fast alle aber, die sich zur Mitarbeit verpflichtet hatten, sind mit grossemEngagement dabei geblieben und haben die Erfahrungen als lehrreich, lustvoll und persönlichbereichernd beschrieben, auch wenn nicht alles ganz reibungslos und wunschgemäss verlaufen
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch14ist. Sobald weitere Studierende von den im Projekt tätigen Studenten auf eine allfälligeZusammenarbeit angesprochen wurden, waren diese sehr bereit, Unterstützung zu bieten undInteressierte zu begleiten.Interesse zeigten am ehesten Jugendliche und junge Erwachsene, die sich in einemBerufswahlprozess befinden oder sich beruflich neu orientieren möchten und die an einerMittelschule sind oder sie bereits abgeschlossen haben. Häufig haben diese jungen Männer aucheine leitende Funktion in der Jugendgruppe und bringen bereits viele Sozialkompetenzen durchdiese Erfahrung mit.Interessant sind Einwände und Fragen von ländlichen Jugendlichen zu werten, die vor allem inhandwerklichen Berufen tätig sind. Rasch kommt bei ihnen der Einwand der Akademisierung undsomit eine Distanzierung zu diesem Berufsweg, wenngleich aufgezeigt werden kann, welcheMöglichkeiten gerade mit diesem erstberuflichen Hintergrund für den Bereich der Sozialen Arbeitoder die Lehrberufe bestehen. Hier bestände Potenzial oder auch die Möglichkeit, wie mitInstitutionen (z.B. Höheren Fachschulen) zusammen gearbeitet werden könnte.Die Reaktionen im weiteren Umfeld sind unterschiedlich ausgefallen. Das Projekt ist auch hier aufviel Wohlwollen und Unterstützung gestossen oder hat positive Reaktionen in Bezug auf dieProdukte ausgelöst. Es spiegelte sich aber auch hier wider, dass der Bedarf nach mehr Männern inder Sozialen Arbeit kontrovers diskutiert wird, und einige keinen unmittelbaren Bedarf danachsehen.2 Auswirkungen und Änderungen2.1 Projektziele und ZielpublikumDie unterschiedlich konzipierten Angebote nahmen Themen, die sowohl in der Zivildiensttätigkeitals auch Freiwilligenarbeit zentral und in der Sozialen Arbeit und den Lehrberufen von Bedeutungsind, auf. Ebenso wurden die biografischen Themen, wie sie in der Konzeption aufgenommenwurden, wirksam. Mit allen Angeboten konnten in Zivildienst oder Freiwilligenarbeit stehende sozialtätige junge Männer angesprochen und involviert werden. Je nach Konzeption des Angeboteskonnten von nur wenigen bis einer Vielzahl von Jugendlichen angeregt werden, sich mit einerTätigkeit in der Sozialen Arbeit oder einem Lehrberuf auseinanderzusetzen. In manchenAngeboten ist es sehr gut gelungen, die Fragen von interessierten jungen Männern zu beantwortenoder sie auf Aspekte aufmerksam zu machen, die neu und aufklärend für sie waren. Man darfbehaupten, dass die Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Projektideen gute Ansätze zeigen, dieverfeinert werden können.Team ZivildienstInsgesamt wurden mit etwas über 20 Zivildienstleistenden teilweise sehr intensive und auchpersönliche Gespräche geführt. Ebenfalls konnten Prospekte mit Informationen verteilt werden.Einige der Zivildienstleistenden zeigten grosses Interesse an Fragen der beruflichen Laufbahn undGender und hatten teilweise auch ganz konkrete Fragen zu den vorgestellten Studiengängen.Die Slamtexte hätten eine Aussenorientierung der Projektmitglieder ermöglicht, welche als weitererTüröffner für Kommunikation unter den Männern gedient hätte.Die Tätigkeiten des Projektteams Zivildienst führten im Rahmen der Projektziele dazu, dass einzielgruppenspezifisches Angebot zum Thema „Männer in frauendominierten Berufen“ entwickeltwurde. Dieses Angebot sollte Zivildienstleistende für das Studium der Sozialen Arbeit/desLehrberufs sensibilisieren.Broschüren und Flyer ermöglichten, dass Projektinhalte mitgenommen wurden. Dies bewirkt, dass
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch15Inhalte klar auf den Punkt gebracht wurden, was manchen Männern entgegen kommt.Das Ausmass an Berücksichtigung männlicher Lebenslagen galt dabei als Kriterium für dieEntwicklung des Angebots.Wurst, Brot und Bier an einer Grillstelle anzubieten erschien als niederschwellig, da das Ambientefür Männer eher zu ungezwungenen Gesprächen einladen würde. Das Angebot sollte dieZivildienstleistenden auf einer Beziehungsebene ansprechen, die eine Einladung macht undInteresse signalisiert.Angebotsteam Freiwillige LuzernDie erste Gruppe bestand aus sechs Schülern der sechsten Klasse der Kantonsschule Willisau, diesich in verschiedenen Freiwilligenorganisationen engagieren. Die zweite Gruppe bildeten vierJungwächter der Jungwacht Blauring Grächen.Mit dem Teilprojekt GAME XY wurden neue Instrumente und Wege ausgelotet, um mit sozialtätigen jungen Männern in Kontakt zu kommen und um sie für die Studienmöglichkeit SozialeArbeit zu sensibilisieren. Das Angebotsteam wählte einen Weg, um durch den persönlichenKontakt eine starke Verbindlichkeit herzustellen. Der zeitliche Aufwand hielt sich gemessen anAufwand und Ertrag im Bereich des Möglichen.Es ist dem Angebotsteam gelungen, zentrale Themen der Sozialen Arbeit adressatengerechtaufzugreifen, um die Teilnehmer daraus eigene Anhaltspunkte für die eigene Berufsperspektiveentwickeln zu lassen. Einige Teilnehmer können sich durchaus vorstellen, Soziale Arbeit zustudieren oder ein Studium in eine soziale Richtung zu wählen.Die Entwicklung eines Angebots für sozial tätige junge Männer unter Berücksichtigung zentralerThemen von ehrenamtlich tätigen jungen Männern wurde mit dem Produkt spielerisch umgesetzt.Aus den Inhalten von GAME XY konnten die Teilnehmer wichtige Anhaltspunkte für die eigeneBerufsperspektive ableiten. Zudem wurden die im Alltag eher männlich konnotierten FähigkeitenWissen, Analyse, Durchsetzungsvermögen, Kommunikation, Management sowie Verantwortungerlebbar und begreifbar.Dem Genderaspekt wurde auf der Grundlage der Theorie des „Doing-Gender“ Rechnung getragen,indem das Angebotsteam ausschliesslich aus Männern und Experten bestand, die sich mit ihreneigenen Männerbildern auseinandersetzten und mit den Teilnehmern arbeiteten. Dabei wurden diezur Sozialen Arbeit nötigen Fähigkeiten nicht explizit als typisch „männliche“ Fähigkeitenkonnotiert, da nach Aussagen des Genderexperten Typologien oder Stereotype verfänglich seinkönnen und aus aktueller Sicht nicht mehr adäquat sind.Angebotsteam Freiwillige ZugAm Lieder- und Kulturfest kamen die Studenten mit vielen jungen Männern, die sich in derFreiwilligenarbeit engagieren, in Kontakt. Es zeigte sich als Vorteil, dass die Interessentenausreichend Zeit hatten, sich auf das Angebot und die Gespräche einzulassen. Die Lage desStandes, in unmittelbarer Nähe des Spielareals, Gratiskaffee, Sitzgelegenheit, die ansprechendenFotos führten dazu, dass am Ende der Veranstaltung über 50 ausgefüllte Eignungstest vorlagen.Ebenfalls gut besucht waren die Veranstaltungen an den Schulen, wobei hier teilweise wenigerausführliche Gespräche geführt wurden, da die Informationsveranstaltungen über Mittagstattfanden und die Schüler sich zu verpflegen hatten. Es zeigte sich, dass die jungen Männerteilweise gezielt angesprochen werden mussten. Das Bewusstsein für die Berufsidentität der PHZZug-Studenten scheint durch die Projektmitarbeit deutlich gestiegen. Ihnen ist bewusst, dass sie zueiner Minderheit gehören. Sie sind überzeugt, dass Lehrer ein spannender Beruf ist, den sieüberlegt ergriffen haben und bei dem sie ihre Kompetenzen einbringen können. DiesesSelbstbewusstsein war bei den Auftritten immer deutlich spürbar.
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch16Die im Fragebogen aufgeworfenen Fragen versetzten die Teilnehmer in eine möglicheBerufsperspektive und regten an, sich Fähigkeiten bewusst zu machen, die sowohl für dieFreiwilligenarbeit als auch den Lehrberuf wichtig sind. Genderaspekte wurden in denFragestellungen sehr bewusst eingebaut. Die Anzahl ausgefüllter Fragebogen und die Besuche aufder Homepage zeigten, dass das Interesse in hohem Masse geweckt und mit dem elektronischenTool und der Website ein guter Zugang geschaffen werden konnte.Mit der Plakataktion wurde die Vielfalt der Hintergründe und Neigungen von männlichenStudierenden sichtbar und durch die Akzentuierung auf musische und sportliche Interessen wurdenIdentifikationsmöglichkeiten für viele männliche Jugendliche, die im Berufsfindungsprozess und derFreiwilligenarbeit tätig sind, geschaffen. In Gesprächen zeigte sich, dass viele der jungen Männerneugierig wurden und die Studenten auf die Gründe für ihre Berufswahl ansprachen. Die Posterboten viel stärker noch als die Give-aways einen Gesprächsanlass.Angebotsteam Freiwillige St.GallenDie kontaktierten Jugendlichen wurden unmittelbar von Studenten der Sozialen Arbeitangesprochen und eingeladen, in ausgewählten Organisationen der Sozialen Arbeit in Begleitungvon männlichen Professionellen/Studenten Einblick zu nehmen und/oder einen Tag in Begleitungmit männlichen Studierenden an ausgewählten Seminaren der Fachhochschule teilzunehmen.Durch diese konkreten Erfahrungen wurde die Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischenberuflichen Anforderungen initiiert, welche durch die stete Begleitung durch Männer, welche bereitsim Berufsfeld der Sozialen Arbeit stehen, angeregt werden soll.Die Informationen an die Jugendlichen wurden von vielen mit Interesse aufgenommen. DieMehrzahl der Jugendlichen aber steckte in der Phase der Berufsausbildung. Ein unmittelbarerNeuentscheid schien aktuell bei den meisten nicht anzustehen. Einige haben zurückgemeldet,dass sie nicht über den formalen Zugang verfügen und deshalb zurzeit einen solchen Wegausschliessen.In der Begründung für ein Studium der Sozialen Arbeit wurden aus Sicht des Angebotsteams u.a.folgende Argumente für die Berufswahl auf dem Flyer aufgenommen: breite Möglichkeiten undPerspektiven, Funktion in der Gesellschaft, Vereinbarkeit von Familie und Beruf).2.2 GesamtzieleAls Massnahmen zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau gelten gemässFachhochschulverordnung u.a. Massnahmen, die zur Erhöhung des Anteils des jeweilsuntervertretenen Geschlechts auf der Ebene der Studierenden, des wissenschaftlichenNachwuchses, der Dozentinnen und Dozenten sowie des Personals führen. DiesesKooperationsprojekt zielt auf die Studierenden und soll einen konkreten Beitrag dazu leisten, dasGeschlechterverhältnis in „frauendominierten“ Studiengängen (Soziale Arbeit, Lehrberufe) zuverbessern. Es versucht damit einem Trend entgegenzuwirken, der sich in den letzten Jahrendeutlich zugespitzt hat: dass sich immer weniger Männer für diese Studienbereiche undPraxisfelder gewinnen lassen.Ziel: Etablierung einer Zusammenarbeit in Genderfragen und zu Fragen der Gewinnung eineshöheren männlichen Studierendenanteils zwischen verschiedenen Fachhochschulen undPädagogischen Hochschulen.Die Erreichung des Gesamtziels muss zunächst vor dem Hintergrund der Projektgeschichtegesehen werden. Die Projektpartner fanden sich zunächst für ein Kooperationsprojekt zum Thema„Zugangswege von sozial engagierten jungen Männern zu frauendominierten Studiengängen(Soziale Arbeit/Lehramt)“ zusammen. Die Skizze war eher als Grundlagenforschung ausgerichtet
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch17und fokussierte die Frage: „Stellt die grosse Gruppe der sozial engagierten jungen Männer einbisher ungenutztes Potential für ‚frauendominierte‘ Studiengänge dar und wenn ja, wie lässt sichdieses erschliessen?“ Entsprechende Ziele waren u.a. die Analyse der Tätigkeitsfelder und desUmfangs von sozial engagierten jungen Männern in der Deutschschweiz und die Erhebung derZugangswege von sozial engagierten jungen Männern und ihrer Motivation für ein Studium SozialeArbeit/Lehramt vor dem Hintergrund ihrer Erfahrung in ehrenamtlichen (Leitungs-)funktionen/Zivildienst/freiwilligen Engagements.Aufgrund der Rückmeldung zur Projektskizze wurde der Charakter des Kooperationsprojektes voneinem eher forschungsorientierten Vorgehen zu Gunsten eines sensibilisierenden Vorgehensgeändert. Dieses Vorgehen brachte einerseits eine unmittelbare Konzentration auf neue Wege zurSensibilisierung sozial tätiger junger Männer für das Studium der Sozialen Arbeit und derLehrberufe. Andererseits wurde aber auch im Projektverlauf deutlich, dass viele Zeitressourcen füreine Verständigung zu inhaltlichen Setzungen notwendig waren und auch z.T. empirische „Lücken“in Grundsatzfragen toleriert werden mussten (wie z.B. den Zugangswegen oder die Notwendigkeiteines quantitativen Zuwachses mit qualitativen Kriterien von Männlichkeit zu verbinden).Erfahrungsgemäss ist die Entwicklung einer Zusammenarbeitskultur zwischen denKooperationspartnern über ein zunächst forschungsorientiertes Vorgehen sicher einfacher, zumalsich die institutionelle Stellung der beteiligten Dozierenden sowie das Selbstverständnis derbeteiligten Organisationen (trotz gleicher Fachrichtungen und Bologna Prozess) doch sehrunterschiedlich darstellten. Dennoch gelang es durch ein hohes Engagement aller am ProjektBeteiligten, ein genderfokussierendes Kooperationsprojekt zur Erhöhung des männlichenStudierendenanteils zwischen den drei beteiligten Fachhochschulen und zwei PädagogischenHochschulen erfolgreich umzusetzen.Im Kooperationsprojekt bestand die grundsätzliche Innovation im Beschreiten neuer methodischerWege, indem Studenten in die Entwicklung und Durchführung des Angebots als Akteure mitbiografischen Erfahrungen unmittelbar mit einbezogen wurden. Die damit verbundene Annahme,dass Studenten aufgrund ihres Alters den Bedürfnissen und Denkweisen der Zielgruppen nähersind, wurde durch die entwickelten zielgruppenspezifischen wie niedrigschwelligen Angebote fürsozial tätige junge Männer tatsächlich bestätigt (siehe 1.1 & 2.1). Über diese entwickeltenAngebote gelang es auch, mit den Zivildienstleistenden und in der Freiwilligenarbeit tätigen jungenMännern neue Zielgruppen für ein Studium der Sozialen Arbeit und des Lehrberufs direktanzusprechen. Insofern kann daraus die wichtige Erkenntnis abgleitet werden, dass eineProjektarbeit mit Gestaltungsspielraum und Effekten des Peer Learning für einen geschlechts-sensiblen Zugang vielversprechend ist (siehe 5.1).Inwieweit die durchgeführten Angebote für die Zielgruppe der sozial tätigen jungen Männertatsächlich für eine Perspektive in „frauendominierten“ Berufen sensibilisieren und sich damit derAnteil der männlichen Studierenden in den beteiligen Fachbereichen erhöht, kann zum jetzigenZeitpunkt noch nicht beantwortet werden und ist von den Rückwirkungen auf die Verantwortlichen(siehe 2.6), der Nachhaltigkeit in den Fachbereichen (siehe 2.3) und dem Transfer über dieFachbereiche hinweg (siehe 2.5) abhängig. Als ein Referenzindikator kann der Anteil von Männernunter den Neustudierenden herangezogen werden. Hier sind allerdings mögliche Effekte desProjekts frühestens bei den Anmeldungen für das Herbstsemester 2012 erfassbar.Ziel: Aufbau einer Genderexpertise bei Studenten der Sozialen Arbeit und der Lehrberufe(möglichst mit biografischen Erfahrungen in der Freiwilligenarbeit/dem Zivildienst) durchunmittelbaren Einbezug in die Konzipierung und Umsetzung eines Angebots für sozial tätige jungeMänner in Zivildienst und ehrenamtlichen Organisationen.Das Projekt lässt aufgrund der kleinen und eher punktuell erreichten Zielgruppe von sozial tätigenjungen Männern nicht eindeutige Erkenntnisse zum Selbstverständnis der jungen Männer in Bezugauf ihre Rolle und auf ihre berufliche Orientierung zu.Wie die beteiligten Studenten betonen, wurde diese Thematik allerdings über die Biografiearbeitsowie der im hohen Masse selbstverantwortlichen Angebotsgestaltung explizit erreicht. Dies wird
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch18u.a. in den vielseitig geschlechtsbezogenen Angeboten deutlich (siehe 1.2). Überhaupt sind dieüber das Projekt bewirkten Veränderungen nach eigenen Aussagen bei den im Projekteingebundenen Studenten am grössten. So wurde das Selbstverständnis der Studenten imHinblick auf geschlechtsspezifische Aspekte gestärkt und sie haben eine Rolle als Multiplikatorenentwickelt. Das Selbstbewusstsein der Studenten hat sich positiv verstärkt. Mit Freude undEngagement stellten sie sich als angehende Lehrer bzw. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen dar, dieüberzeugt von ihrer Berufswahl sind. In dem Sinn ist in ihrem Selbstbewusstsein als Lehrer bzw.Sozialarbeiter/Sozialpädagoge ein deutlicher Zuwachs zu entnehmen. So konnten z.B. beteiligteStudenten mit den Postern und den Gesprächen mit sozial tätigen jungen Männern zeigen, dassman als Lehrer entgegen gängigen Vorurteilen nicht langweilig oder spiessig ist bzw. wird.Vielmehr wurde Anstoss gegeben, dass Lehrer ein Beruf ist, den man mit Stolz und Freudeausführt.2.3 NachhaltigkeitSeitens der beteiligten Hochschulen erscheint es leider aufgrund von Einschränkungen in derfinanziellen Ausstattung (Sparmassnahmen/Fusionen) sowie der Studienplanung (die meistenbeteiligten Studenten stehen entweder vor Praktika oder vor dem Studienabschluss) nicht möglich,das Projekt in der ursprünglichen Form weiterzuführen. Allerdings gibt es zur Zeit Aktivitäten mitunterschiedlichem Konkretisierungsgrad, durch die entwickelten Angebote oder Teile der Angebotedie beteiligten Dozierenden über die Projektlaufzeit hinaus in den Fachbereichen weiter zu führen.An der Berner Fachhochschule wird durch Dozierende über Alternativen beratschlagt, wie dieangedachten Ideen in den kommenden Wochen weiter verfolgt werden können.Im Fachbereich Soziale Arbeit der HSLU wird darüber nachgedacht, GAME XY in dieInfoveranstaltungen der Hochschule zu integrieren oder auch Freiwilligenorganisationen oderSchulen zur Verfügung zu stellen, die sich mit „Doing-Gender“ und Berufswahl befassen. Ebensogeht das Angebotsteam davon aus, dass das GAME XY eine Grundlage zur Überführung in einneues Lehrangebot an den Fachhochschulen bietet, zumal das Spiel auch mit Studierenden derSozialen Arbeit angewendet werden kann und niederschwellig Einblick in die Materie gibt.Im Fachbereich Soziale Arbeit der FHS St.Gallen besteht die Absicht (sofern die Evaluation einpositives Resultat zeigt), das entwickelte Angebot, in welchem freiwillig tätige junge Männerkontaktiert und für Schnuppertage in sozialen Institutionen oder an der Fachhochschule motiviertwerden, im Hochschulablauf zu verankern und zu institutionalisieren. Mittels eines Studierenden-projektes und dem direkten Einbezug von Studenten soll die Frage erarbeitet werden, wie dieVerankerung des Projektresultates gelingen kann.Die Ergebnisse des Kooperationsprojektes werden auch auf der Homepage veröffentlicht undanderen Nutzern und Nutzerinnen zugänglich gemacht (siehe 2.7). So entstand im Kontext mitanderen Genderprojekten am Fachbereich Soziale Arbeit der FHS St.Gallen eine Homepage(www.fhsg.ch/nextstep-sozialearbeit). Die Homepage an der PHZ Zug (www.werde-lehrer.ch) wirdin aktualisierter Form online bleiben und u.a. weiterhin den Eignungstext anbieten.Die PHZ Zug hat Interesse bekundet, nach weiteren Abklärungen die Homepage weiter zu hostenund zu finanzieren. Darüber hinaus finden mit der PHZ Luzern derzeit Gespräche statt, ob und wiedie Aktion in ihrer Region und mit dem besonderen Blick auf die Zielstufe Sekundarstufe 1durchgeführt werden könnte. Schliesslich soll die Zusammenarbeit mit dem Netzwerk SchulischeBubenarbeit gestärkt und weitergeführt werden. Hier sind gemeinsame Tagungen, Informations-veranstaltungen und gemeinsame Werbeunterlagen denkbar.So werden insgesamt auf sehr vielfältige Weise zentrale Innovationen aus dem Kooperations-projekt innerhalb der Fachbereiche (Lehre und Kommunikation) übernommen und stärkennachhaltig die Auseinandersetzung um eine Erhöhung des Anteils des jeweils untervertretenenGeschlechts auf der Ebene der Studierenden.
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch19Über die Fachbereiche/Hochschulen hinaus konnten aktuell noch keine Kooperationspartnergewonnen werden, die über eine ideelle Unterstützung hinaus auch finanzielle Zusagen machen.So ist zurzeit auch noch die Weiterführung der überarbeiteten Angebote durch Kooperations-verträge mit dem Bundesamt für Zivildienst und Organisationen der Freiwilligenarbeit offen. Hiersind jedoch positive Effekte über die konzeptionellen Entwicklungen bezüglich Lehre undKommunikation zu erwarten (siehe 2.5). Auch ist nach Abschluss des Kooperationsprojektes einTreffen interessierter Projektpartner geplant, um auf der Grundlage der gewonnenenProjektergebnisse z.B. über die Entwicklung eines kooperativen Forschungsantrags zurGewinnung von fundierten Kenntnissen über die Zugangs(um)wege von sozial tätigen jungenMännern in soziale und pädagogische Berufe zu entscheiden.2.4 EvaluationSiehe separater Evaluationsbericht.2.5 TransferDer Transfer von Ergebnissen aus dem Kooperationsprojekt lässt sich auf drei Ebenenbeschreiben:a) externer Transfer auf nicht beteiligte Schweizer Fachhochschulen und PädagogischeHochschulenb) kooperativer Transfer zwischen den beteiligten Projektpartner sowiec) Binnentransfer innerhalb der beteiligten Fachbereiche/Hochschulen (siehe 2.6)Trotz differenzierender Quantität und Qualität konnte insgesamt innerhalb dieser Transferebenenein wichtiges Gleichstellungsanliegen gebündelt und nachhaltig vorangetrieben werden.a) Externer Transfer auf nicht beteiligte Schweizer Fachhochschulen und PädagogischeHochschulenIm vorliegenden Kooperationsprojekt sind für den Transfer von Projektergebnissen nach „Aussen“mit dem „Kommunikationskonzept“, dem „Lehrmodul“, der „nationalen Fachtagung“ sowie der„Veröffentlichung“ unterschiedlicher Ansätze konzeptionell angelegt. Über diese vier Ansätze sollsichergestellt werden, dass nicht am Projekt beteiligte Schweizer Fachhochschulen mit SozialerArbeit und Pädagogische Hochschulen über die neuen Wege (Angebote) und die entwickeltenKonzepte (Kommunikationskonzept und Lehrmodul) unmittelbar profitieren können, um selbst zurerweiterten Sensibilisierung sozial tätiger junger Männer für das Studium Soziale Arbeit und derLehrberufe beitragen zu können. An dieser Stelle soll auf die ersten beiden Möglichkeiten(Kommunikationskonzept und Lehrmodul) eingegangen werden. Die beiden letzteren (Fachtagungund Veröffentlichung) sind Gegenstand des Kapitels Öffentlichkeitsarbeit (siehe 2.7).So unterschiedlich die entwickelten Angebote zur Sensibilisierung sozial tätiger junger Männer imZivildienst und der Freiwilligenarbeit auch sein mögen, so konnten doch übergreifende Kriterien fürdie neue Qualität dieser Zugänge gewonnen werden, die in einer ersten Annäherung inkonzeptionelle Ansätze Lehrmodul und Kommunikation mündeten.
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch20Entwicklungsergebnisse für das Hochschulgeschehen - Transfer in die LehreUm die positiven Projekterfahrungen auch auf andere fachliche Kontexte im Hochschulbereichübertragen zu können, wurde mit dem „Projektdesign zur Erhöhung der Genderkompetenz vonStudenten“ ein konzeptioneller Ansatz für ein Lehrmodul entwickelt.„Projektdesign zur Erhöhung der Genderkompetenz von Studenten“Reflexion der ProjekterfahrungenDie didaktischen Erkenntnisse und somit die Entwicklungsergebnisse für das Hochschulgeschehensind nur dann nachvollziehbar, wenn sie im Kontext der Rahmenbedingungen und der Form derZusammenarbeit zwischen den Angebotsteams und den Dozierenden gelesen werden:▪ Die Zusammenarbeit zwischen den Studenten und Dozierenden fand in Kleingruppen statt. Esarbeiteten 3-5 Studierende mit einer Dozentin oder einem Dozenten zusammen.Übergeordnet fanden Treffen zwischen den Kleingruppen und den jeweiligen Dozenten statt.▪ Die übergeordneten Treffen dienten der Schulung und dem Aufbau der Genderkompetenz:Über eine angeleitete Biografiearbeit sowie mit der Vermittlung von Grundlagenwissen wurdedie bereits vorhandene Genderkompetenz der Studenten erweitert.▪ Diese Genderkompetenz nutzten die Studenten, um ein Angebot für die sozial tätigen jungenMänner zu entwickeln. Der biografische Zugang ermöglichte ihnen die Entwicklung einesadressatengerechten Angebots, da sie ein Produkt für eine Zielgruppe fertigten, der sie selbsteinmal angehörten oder noch immer angehören.▪ Die Studenten übernahmen in der Feldphase die Verantwortung als Lehrende und Experten,in dem sie den sozial tätigen jungen Männern begegneten und mit ihnen in Kontakt traten.Dabei nutzten sie das erarbeitete Wissen und die gewonnene (Selbst-)sicherheit, um wichtigeInhalte zu vermitteln.KonzeptbeschreibungIn der Retrospektive lassen sich aus der Reflexion und den Rahmenbedingungen fünf spezifischeElemente identifizieren, welche für die Entwicklungsergebnisse für das Hochschulwesenfestzuhalten sind:▪Aufbau der Genderkompetenz mit einer geschlechtshomogenen Gruppe: Die Zusammenarbeiterfolgt nur mit Studenten, da an die biografischen Erfahrungen der Männer angeknüpft wird,um der Zielgruppe möglichst nahe zu kommen.▪Biografischer Zugang zum Aufbau der Genderkompetenz: Durch eine gezielte und angeleiteteArbeit über einen thematischen Schwerpunkt (Zivildienst/Freiwilligenarbeit), werden dieStudenten unter Einbeziehung ihrer Lebensgeschichte an das Thema Gender herangeführt.Das Ziel besteht darin, nicht nur im individuellen biografischen Lernen zu verharren, sonderndieses Wissen mit der Angebotsentwicklung zu verknüpfen. Der biografische Ansatz dientsomit der Bewusstmachung von gewissen Denk- und Handlungsmustern und ist Grundlagedafür, ein adressatengerechtes Angebot zu entwickeln.▪Projektbezogene Arbeit („Ein Produkt entsteht“): Die Studenten entwickeln ein konkretesAngebot, welches sich in der Praxis zu bewähren hat. Damit weicht diese Form von derklassischen Gruppenarbeit während des Studiums insofern ab, als dass dieses Produkt vomZielpublikum beurteilt wird.▪Begleitetes Peer Learning: Peer Learning bedeutet in diesem Projekt, dass Studenten einRahmen gegeben wird, in dem der aktive Umgang mit Wissen im Vordergrund stand. DieStudenten werden damit zu Lehrenden und Experten. Dieses Lernen und Lehren grenzt sichvom Learning Tutoring ab, indem es sich um ein Wissen handelt, dass den Zuhörenden
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch21teilweise nicht (oder noch nicht) zugänglich ist. Dazu braucht es nebst dem Faktenwisseneben auch den biografischen Zugang sowie die „Erfahrung des gleichen Geschlechts“▪Neue Form der Zusammenarbeit zwischen Studenten – Dozierenden/KooperativesRollenverständnis: Die klassische Beziehung zwischen den Studenten und den Dozierendenwurde vorübergehend neu gestaltet. Die Beziehung wurde entlastet, indem das hierarchischeGefälle eine eher untergeordnete Rolle spielte. Das gemeinsame Projektinteresse strukturiertedie kooperative Zusammenarbeit.Erste KonzeptumsetzungFolgendes Beispiel aus Luzern zeigt exemplarisch auf, wie eine Verknüpfung des bestehendenCurriculum mit den Erkenntnissen aus dem BBT-Projekt geleistet werden kann:Biografieorientierte Arbeit zur Vertiefung von Genderkompetenz an der Hochschule Luzern fürSoziale ArbeitDas Studium an der HSLU SA erfordert von den Studierenden, sich aktiv, eigenständig, ziel- undanwendungsorientiert Kompetenzen aufzubauen. Für den Erwerb der umfangreichen „LearningOutcomes“ in den vier Kompetenzbereichen (Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenzen)sind verschiedene unterstützende Lerninstrumente während des Studiums einzusetzen, die einaktives Lernen ermöglichen. Das Modul 01 „Lernprozesse und Wissensintegration“ findet alsPflichtmodul zu Beginn des Studiums für alle Studierenden der HSLU SA statt und thematisiert dieLernprozesse der Studierenden in den verschiedenen Phasen. Mit Start des Studiums nimmt derbiografische Zugang Bezug auf die subjektiven Lern- und Bildungserfahrungen der Studierenden.Er soll durch Reflexion und Verknüpfen von Wissensbeständen die Selbststeuerung des eigenenLernprozesses im Studium stärken und die Reflexion des individuellen Bildungsprozesses fördern.Die Auseinandersetzung (u.a. durch Erzählen und Schreiben) mit der eigenen Bildungsgeschichteund das Erinnern und Neuinterpretieren vergangener Erfahrungen stärken die Verantwortung undbieten Orientierung für eigene Lernprozesse. Mit Hilfe einer darauf aufbauenden Portfolioarbeit undder Methode der Intervision wird ein eigenverantwortlicher Umgang mit den zu erwartendenAnforderungen des ganzen Studiums angestrebt. Die Portfolioarbeit ist das Instrument zurSteuerung und Dokumentierung der individuellen Kompetenzentwicklung und Wissensintegrationwährend des Studiums. Die Intervision strebt einen gezielten und kontinuierlichen Theorie-Praxistransfer an. Im Hauptstudium wird die Wissensintegration in dafür vorgesehen Lernsettingsweiter gefördert.Bisher wurde der Einfluss von Geschlecht auf Bildung, Lernen sowie Berufs- und Studiumswahlzwar im Rahmen der Biografiearbeit thematisiert, aber eher am Rande und weniger systematischbzw. durchgängig berücksichtigt. Erste Erkenntnisse des vorliegenden Kooperationsprojektsflossen bereits beginnend mit dem Studienjahr 2011/2012 in das didaktische Konzept diesesModuls ein. In einer Klasse von Teilzeit/berufsbegleitenden Studierenden wurde am 22.09.2011eine Pilotstudie gestartet, welche die Möglichkeiten einer Genderexpertise für die eigeneBildungsbiografie aus dem Blickwinkel von z.B. geschlechtsspezifischer Studienwahl, beruflichemWandlungsprozess, Chancengleichheit etc. auslotet. Die individuellen geschlechtsorientiertenSelbstwahrnehmungen und Analysen werden mit den Fremdwahrnehmungen und Analysen derKommilitoninnen und Kommilitonen verknüpft, reflektiert und anhand von dazu vorbereitetenFormularen verschriftlicht und in die individuellen Portfolios integriert. Im Verlauf des Studiumswerden auch die Genderaspekte in zwei Standortgesprächen (jeweils nach Grund- undHauptstudium) berücksichtigt und reflektiert. Auf Basis der ersten Erfahrungen der Pilotstudie wirdim Frühling 2012 die Entscheidung gefällt, ob die neuen genderorientierten Inhalte und Methodendieses Kurses zukünftig ab dem Studienjahr 2012/2013 für alle Klassen sinnvoll sind.FazitZusammenfassend und rückblickend lässt sich festhalten, dass die fünf skizzierten Elemente ein
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch22grosses didaktisches und inhaltliches Potential aufweisen:Aufbau der Genderkompetenz mit einergeschlechtshomogenen Gruppe(„Studenten sind unter sich“)Biographischer Zugang zum Aufbauder Genderkompetenz(„Studenten lernen anhand dereigenen Geschichte“)Projektarbeit(„Ein Produkt entsteht“)Peer Learning(„Studenten lehren“)Kooperatives Rollenverständnis(„Studenten und Dozierendekooperieren gleichberechtigt“)Abbildung 1: Didaktische Elemente für ein Projekt zur Erhöhung der GenderkompetenzTeilweise handelt es sich um bekannte und klassische didaktische Methoden, das Potenzial ergibtsich aber insbesondere durch die Verknüpfung und die Kombination der Elemente. So sind dieentwickelten Produkte im Kontext der eigenen Geschichte der Studenten zu verstehen. DerZugang zur eigenen Geschichte und der damit verbundene Aufbau der Genderkompetenzenerfolgen in einer geschlechtshomogenen Gruppe. Dies ist hinsichtlich der anschliessendenProduktentwicklung bedeutsam. Das kooperative Rollenverständnis zwischen den Dozierendenund den Studenten wirkt sich darauf aus, wie die Studenten ihr Expertenwissen beurteilen und anandere junge Männer weitergehen. Nach der erfolgreichen Umsetzung sowohl im Projekt wie auchin einem Curriculum, empfiehlt es sich, weitere Erfahrungen mit der Kombination und Variation derElemente zu sammeln.
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch23Entwicklungsergebnisse für das Hochschulgeschehen - KommunikationUm die positiven Projekterfahrungen auch auf andere fachliche Kontexte im Hochschulbereichübertragen zu können, wurde mit dem „Studenten werben Neustudierende“ sowie der Vereinsidee„Studenten entwickeln Perspektiven“ (SteP) zwei konzeptionelle Ansätze zur Kommunikationentwickelt.„Studenten werben Neustudierende“Reflexion der ProjekterfahrungenDie Gruppe der Studenten der PHZ Zug war sehr heterogen, was verdeutlichte, dass es „den PHZZug-Studenten“ nicht gibt. Die Studenten des Angebotsteams kamen auf verschiedenen Wegenzum Studium an der PHZ Zug: über eine abgeschlossene Berufslehre mit Berufserfahrung unddem Vorkurs der PHZ Zug, über die gymnasiale Matura oder über die Fachmatura. IhreVorerfahrungen prägen das eigene Bild von Berufswelt und Anforderungen unterschiedlich. EinStudent aus dem Angebotsteam hat bereits an einer Universität studiert und wissenschaftlichenFragen gegenüber eine hohe Sensibilität. Andere Studenten sind durch ihre Erfahrungen alsBerufsleute geprägt. Alle diese Erfahrungen prägen das Image des künftigen Lehrersunterschiedlich. Darum ist zu begrüssen, dass verschiedene Studenten in dem Angebotsteamgemeinsam überlegen, welches Rollenverständnis des Lehrers für sie aus der Genderperspektivebesteht. Dies verlangt von allen ein hohes Mass an Empathie und Toleranz sowie genügend Zeit.Der Rektoratsfonds der PHZ Zug hat das Projekt grosszügig unterstützt. Das war nicht nur einegrosse Hilfe, sondern eine Notwendigkeit. Trotz der Unterstützung konnte zum Beispiel dieprofessionelle Gestaltung der Homepage nicht umgesetzt werden. Im Nachhinein betrachtet, istdies im Medienzeitalter ein eher ungünstiger Faktor. Ein Nachtragskredit soll dies nun möglichmachen. Ohne angemessenen finanziellen Rahmen lässt sich ein solches Projekt, wie es die PHZZug durchgeführt hat, nicht öffentlichkeitswirksam umsetzen.Die Wirkung der Standaktionen beim Kultur- und Liederfest für Jungwacht Blauring-LeiterInnen undan drei Schulen aus dem Sekundarschul II Bereich im Kanton Zug könnte wie folgt beschriebenwerden: Die Schüler und Jugendleiter waren an der Aktion sehr interessiert. Es gab viele gute,auch klärende Gespräche zwischen den Studenten und den Interessierten. Das Medienecho wargross. Die Männer aus dem Angebotsteam und die Studenten, die uns an die Schulen zu denStandaktionen begleitet haben, sind sich ihrer Rolle als Männer in einem Frauenberuf bewusstgeworden und haben untereinander, aber auch mit der Projektleitung, der Rektorin der PHZ Zug,dem Ausbildungsleiter der PHZ Zug und einzelnen Dozierenden gute Gespräche geführt. Von einerNachhaltigkeit des Projektes ist auszugehen.KonzeptbeschreibungAbstimmung Ziele und ZielgruppeDas Ziel, die Genderkompetenz der Studenten zu erhöhen, sollte mit der Strategie derHochschulleitung übereinstimmen. Intensive Gespräche zur Klärung der Übereinstimmung vonZielen und Strategie gehören darum zwingend (ggf. auch mittels schriftlicher Abmachungen) zumProjektstart. Der regelmässige Austausch zwischen Projekt- und Hochschulverantwortlichen sichertein breit abgestütztes Resultat.Eine Zielgruppe klar zu definieren, ist für eine gelingende Projektumsetzung notwendig. Diesbeinhaltet auch bewusst Zielgruppen wegzulassen, obwohl sie eigentlich interessant sind.Gewinnung Studierender mit Zielgruppenbezug für die ProjektarbeitFlyer alleine genügen nicht, um Studenten über ein bevorstehendes Projekt zu informieren. Es
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch24braucht darüber hinaus eine offene Einladung und eine Informationsveranstaltung, an der dieInformationen aus dem Flyer konkretisiert werden. In dem Angebotsteam müssen zwingendStudenten mit Zielgruppenbezug sein, daneben sind auch andere willkommen. So können diebeteiligten Studenten die Projektziele eher reflexiv handelnd umsetzen. In dieser Hinsicht gilt esu.a. Antworten auf ihr Rollenverständnis als (zukünftige) Lehrer bzw. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen zu finden, indem sie sich über ihre eigene Rolle als Mann in einem von Frauendominierten Beruf Gedanken machen.Der Arbeitsaufwand muss transparent kommuniziert werden. Studenten sollen sich mitEngagement für die Sache einsetzen. Die finanzielle Entschädigung sollte lediglich die sekundäreBegründung für die Mitarbeit im Projekt sein.Den Schritt zur Gewinnung von Studierenden zur Projektmitarbeit früh zu machen, hilft im Hinblickauf eine verantwortungsvolle Zusammenarbeit mit den Studierenden, ohne ihren Ideenreichtumund bestehende Rahmenbedingungen aus dem Blick zu verlieren.Adäquater Umgang mit den FinanzenZu Beginn des Projekts sollten die finanziellen Rahmenbedingungen geklärt sein. Hilfreich ist dieZusammenarbeit mit der Abteilung für Buchhaltung an der Institution, die Lohnzahlungen etc.überwacht und richtig veranlasst. Studierende anzuleiten, verantwortungsvoll mit Finanzenumzugehen, wäre sinnvoll. Dieser Anleitung muss aber Beachtung geschenkt werden.Wenn die Finanzen für ein Projekt grosszügig sind, erweitert das Spielräume und hebt die Qualitätdes Endproduktes. Eine Herausforderung ist, die Finanzen so einzuteilen, dass für das WichtigsteGeld da ist. Das bedeutet auch, dass man sich von weniger Wichtigem verabschieden muss. Dasist nicht immer für alle Akteure einfach nachvollziehbar. So gilt es z.B. zu entscheiden, ob zumBeispiel ein grosser Betrag für einen Webauftritt oder für Give-aways verwendet werden soll.Es sollte ein Austausch mit verschiedenen Stellen innerhalb der Hochschule in einem frühenProjektstudium erfolgen, um die Finanzen adäquat einzusetzen. PR- und Marketing-Fachleutewissen vieles über Wirkung, Netzwerke, lohnende und weniger lohnende Investitionen. Auchandere Profis, wie ein Fotograf für „gute“ Bilder, sind für die Qualität des Endprodukts unabdingbar.Eine Zusammenarbeit mit Profis verlangt jedoch, dass dafür entsprechend Finanzen zur Verfügungstehen.Herausforderungen für die Projektleitung▪ Zwischen Kontrolle und Freidenken: Studierende neigen zu kreativen Ideen, zuweilen auch zuhoher Autonomie. Dem manchmal unbändigen Erfindergeist die Grenze des Machbaren undWünschbaren entgegenzusetzen, kann (muss nicht) frustrierend wirken. Hier istFingerspitzengefühl gefragt.▪ Administratives oder die Liebe zum Chaos: Studierende sind ungeübt mit administrativenAbläufen an Hochschulen. Hier braucht es einiges an Voraussicht, an Unterstützung, anKontrolle und vor allem an Geduld.▪ Budget und Verantwortung: Zuweilen sehen Studierende eher die Möglichkeiten, die dieFinanzen eröffnen, als die zwingenden Abläufe. Sie müssen lernen, erst bewilligteKostenvoranschläge abzuwarten, bevor sie Zusagen machen. Auch das ist ein durchauslehrreicher Prozess für die Studierenden.ÖffentlichkeitsarbeitEs bewährt sich, für die Kontaktaufnahme mit externen öffentlichen Stellen das Rektoratbeizuziehen. Gemeinsam verfasste Briefe können viele Türen öffnen.Die Medien sind rechtzeitig und flächendeckend zu informieren. Eine gezielte Planung, wann
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch25welche Kanäle wie bedient werden, ist wichtig, weil diverse Medien gewisse Vorlaufzeit benötigen,damit es rechtzeitig zu einer Veröffentlichung kommen kann.Medienvertretungen erscheinen manchmal spontan bei Aktionen, möchten Fotos, Interviews vorOrt oder am Telefon. Wenn die Medienmitteilung versandt worden ist, muss genügend Zeit seitensder Projektverantwortlichen eingeplant werden, um den Bedürfnissen der Presse gerecht zuwerden.Projektschritte1.Strategien mit der Schulleitung festlegen2.Klären aller finanzieller Fragen3.Kontakte bzw. ExpertInnen-Wissen an der Schule vernetzen (wie PR/Marketing, Finanz-buchhaltung, Studienleitung)4.Flyer für die Studierenden erstellen5.Klären der Rahmenbedingungen mit allen in der eigenen Institution6.Informationsveranstaltung für Studierende mit Deadline für Zusage7.Definitive Zusage von Studierenden (Vertrag)8.Daten mit allen bevorstehenden Treffen für die Studierenden festlegen9.Material herstellen bzw. bestellen10.Projektschritte planen, Arbeiten delegieren und Deadlines vereinbaren bzw. kontrollieren11.Kontaktaufnahme mit Jugendverbänden und Schulen, an denen die Aktion stattfinden soll12.Detailplanung der Einsätze: Transport, Material, Personen13.Letztes Vorbereitungstreffen14.Durchführung15.Abrechnung, Spesen, Kontrolle Material16.Schlussbericht erstellen17.Schlussevent für alle BeteiligtenKonkrete Erfahrungen aus der KonzeptumsetzungIn Absprache mit der Schulleitung und in Übereinstimmung mit den Vorgaben des BBT-Projektswurde in diesem konkreten Projekt in Zusammenarbeit mit den Vertretern der HSLU Soziale Arbeitund der FHSG Soziale Arbeit eine Zielgruppe definiert. Anliegen war, an junge Männerheranzutreten, die sich freiwillig engagieren. Die Klärung des Begriffes „freiwillig engagiert“ inZusammenarbeit mit Forschenden aus dem Jacobs-Projekt an der PHZ Zug(www.jacobsfoundation.org) war ein wichtiger Teilschritt.Obwohl das Projekt eine Finanzierung für die Mitarbeit vorsah, war es nicht ganz einfach,geeignete Studenten für die Projektgruppe zu finden. Während wir anfangs davon ausgingen, dasswir unter vielen Bewerbungen die idealen Repräsentanten aussuchen könnten, nämlich jene, die inverschiedenen Jugendorganisationen engagiert sind, wurden wir schnell von den Realitäteneingeholt. Studierende an der PHZ Zug haben während des Semesters einen äusserst dichtenStundenplan und wenig Zeit für zusätzliche Projekte. Falls sie sich selber (teil-)finanzieren, habensie bereits einen Studentenjob. Daneben können sie sich nicht an einem zeitlich begrenzten undmit viel Idealismus getragenen Projekt engagieren.Vor der definitiven Zusage an die Studenten erweist es sich als hilfreich, mit dem CaseManagement der Hochschule Kontakt aufzunehmen, um allfällige Schwierigkeiten rechtzeitigabfedern zu können. Danach wird allen Studenten ein Vertrag mit den Rahmenbedingungen zurUnterschrift zugestellt. Das macht die Zusammenarbeit verbindlich.Die Daten sämtlicher Treffen müssen verbindlich sein. Eine Schwierigkeit in der Zusammenarbeitmit PH Studenten ist, dass sie während den Semesterferien oft nicht vor Ort sind. Sie absolvierenPraktika, die zeitlich eine extrem hohe Belastung bedeuten, und sind im Ausland, um ihreSprachzertifikate zu erwerben. Darum ist eine Terminplanung schwierig. Mit optionalen Daten
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch26(Doodle-Umfragen) haben wir keine guten Erfahrungen gemacht.Die Arbeit in Gruppen können Studenten sehr gut organisieren. Sie brauchen dafür keineUnterstützung. Unterstützung brauchen Sie bei Terminplanungen, internen Absprachen,finanziellen Fragen, etc. Eine klare Führung seitens der Projektleitung und auch eine Kontrolle sindnotwendig. Als ein Mittel haben sich Protokolle bewährt. Ungeübt sind Studierende anfangs imErstellen von Protokollen. Dies gelingt aber nach kurzer Einarbeitung gut.Es hat sich als hilfreich erwiesen, wenn die Studenten bereits Kontakt zu Jugendorganisationenhaben, welche die Projektgruppe später aufsuchen will. Um diese Zusagen einzuholen, braucht eskeine Unterstützung der Schulleitung. Anders sieht dies für Werbeaktionen an öffentlichen Schulenaus. Dies liegt in der Verantwortung der Projektleitung und der Leitung der PHZ Zug.Bei der Durchführung der Werbeaktion haben die Studenten kreative Lösungen entwickelt und sichsehr engagiert. Materialtransporte hat die Projektleitung mit dem Auto durchgeführt. Damit sich diePräsenz der PHZ Zug-Studenten an den Schulen auf verschiedene Schultern verteilt, haben wiralle Studenten aus dem zweiten Studienjahr involviert. Insgesamt haben fünfzehn Studenten anverschiedenen Standaktionen teilgenommen. Das hat zu einer wertvollen Vielfalt an Gesichternund Geschichten beigetragen, die bei den Interessenten der Mittelschulen gut angekommen ist.Schlussberichte von Studenten erstellen zu lassen, hat einen ideellen Charakter. Studenten sindwährend des Semesterbetriebs zu sehr eingebunden, als dass sie dafür Zeit fänden. Ausserdemsind sie ungeübt und brauchen viel Anleitung und Unterstützung.AusblickNoch ausstehend ist an der PHZ Zug ein Schlussevent mit allen Studenten aus demAngebotsteam. Wie jedes Projekt sollte auch dieses offiziell beendet werden. Die PHZ Zug hat sichentschieden, anlässlich der Abschlusstagung an der FHS St.Gallen mit den Studierendenzusammen zu überlegen, was weitergeführt werden kann und soll. Bereits definitiv ist dieWeiterführung der Homepage www.werde-lehrer.ch, die aus Mitteln des Rektoratsfonds der PHZZug unterstützt wird.
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch27Verein „Studenten entwickeln Perspektiven“ (SteP)Reflexion der ProjekterfahrungenDas Projekt zeichnete sich durch hohe studentische Partizipation aus. Diese führte zu Erfolgen aufzwei Ebenen: a) Zum einen konnten sich die Studenten mit ihrem vollen Potenzial an Kreativität,Identifikation mit dem angestrebten Beruf und biografischem Erfahrungsschatz in die Entwicklungder Angebote einbringen. Die Angebote selbst zielten stets auf einen direkten Kontakt mit derZielgruppe der Zivildienstleistenden ab. Hier wurde zum anderen b) die generative Ebeneangesprochen: Die beteiligten Studenten befanden sich in einem ähnlichen Alter wie die Männerder Zielgruppe. Das führte zu einer adäquaten Kommunikation, wie sie nur Gleichaltrige herstellenkönnen.KonzeptbeschreibungUm diese Erkenntnisse nachhaltig nutzen zu können, wird ein Verein gegründet. Grundidee ist, diebegonnene Arbeit auf diesen beiden Ebenen weiterzuführen: studentische Potenziale nutzen undadäquate Kommunikation zur Zielgruppe ermöglichen. Zweck dieses Vereins ist es, studentischeAktivitäten zu fördern, welche jungen Männern Ausbildungs- und Berufsperspektiven in sozialenund pädagogischen Berufen eröffnen.Erste KonzeptumsetzungDie Produkte und Aktivitäten des BBT-Projekts werden im Rahmen der Vereinstätigkeitenweitergeführt und entwickelt (z.B. Spiel, Online-Plattform, T-Shirts, Kontaktgespräche in beiZivildienstleistenden in Schwarzenburg, Kontakte in Jugendorganisationen). BezüglichNachhaltigkeit und Wirksamkeit der Aktivitäten wird ein noch zu bestimmendes standardisiertesEvaluationsinstrument eingesetzt.Zur Zielgruppe des Vereins gehören junge Männer in der späten Adoleszenz (z.B.Zivildienstleistende), männliche Jugendliche in der freiwilligen Jugend- oder Vereinsarbeit,gestandene Berufsmänner, die über einen Wechsel in soziale oder pädagogische Berufenachdenken sowie Oberstufenschulen und Berufsberatungen.Mitglieder können Personen oder Institutionen werden, welche den Vereinszweck unterstützen. FürAusbildungsinstitutionen kann der Verein auch PR-Funktionen übernehmen. Der Vorstand kannaus Studenten, DozentInnen, praktizierenden LehrerInnen und PR-MitarbeiterInnen bestehen.Stimmrecht im Vorstand haben Ausbildungsinstitutionen, welche einen bestimmten Mindestbeitragpro Jahr bezahlen. Vereinsmitglieder haben unabhängig von deren finanziellem Engagementgleiches Stimmrecht (Hauptversammlung). Ein periodisch erscheinendes Organ informiert dieVereinsmitglieder über die Vereinsaktivitäten und weist deren Effekte nach (so gut es eben geht).Die Vereinsaktivitäten nach „Aussen“ führen vorwiegend Studenten aus. Sie werden für ihre Arbeitentschädigt.FazitDie Potenziale dieses Kommunikationskonzepts bestehen in folgender Hinsicht:Wirksamkeit: Durch die adäquate Kommunikation erhöht sich die Chance, dass Männer derZielgruppe die Botschaft „mehr Männer in soziale und pädagogische Berufe“ aufnehmen. DasGespräch mit Studenten einer FH oder PH kann als intensiver Kommunikationsanlass verstandenwerden. Dieser kann Männern der Zielgruppe in relativ kurzer Zeit viele Informationen zu Studiumund Beruf bringen.Zielgruppenorientierung: Durch den aktiven Einbezug von Studenten und derer kommunikativer
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch28wie kreativer Potenziale ist eine gute Orientierung an der Zielgruppe möglich.Ressourcennutzung. Die Steuerung der Vereinsaktivitäten durch Hochschulen und Studentenermöglicht eine effektive und zielgerichtete Nutzung von finanziellen wie personellen Ressourcenim Rahmen der PR einer Hochschule.Begleitung von Einzelfällen: In jenen Angeboten, welche die direkte Kommunikation zwischenStudent und einem Mitglied der Zielgruppe ermöglichen, können Adressen, Telefonnummern etc.aufgenommen werden. So ist ein Nachfassen möglich, um weitere auftauchende Fragen der amStudium interessierten Männer zu klären.Wie erwartet besitzen die entwickelten Angebote und die daraus abgeleiteten konzeptionellenAnsätze im Bereich Lehre und Kommunikation für andere Hochschulen Sozialer Arbeit undPädagogischen Hochschulen durchaus Anschlussstellen und Gestaltungspotenzial, nicht zuletztauch oder aufgrund der noch ausstehenden Konkretisierung. Dennoch sind grosse Anstrengungennotwendig, um das Ziel - der Sensibilisierung sozial tätiger junger Männer für ein Studium in„frauendominierten“ Studiengängen - über die entwickelten Angebote und ihre Produkte sowie diekonzeptionellen Ansätze weiter zu verfolgen. Die Erreichung dieses Ziels erscheint allerdings nichtohne gezielte Investitionen seitens der (beteiligten) Hochschulen, einem entsprechenden Rückhaltauf der Leitungsebene sowie dem Selbstverständnis der beteiligten Dozierenden als Mediatorenfür einen regionalen Transfer möglich.Konkret zeigt die PHZ Luzern, insbesondere die Abteilung Sek 1, Interesse für die Übernahme desentwickelten Angebotes der PHZ Zug. Weitere informelle Anfragen liegen vor, wobei einenamentliche Nennung der jeweiligen Institutionen zum aktuellen Zeitpunkt verfrüht wäre. An derHSLU SA wird aktuell darüber nachgedacht, mit Organisationen Kontakt aufzunehmen, die anGAME XY Interesse haben könnten.b) Kooperativer Transfer zwischen den beteiligten ProjektpartnernBezüglich der kooperativen Transferaktivitäten bestand die Annahme, dass ein Transfer im Grundedurch die Anlage des Projektes als Kooperationsprojekt zwischen den beteiligten Hochschulen,den beteiligten Dozierenden und den beteiligten Studenten mehr oder weniger automatischgegeben ist. Hierbei wurden die Wirkmächtigkeit der unterschiedlichen Organisationskulturen undihre Verinnerlichung durch die beteiligten Dozierenden unterschätzt. So waren trotz hohenEngagements der Beteiligten zum Teil so manifeste kulturelle Unterschiede im Projekt anzutreffen,dass eine tatsächliche Kooperation zwischen Studenten und vereinzelt auch Dozierenden derbeteiligten Hochschulen nicht durchgängig möglich war. Hier war die Gesamtleitung mehr gefordertals geplant und die (sehr konstruktiven) Gesamttreffen der Projektbeteiligten bekamen damit einzusätzliches Gewicht. Die Zusammenarbeit zwischen den Kooperationspartnern kann insgesamtals befruchtend eingeschätzt werden, führte sie u.a. nicht zuletzt dazu, auch die eigeneninstitutionellen Logiken und Arbeitsweisen zu hinterfragen.Jedoch führte dies letztendlich nicht zu einer durchgängigen Kooperation. In letzter Konsequenzkam es auch zu standortbezogenen Angebotsentwicklungen, womit ein wesentliches Potenzial imfachbereichsübergreifenden Transfer nicht ausgeschöpft werden konnte. Die beteiligten Studentender unterschiedlichen Angebotsgruppen nahmen aber auf den Gesamttreffen mit Interesse zurKenntnis, was sich die Studenten an den anderen am Projekt beteiligten Hochschulen ausdachten.2.6 Rückwirkungen auf die Verantwortlichenc) Binnentransfer innerhalb der beteiligten Fachbereiche/HochschulenZunächst kann allgemein festgehalten werden, dass die beteiligten Dozierenden sowie einGrossteil der beteiligten Studenten direkt und indirekt zu einem Transfer der Projekterkenntnisse
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch29und -ergebnisse in die Organisationen beitrugen und weiterhin tragen werden.Eine Rückwirkung, die aktuell innerhalb der Organisationen bereits greift, besteht in einer neuenQualität des Verhältnisses der beteiligten Studenten und Dozierenden. So entstand gerade überdie bisher eher „schwierigen“ Themen Gender und berufliche Sensibilisierung in der Regel einkonstruktives koproduktives Arbeitsverhältnis zwischen Studenten und Dozierenden. Aus Sicht derGesamtleitung war bei Dozierenden wie Studenten ein Enthusiasmus spürbar, wie er (leider) seltenin der Arbeit zur Genderthematik vorkommt. Auch ist davon auszugehen, dass die gemeinsamenthematischen Arbeitserfahrungen perspektivisch auch in anderen Lehrzusammenhängen tragfähigsind und dass über die im Projekt aktiven Studenten die Thematik „Männer im Studium“ imweiteren Sinne in die eigenen Studiengruppen ausstrahlt. In dieser Hinsicht brachten zum Beispieldie Studenten der PHZ Zug das ganze Thema „Männer im Lehrberuf“ durch die Events undProdukte im Rahmen der Angebotsentwicklung ins Gespräch und viele Personen wurden dadurchauf das BBT-Projekt aufmerksam. Nicht nur die Studenten, die sich aktiv am Projekt beteiligten,auch die Studierenden, die u.a. den Plakaten in den Korridoren der PHZ Zug begegneten,begannen miteinander über die Genderperspektive im Lehrberuf zu sprechen. An der FHSSt.Gallen werden beteiligte Studenten in die Werbung für die Fachtagung aktiv eingebunden, umüber die Nutzung von Peer-Effekten möglichst viele Studierende für eine Teilnahme an derFachtagung gewinnen zu können.Von Vorteil für einen Binnentransfer ist, dass ein Grossteil der beteiligten Dozierenden unmittelbarin der Gleichstellungsarbeit der Fachbereiche/Departements und Hochschulen vernetzt ist.Inwieweit direkte und nachhaltige Einwirkungen auf die Organisationen möglich sind, scheint starkvon der Art der Ausgestaltung der entwickelten Angebote abzuhängen sowie von derUnterstützung des Themas „Mehr Männer im Studium“ auf der Leitungsebene.Im Folgenden sollen einige dieser eingesetzten und geplanten Rückwirkungen auf dieOrganisationen exemplarisch für die drei beteiligten Standorte beschrieben werden:a)Hochschule Luzern (siehe Kasten: „Projektdesign zur Erhöhung der Genderkompetenzvon Studenten“)b)Die Leitung der PHZ Zug hat das Projekt ideell und finanziell äusserst grosszügigunterstützt. Aufgrund der Rückmeldungen vom Lieder- und Kulturfest Jungwacht Blauring ist dieSchulleitung zum Schluss gekommen, dass Nachholbedarf bei den Informationen überZugangswege zur Lehrerausbildung – insbesondere für Berufsleute – notwendig ist. Offenbarherrscht in der Öffentlichkeit die Meinung vor, dass man für ein Studium an der PHZ Zug einenMaturitätsabschluss braucht. Am Lieder- und Kulturfest von Jungwacht Blauring tauchten immerwieder Fragen dazu auf. So dachten die meisten jungen Männer, der Lehrberuf stehe ihnen nichtoffen, da sie weder einen Mittelschulabschluss noch eine Berufsmaturität hatten. Da einige der fünfStudierenden, aus denen sich das Angebotsteam der PHZ Zug zusammensetzte, einen beruflichenWerdegang hinter sich haben, und auch mehrere Studierende im 2. Studienjahr bereits eineBerufsausbildung abgeschlossen haben, konnten diese Studierenden den interessierten Männernwertvolle Informationen bezüglich Studium an der PHZ Zug weitergeben. Die Leitung hat diesesInformationsdefizit zur Kenntnis genommen und wird sich den Fragen von möglichenBerufsumsteigenden aktiv annehmen.Das Gespräch mit den Verantwortlichen zu diesem Thema wird regional, aber auchgesamtschweizerisch gesucht. Der Bedarf an Informationen ist klar, noch nicht klar ist, wie dieseInformation an mögliche Interessierte gelangen kann. Die PHZ Zug ist daran interessiert, Elementedes Projekts in die Informationsveranstaltungen für Interessierte zu übernehmen.Insbesondere die entwickelten Plakate haben unter Dozierenden sowie Angestellten der PHZ Zugthematische Gespräche in Gang gesetzt. Es ist geplant, diese Kampagne fortzuführen, wenngleichdie Ausgestaltung noch diskutiert wird.c)An der FHS St.Gallen bildete sich im Kontext des Kooperationsprojekts eine Fachgruppe,der es einerseits gelang neue Projektskizzen und -anträge im weiter gefassten Themenfeld derGewinnung von Männern fürs Studium der Sozialer Arbeit zu stellen. Andererseits sind dieMitarbeitenden dieser Gruppe insbesondere auch Ansprechpersonen, wenn es um interne wie
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch30externe Öffentlichkeitsarbeit (siehe 2.7) geht. Vor diesem Hintergrund liegt aktuell eineFörderbewilligung seitens des BBT für das am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheitentwickelte Projekt „Jungs packet’s a - St.Galler Boys Day 2012“ vor. Das Projekt wird fürweiterreichende thematische Impulse sorgen. Zudem ist der Fachbereich Soziale ArbeitKooperationspartner der PH St.Gallen bei einem Projekt („men`s walk & talk“ finanziert durch dasEidgenössische Amt für Gleichstellung), das wiederum explizit die Studenten mit ihren Themen(Ansprüche, Anforderungen etc.) innerhalb des Studiums in den Blick nimmt und somit diepositiven Kooperations- und Sensibilisierungserfahrungen zwischen Studenten und Dozierendenaus dem aktuellen Projekt fortführt. Und schliesslich – dies gilt wohl im SchweizerHochschulkontext als Novum – wurde durch den Fachbereich Soziale Arbeit eine wissenschaftlicheMitarbeitendenstelle explizit für den Themenbereich Jungen, Männer und Soziale Arbeitgeschaffen. Der bereits tätige Mitarbeiter wird neben der Projektarbeit diese Themen insbesondereauch in der Lehre vertreten. Ergänzend ist zu erwähnen, dass die beteiligten Dozierenden diegewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse u.a. über spezifische Angebote im Rahmen derWahlpflichtmodule in die Bachelorlehre einfliessen lassen wollen.2.7 ÖffentlichkeitsarbeitBezüglich Öffentlichkeitsarbeit muss vorweggenommen werden, dass aufgrund der zeitlichen wiefinanziellen Ausstattung sowie der Projektkonstruktion (konkrete Anlässe für dieÖffentlichkeitsarbeit bestanden erst im August/September 2011) diese nur im begrenzten Massemöglich war. Dieser Aspekt wird z.T. verstärkt durch eine indifferente Aufgabenteilung zwischender Gesamtleitung und den Dozierende der Projektstandorte. Die Kapazität für Öffentlichkeitsarbeitseitens der Gesamtleitung war im Wesentlichen absorbiert mit dem Binnentransfer (siehe 2.6) undder aufwändigen Vorbereitung einer kooperativen Fachtagung. Die Dozierenden derProjektstandorte, selbst mit begrenzten zeitlichen Ressourcen in die Angebotsentwicklung und –umsetzung involviert, waren nur mit Hilfe zusätzlich zugesprochener Ressourcen in der Lage,eigene Öffentlichkeitsauftritte zu lancieren. Schliesslich scheint das mediale Interesse an denübergreifenden Themen des Projektes (wie sozial engagierte junge Männer oder mehr Studentenin „frauendominierten“ Studiengänge) weniger gegeben. Vielmehr besteht ein aktuelles medialesInteresse an konkreten Themen wie der Lehrermangel, der in den letzten Monaten in anderenZusammenhängen eine bereite mediale Aufmerksamkeit erfuhr.Die Projektgruppe und deren Leitung der PHZ Zug war überrascht, wie viel Medienecho ihreKampagne auslöste. So meldeten sich im Rahmen der Standaktionen an den Mittelschulenverschiedene Medien. Die Plakatkampagne bzw. die Standaktionen waren Teil derBerichterstattung von Blick am Abend, 20 Minuten, Zuger Zeitung, Radio DRS, Radio Pilatus undRadio Sunshine. Besonders erfreulich daran ist, dass somit vor allem junge Männer erreichtwerden, die diese Medien oft konsumieren (siehe Anhang: „Medienberichte“).Auf einer internationalen Fachtagungen an der Fachhochschule in Frankfurt am Main („MehrMänner in die Soziale Arbeit!? Kontroversen, Konflikte, Konkurrenzen) und einem Fachtag an derFachhochschule München („Hat die Kategorie ‚Geschlecht‘ noch eine Bedeutung für Theorie undPraxis der Sozialen Arbeit?“) hielten am Kooperationsprojekt beteiligte Dozierende Fachvorträgeund führten Fachdiskussionen mit Expertinnen und Experten.Ein Beitrag über den Kick-off des Kooperationsprojektes (siehe Anhang: „Beitrag über Kick-off zumKooperationsprojekt“) wurde seitens der Gesamtleitung initiiert und den Projektpartnern für ihreÖffentlichkeitsarbeit zur Verfügung gestellt.Mit einer nationalen Fachtagung und einer Publikation sollen Organisationen undFachhochschulen, die nicht am Projekt mitgearbeitet haben, einbezogen und beteiligt werden. DasThema „Männer in soziale und pädagogische Berufe“ wird auch für die Medien von Interesse sein.Eine forcierte Öffentlichkeitsarbeit erfolgt in Vorbereitung und der Durchführung der Fachtagungam 24./25. November 2011 in Rorschach. So wurde in Fachzeitschriften wie „männer.ch“ und„Sozial aktuell“ für die Tagung geworben. Zudem wurde ein breites Netz an Fachpersonen über die
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch31beteiligten Dozierenden direkt über die Fachtagung in Kenntnis gesetzt. Begleitet wird dieVorbereitung von einer PR-Aktion mit Porträts von sozial tätigen Männern im Ostschweizer Raumsowie einem Auftritt im Lokal-TV durch Projektbeteiligte.Schliesslich erfolgt eine journalistische Berichterstattung über die Fachtagung. Ausserdem ist aufder Grundlage des Abschlussberichtes und den Beiträgen an der Fachtagung eine Publikationgeplant. Das Format der Publikation steht noch nicht fest. Es hängt massgeblich von demInteresse der Fachöffentlichkeit an den Erkenntnissen und Ergebnissen sowie bereitgestelltenRessourcen seitens der beteiligten Dozierenden ab.3 Zusammenarbeit mit OrganisationenMit einem fachlichen Input auf einem Gesamttreffen leistete eine Projektmitarbeiterin (TheresaLempp) der Projektgruppe „Zivildienst als Sozialisationsinstanz für junge Männer“ (TU Dresden)einen direkten Beitrag für die inhaltliche Ausgestaltung des Kooperationsprojektes. Darüber hinausleistet dieser Kooperationspartner unter Leitung von Prof. Lothar Böhnisch im Rahmen von zweiFachvorträgen auf der Fachtagung einen weiteren aktiven Beitrag für das Kooperationsprojekt.Auch half ein Mitarbeiter (Patrick Pfeuffer) des an der PHZ Zug ansässigen Projekts „treib.stoff“(Akademie für junge Freiwillige) der Jacobs Stiftung mit seinem fachlichen Input für Mitarbeitendedes Teams Freiwilligenarbeit einen aktiven Beitrag zur Projektausgestaltung beizusteuern.Die Ausführungen zur Kooperation mit Organisationen der Freiwilligenarbeit sowie dem Bundesamtfür Zivildienst sind bei den Beschreibungen der Tätigkeiten zu finden (siehe 1.1)Insgesamt erscheinen Gespräche mit beteiligten Organisationen und dem Bundesamt fürZivildienst hinsichtlich einer weiterführenden Zusammenarbeit erst nach der Sicherung derErkenntnisse (auch durch die Evaluation) und der fachlichen Diskussion der Ergebnisse an derFachtagung sinnvoll. Vorstellbar ist jedoch, dass die Kontaktherstellung über die bisherigenFreiwilligenorganisationen hinaus erweitert wird und junge Männer, die in Umwelt- oder politischenOrganisationen tätig sind, angesprochen werden. Hierfür sind sicher Folgeanträge auf finanzielleUnterstützung, wie z.B. für die Gründung eines Vereins „Studenten entwickeln Perspektiven“(SteP), notwendig.Von Beginn an vernetzte sich die Projektgruppe der PHZ Zug mit dem Netzwerk schulischeBubenarbeit NSB. Dieses beschäftigt sich mit Genderanliegen von Schülern und Lehrern. Via dieDomain „werde-lehrer.ch“ werden die Homepages der beiden Organisationen PHZ und NSBmiteinander verlinkt. Daneben besteht auch Kontakt zum Frauenbildungsnetz Zug. Während dasNSB vor allem über gemeinsame Projekte zu Männern im Lehrberuf nachdenken möchte, will dasFrauenbildungsnetz die Position der Frauen und Männer in der Schule nachhaltig sichtbar machen.Sie hätten gerne ein selbstentwickeltes Tool namens „Gendertor“ in die PHZ Zug eingebracht. ImMoment ist diese Zusammenarbeit Gegenstand weiterer Abklärungen.
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch324 Auflagen und BedingungenFormellesDie Auflagen des BBT bezogen sich einerseits auf formelle Vorgaben, andererseits auf inhaltlicheAspekte. Mit den Präzisierungen der Projektleitung im Schreiben vom 16. Dezember 2011 wurdendie formellen Auflagen erfüllt, indem die Lebensläufe der Gesamtprojektleitung (Steve Stiehler undUrsula Graf) sowie die Bescheinigungen der beteiligten Praxispartner (Bundesamt für Zivildienst,TU Dresden, treib.stoff/Jacobs Stiftung) eingereicht wurden. Zudem wurde das Ende derProjektlaufzeit auf den 30. November 2011 vorverlegt.Präzisierung der MethodikDas Projekt orientierte sich methodisch an der Biografiearbeit (siehe 1.). Die methodischeAnwendung erfuhr in den jeweiligen Teams (Zivildienst und Freiwilligenarbeit) konkreteAnpassungen, die im Evaluationsbericht dargestellt sind.Transfer und KommunikationWie in 2.5. dargestellt, wurden der Transfer der Projekterkenntnisse zu den anderenFachhochschulen sowie die Kommunikation des Projekts nach „Aussen“ durch verschiedeneMassnahmen sichergestellt. Wegen des engen Zeitplans mussten hier einige Anpassungenvorgenommen werden. Einige Kommunikationsmassnahmen werden erst nach offiziellemProjektende realisiert.Projektbegleitend:▪ Einsatz einer Projektmitarbeiterin spezifisch für die Projektkommunikation und den Transfer▪ Regelmässige Information der kooperierenden Hochschulen über wichtige Meilensteine(Hochschulleitungen, Fachbereichsverantwortliche, Studiengangsleitungen etc.)▪ Einladung der Fachhochschulen mit Fachbereich Soziale Arbeit und der PädagogischenHochschulen zur geplanten Tagung im November 2011, an der die Projekterkenntnissevorgestellt und mit einem Fachpublikum sowie Praxisvertretern die Nachhaltigkeit und ggf.Folgeprojekte diskutiert werdenNach Projektabschluss:▪ Kommunikation der Projektergebnisse an die Fachhochschulen mit Fachbereich SozialerArbeit sowie an die Pädagogischen Hochschulen (Deutschschweiz)▪ Kommunikation der Projekterkenntnisse über die Fachkommission Chancengleichheit derKFH sowie die Chancengleichheitsbeauftragten der Fachhochschulen▪ Publikation der Ergebnisse über Tagespresse (z.B. St.Galler Tagblatt), Verbandszeitungen(Pfadi, Cevi, Zivis etc.), Fachmedien (z.B. fhch-Verein Forum Humanitäre Schweiz, SASSA,Sozial Aktuell, Schweizerische Zeitschrift für Soziale Arbeit)
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch335 Projektablauf5.1 Vorteile und StärkenDer BBT-Antrag war so konzipiert, dass zwar wesentliche Rahmenbedingungen (wie Projektzieleund -schritte) konkret definiert waren, dem Gestaltungsspielraum in den Schritten zurProjektumsetzung von vornherein viel Gewicht beigemessen wurde. Dieses Gestaltungspotenzialwurde von den Teams und den einzelnen Projektmitarbeitenden gut genutzt, wenngleich damitimmer wieder eine gewisse Orientierungssuche im Projektalltag einherging. Hierbei ermöglichte diebegleitende Evaluation über ihre „Aussensicht“ und die entwickelten Instrumente reflexiveHinweise zur Projektumsetzung.Über die Anlage als Kooperationsprojekt waren schliesslich Einblicke in unterschiedlicheinstitutionelle Logiken und die davon geprägten Arbeitsweisen der Involvierten möglich. Heutebesteht seitens der Gesamtleitung mehr Klarheit, was aufgrund unterschiedlicherRahmenbedingungen an Kooperationen leistbar ist.Vor diesem Hintergrund konnte durch die Projektmitarbeitenden eine beeindruckende Vielfalt anAngeboten entwickelt und durchgeführt werden. Mit den entwickelten Angeboten wurden neueZugänge zu den ansonsten von Seiten der Hochschulen schwierig zu erreichenden (sozial tätigen)jungen Männern erprobt. Dies erscheint umso wichtiger, da diese Zielgruppe als ein bisher weniggenutztes Potenzial im Hinblick auf Lehrberufe und Soziale Arbeit eingeschätzt werden kann.Insbesondere bei den beteiligten Studenten wurde eine aktive Auseinandersetzung mit derGenderthematik erreicht. Über die offene und direkt partizipative Projektarbeit wurden dieStudenten biografisch selbst angesprochen. So waren, verstärkt durch die Rolle als Mentoren ineinem Peer Learning Prozess, Entwicklungen in Aspekten ihres Mannseins, ihrer Studierendenrollesowie ihrem Selbstverständnis als Mann in der Sozialen Arbeit und in Lehrberufen wahrzunehmen.Durch diese Erfahrungen haben einige der beteiligten Studenten heute ein anderes Verständnis fürihr Studium. Dazu trug sicher auch das fast durchgängig konstruktive und als Koproduktionangelegte Arbeitsverhältnis zwischen Studenten und Dozierenden bei. Damit wurde einebesondere Qualität im Transfer erreicht, welche die in der Regel eher „schwierig“ zu bearbeitendenThemen wie Gender und biografische Erfahrungen bei jungen Männern überwand. So wurde dieGenderthematik in der Projektarbeit miteinander als lustvoll und (gegenseitig) bereichernd erlebt.Aus Sicht der Gesamtleitung war bei Dozierenden wie Studenten ein gewisser Enthusiasmusspürbar, wie er (leider nur) selten in der Genderarbeit vorkommt. Diese Erfahrungen stellen eininteressantes Potenzial für zukünftige Projekte zur Gendersensibilisierung von Studierenden dar.Insgesamt ist es über das Projekt gelungen, dass in den Fachbereichen und Abteilungen eineSensibilisierung für die Thematik fehlender Männer im Berufsfeld, zum Teil auch durchaus kritisch,stattgefunden hat. Zudem sind einige vertrauensvolle Kooperationsbeziehungen entstanden, überdie sicherlich notwendige weitere Impulse zur Gendersensibilisierung in Lehre und Forschung anHochschulen zu erwarten sind.5.2 VerbesserungsmöglichkeitenFür ein Kooperationsprojekt, welches die kooperative Ausgestaltung der Projektschritte zumGegenstand und damit eine nachhaltige Kooperationen zwischen den Beteiligten zum Ziel hat,müsste zwingend eine bessere finanzielle wie zeitliche Ausstattung zur Verfügung stehen. EinKooperationsprojekt erfordert andere zeitliche Aufwendungen und Abstimmungen sowie einegrössere Entwicklungszeit als ein hierarchisch organisiertes, in sich geschlossenes Projekt miteiner partiellen Beteiligung anderer Hochschulen.Eine gemeinsame vertrauensvolle Arbeitsbasis lässt sich nicht erzwingen. Eine Identifikation mitdem Gesamtprojekt bleibt solange im Hintertreffen, bis über vertrauensvolle Arbeitsbeziehungendie im Alltag gelebte Konkurrenz zwischen den Fachbereichen, Hochschulen undinstitutionsbezogenen Verwertungslogiken überwunden wird. In letzter Konsequenz kam es zu
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch34standortbezogenen Angebotsentwicklungen, womit ein wesentliches Potenzial imfachbereichsübergreifenden Transfer nicht ausgeschöpft werden konnte.Ein so umfangreich angelegtes Kooperationsprojekt benötigte zwingend eine Reflexionsphase, inder die entwickelten Angebote nach ihrer Durchführung hinsichtlich inhärenterGeschlechterstereotype und -dualitäten überprüft werden. Aus dieser Phase müsste dann eineÜberarbeitung der Angebote folgen. Dies würde bedeuten, dass eine nochmalige expliziteAuseinandersetzung zur Genderthematik zwischen Studenten und Dozierenden stattfindet.Dadurch könnte von einer noch differenzierten Auseinandersetzung mit dem Thema Geschlechtsowie von einer reflexiven Nachhaltigkeit seitens der beteiligten Personen wie den entwickeltenAngeboten ausgegangen werden.Schliesslich fehlt es an empirisch abgesichertem Wissen hinsichtlich der Motive und Einflüsse aufdie Berufswege von Jungen/Männern sowie der Wirkmächtigkeit von geschlechtsspezifischenSozialisationsprinzipien und Bewältigungsherausforderungen.5.3 EmpfehlungenWenn die Ziele sowohl auf eine nachhaltige Kooperation als auch auf qualitativ hochwertigeErgebnisse ausgerichtet sind, sollte für ein Kooperationsprojekt mit so vielen unterschiedlichenProjektpartnern deutlich grössere zeitliche (und damit auch finanzielle) Ressourcen eingeplantwerden. Einerseits können nur über eine längere Projektlaufzeit die vorhandenen Synergien auchumfassende Wirkung entfalten. Dies bedeutet konkret die Gewährleistung einer gemeinsamenEntwicklungszeit unter den Projektbeteiligten, bevor es an die eigentliche Projektumsetzung geht.Andererseits können dann auch unmittelbar die zeitlich versetzten Evaluationsergebnisse in einkritisches Verhältnis zu den Einschätzungen der Projektbeteiligten gesetzt und diskutiert werden.Bezogen auf die Thematik des Genderbereiches wäre die Lancierung und Finanzierung vonGrundlagenforschung, die Ergebnisse zur Verfügung stellt, sehr zu begrüssen.
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch356 AnhangProjektorganisation: Organigramm KooperationsprojektBeitrag über Kick-off zum KooperationsprojektFlyer Fachtagung „Mehr Männer in typische Frauenberufe“Team Zivildienst:▪ Sujet für Produkte▪ Dokumentation Durchführung der Angebote im Zivildienstzentrum Schwarzenburg▪ Spruchband▪ Flyer▪ Broschüre▪ Plakate Sujet 1 bis 4Angebotsteam Freiwillige HSLU:▪ Konzept GAME XY der HSLUAngebotsteam Freiwillige PHZ ZUG:▪ Postkarten▪ Poster▪ Fragebogen▪ Konzept Genderprojekt am Lieder- und Kulturfestival▪ MedienberichteAngebotsteam Freiwillige FHS St.Gallen:▪ Schreiben der FHS St.Gallen an Studenten für Projektmitarbeit▪ Leitfaden Projektvorstellung und zum Berufsfeld und Studium▪ Flyer „Soziale Arbeit - ein Beruf für Männer“
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„Sozial tätige junge Männer – ein ungenutztes Potenzial für das Studium der Sozialen Arbeit und Lehrberufe“BBT-Kooperationsprojekt Nr. 190/10www. gender-diversity.ch367 LiteraturBehnke, C. & Meuser, M. (1999): Geschlechterforschung und qualitative Methoden. Opladen:Leske und BudrichBohnsack, R. (2000): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in die Methodologie und Praxisqualitativer Forschung. Opladen: Leske und BudrichFischer-Rosenthal, W. (1991): Biografische Methoden in der Soziologie. In: Flick, U.: QualitativeSozialforschung. München. S. 253-256.Haupert, B. et. Al (2010): Biographiearbeit und Biographieforschung in der Sozialen Arbeit.Beiträge zu einer rekonstruktiven Perspektive sozialer Professionen. Bern: Peter LangHölzle, C. & Jansen I. (2009): Ressourcenorientierte Biographiearbeit. Grundlagen-Zielgruppen-Kreative Methoden. Wiesbaden: VS VerlagMannheim, Karl (1980): Strukturen des Denkens. Frankfurt a.M.: SuhrkampSchäffer, B. (2004): Doing Generation. Zur Interdependenz von Milieu, Geschlecht und Generationbei der empirischen Analyse generationsspezifischen Handelns mit Neuen Medien. In: Buchen, S.et. al: Gender methodologisch. Empirische Forschung in der Informationsgesellschaft vor neuenHerausforderungen. Wiesbaden: VS Verlagvon Felden, H. (2004): Lebenslanges Lernen, Bildung und Biografie. Zur Verknüpfung vonBildungs- und Biographieforschung.http://www.uni-mainz.de/FB/Paedagogik/Erwachsenenbildung/vortragvonfelden.pdf

Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern

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.Karrierekonzeptionen von Frauen und Männernin Wirtschaft, Technik, Soziale Arbeit und Gesundheit zu verschie-denen berufsbiographischen Zeitpunkten - ein interdisziplinäresForschungsprojekt (Nr. 167/09)Schlussbericht zuhanden des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie(BBT)Das Forschungsprojekt wurde im Rahmen des Bundesprogramms Chancengleichheit vonFrauen und Männern an Fachhochschulen von der Fachhochschule Ostschweiz an der FHSSt.Gallen realisiertVerfasserInnenUrsula Graf, Institut für Gender und Diversity IGDRoger Martin, Institut für Qualitätsmanagement und Angewandte Betriebsökonomie IBQSibylle Olbert, Institut für Qualitätsmanagement und Angewandte Betriebsökonomie IBQMandy Schöne, Institut für Soziale Arbeit IFSAAnnegret Wigger, Institut für Soziale Arbeit IFSAEingereicht am:31. Mai 2012
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AbstractIIIKarrierekonzeptionen von Frauen und MännernAbstractFragen der Karriere und Laufbahnentwicklung werden in den letzten Jahren vermehrt Auf-merksamkeit geschenkt. Ursächlich ist unter anderem ein zunehmender Wettbewerb um diebesten Köpfe. Da viele Mitarbeitende ein hohes Interesse an persönlicher Entwicklung ha-ben, können Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen mit dem Angebot geeigneter Entwicklungs-möglichkeiten nicht nur für einen optimalen Einsatz der Mitarbeitenden sorgen, sondern sichdurch einen Attraktivitätsgewinn Vorteile am externen Arbeitsmarkt verschaffen. Weiterhingibt es zahlreiche Aussagen dahin gehend, dass Arbeitsbeziehungen „brüchiger“ werdenund infolgedessen jeder und jede Einzelne im Hinblick auf seine bzw. ihre „Employability“und Karriere „zum Unternehmer, zur Unternehmerin in eigener Sache“ werden muss. Diepersönliche Entwicklung erfährt so eine höhere individuelle Bedeutung für die einzelne Per-son, die sich gefordert sieht, notwendige Kompetenzen des „Karrieremachens“ zu erwerben.Im Kern stellt sich die Frage, ob „traditionelle“, meist organisationsinterne Karrieren mit ihremStufenmodell des hierarchischen Aufstiegs ausgedient haben. Als bedeutsames Folgemodellgelten „moderne“ Karrieren und Karriereverläufe, die durch Eigeninitiative, Flexibilität, Unter-nehmenswechsel und Mobilität gekennzeichnet sind. Analysen zu den vorherrschendenLaufbahnmustern und individuellen Vorstellungen von Karriere kommen bisher zu dem Er-gebnis, dass „traditionelle“ Karrieren weder aussterben noch eine bevorzugte Form der Kar-riere darstellen.Dies ist Anlass die Frage zu stellen, wie der oder die Einzelne tatsächlich handelt und ange-sichts seiner bzw. ihrer persönlichen Voraussetzungen und des Kontextes Karriere macht.Im hier vorliegenden, interdisziplinär bearbeiteten Forschungsprojekt „Karrierekonzeptionenvon Männern und Frauen aus Wirtschaft, Technik, Sozialer Arbeit und Gesundheit“ gehenwir dieser Frage zu verschiedenen Berufsaltern mittels narrativen Interviews nach. Bezogenauf 83 Einzelfälle wird das jeweilige „Doing Karriere“ mithilfe der Grounded Theory herausgearbeitet, ein biographisches Verlaufsmuster erstellt und das bestehende explizite Ver-ständnis von Karriere erörtert. Die Fälle werden auf Gemeinsamkeiten hin untersucht. Ausden Ergebnissen lassen sich fünf „Idealtypen“ formulieren, wie Karriere gemacht wird.Im Rahmen dieser explorativen Studie konnte gezeigt werden, dass unterschiedliche Perso-nengruppen die gesellschaftlichen Karriereerwartungen – vermittelt über die Erwerbsbiogra-phie – auf unterschiedliche Weise bewältigen. Im Einzelnen handelt es sich umgesellschaftlich vermittelte Praktiken der Karrierearbeit. Die individuelle Vielfalt der Karriere-arbeit konnte fünf typischen Karrieremustern zugeordnet werden: Karrieremuster I: KonkreteLebensposition(en) anzielen, Karrieremuster II: Ungewisse Berufs-, Selbst- und Fremdbilder
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AbstractIVKarrierekonzeptionen von Frauen und Männernim Berufsweg regulieren, Karrieremuster III: Sich sicher bewegen (lassen) von und in ver-trauten Bahnen, Karrieremuster IV: Werte leben können, Karrieremuster V: Persönlich sinn-haften Werdegang kreieren.Auch wenn sich allein aufgrund der Zahlen keine eindeutigen Aussagen zwischen Karriere-mustern und Personengruppen machen lassen, so werden doch logische Zusammenhängesichtbar, die für Fragen der Geschlechtergleichheit im Zugang zu gesellschaftlichen Positio-nen, aber auch konkret für die Unterstützung in der Karriereplanung im Ausbildungsfeld so-wie in der Konzeption von Personalentwicklungskonzepten in der Unternehmung genutztwerden können.Zentral ist das Ergebnis, dass die fünf identifizierten Karrieremuster ein Spiegelbild darstel-len, wie aktuell die untersuchten Personengruppen mit den Herausforderungen der moder-nen Gesellschaft, mit Globalisierung, Flexibilisierung und Individualisierung umgehen. DerBlick auf die Praktiken ermöglicht, im Kontext der Karrieredebatten eine Perspektive der Ak-teure und Akteurinnen einzunehmen und diese nicht einfach auf Verliererinnen oder Gewin-nerinnen – also als Opfer einer gesellschaftlichen Struktur – zu betrachten. Gerade weil dieKarrierepraktiken durch die Akteurinnen und Akteure selbst hervor gebracht werden, bietensie in der konkreten Personalarbeit direkte Ansatzpunkte um passgenau anzusetzen. DieseZugangsweise verhindert vorschnelle einseitige Zuschreibungen an Männer und Frauen.Denn in der Auseinandersetzung mit den Karrieremustern stellt sich aus der individuellenPerspektive die Frage, wie Personen mit ihrer eigenen Karrierepraktik sich in einem konkre-ten Umfeld zurecht finden. Aus der Perspektive der Organisationen und Unternehmungenstellt sich die Frage, inwieweit ihre Personalentwicklungskonzepte auf die unterschiedlichenKarrieremuster ausgerichtet sind oder ob sie nur einen spezifischen Karrieretyp bedienen.Im Rahmen eines Handbuches werden Anregungen für die praktische Umsetzung des hierentwickelten Karrierekonzepts unterbreitet.
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InhaltsverzeichnisVKarrierekonzeptionen von Frauen und MännernInhaltsverzeichnisAbstract … IIIInhaltsverzeichnis … VAbbildungsverzeichnis … VIITabellenverzeichnis … VIIEinleitung … 11Karriereplanung – Einblick in den aktuellen Forschungsstand … 31.1 Karrieregestaltung aus der Perspektive der Unternehmen … 41.2 Karrieregestaltung als individuelle Anforderung … 122Individuelle Karrierearbeit als gesellschaftlich vermittelte Praktik … 162.1 „ Doing Karriere“ – ein anderer Zugang zur Karrierethematik … 172.2 Forschungsdesign … 182.2.1 Feldspezifische Auswahlkriterien innerhalb der Fachkultur Soziale Arbeit . 192.2.2 Feldspezifische Auswahlkriterien innerhalb der FachkulturPflegewissenschaft … 202.2.3 Feldspezifische Auswahlkriterien innerhalb der Fachkultur Technik … 202.2.4 Feldspezifische Auswahlkriterien innerhalb der Fachkultur Wirtschaft … 202.2.5 Sampling … 212.2.6 Interviewleitfaden / Befragungs- und Auswertungsmethodik … 213Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens … 243.1 Karrieremuster I: Konkrete Lebensposition(en) bewusst anzielen … 243.1.1 Beschreibung des zentralen Phänomens … 243.1.2 Handlungsstrategien … 263.1.3 Auslöser, Treiber des Karrieremusters … 273.1.4 Kontext … 283.1.5 Intervenierende Variable … 283.1.6 Folge … 283.1.7 Fallbeispiele … 293.2 Karrieremuster II: Ungewisse Berufs-, Selbst- und Fremdbilder im Berufswegregulieren … 313.2.1 Beschreibung des zentralen Phänomens … 313.2.2 Handlungsstrategien … 33
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InhaltsverzeichnisVIKarrierekonzeptionen von Frauen und Männern3.2.3 Antrieb … 343.2.4 Kontext … 343.2.5 Folgen … 353.2.6 Fallbeispiele … 363.3 Karrieremuster III: Sich sicher bewegen (lassen) von und in vertrauten Bahnen … 383.3.1 Beschreibung des zentralen Phänomens … 383.3.2 Handlungsstrategien … 383.3.3 Antrieb … 393.3.4 Kontext … 393.3.5 Folgen … 393.3.6 Fallbeispiele … 403.4 Karrieremuster IV: Werte leben können … 413.4.1 Beschreibung des zentralen Phänomens … 413.4.2 Handlungsstrategien … 423.4.3 Antrieb … 423.4.4 Kontext … 423.4.5 Folgen … 433.4.6 Fallbeispiele … 443.5 Karrieremuster V: Persönlich sinnhaften Werdegang kreieren … 443.5.1 Beschreibung des zentralen Phänomens … 443.5.2 Handlungsstrategien … 453.5.3 Antriebskräfte … 463.5.4 Kontext … 463.5.5 Intervenierende Variablen … 473.5.6 Folgen … 473.5.7 Fallbespiele … 483.6 Anmerkung zu den Idealtypen … 504Karrierepraktiken in ihrer Bedeutung für Laufbahn und KarriereplanungEinleitung … 514.1 Verteilung der Karrieremuster innerhalb des Samples … 524.2 Verteilung nach Fachkultur … 544.3 Verteilung nach Geschlecht … 554.4 Verteilung der Karrieremuster nach Berufsalter … 595Ausblick … 61Literaturverzeichnis … 63
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AbbildungsverzeichnisVIIKarrierekonzeptionen von Frauen und MännernAbbildungsverzeichnisAbbildung 1: Klassische versus moderne Karriere (Forrier et al. 2005) … 7Abbildung 2: Typologie von Karrierefeldern (Mayrhofer et al. 2002) … 8Abbildung 3: Einflussfaktoren auf den Karriereerfolg (Karrierefaktoren) nachMayrhofer et al. (2002) … 10Abbildung 4: Bedeutungsverschiebungen von Karrierefaktoren nach Mayrhofer et al. (2002)… 11TabellenverzeichnisTabelle 1: Verteilung der Karrieremuster … 52Tabelle 2: Verteilung nach Fachkulturen … 54Tabelle 3: Verteilung nach Geschlecht … 55Tabelle 4: Verteilung nach Fachkultur und Geschlecht … 57Tabelle 5: Verteilung nach Berufsalter … 59
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Kapitel 0: Einleitung1Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernEinleitungDie gleichberechtigte Möglichkeit von Frauen, „Karriere“ zu machen, gilt als eine wesentlicheZielsetzung öffentlicher und betrieblicher Gleichstellungspolitik. Ausserdem werden Karriere-bzw. Laufbahnplanung im Kontext von Organisationen als ein wesentliches Instrument derMotivation und Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betrachtet und bilden einenzentralen Bestandteil von Personalentwicklungskonzepten.Die bestehende Schwierigkeit von Frauen, Status und hohe Positionen in Wirtschaft, Politikund Hochschulbereich zu besetzen, wird vielfältig diskutiert. Die Abhängigkeit von strukturel-len Rahmenbedingungen, von Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie von männlich ge-prägten Aufstiegskulturen steht in vielen Forschungen und Diskussionen im Zentrum.Einzelne Ergebnisse in der Karriereforschung zeigen auf, dass der Karriereverlauf bei Frau-en meist komplexer (z.B. durch den Konflikt Beruf/Familie) und durch eine grössere Vielfaltvon unterschiedlichen Karriereverläufen gekennzeichnet ist (z.B. längere Phasen der Abwe-senheit durch die Wahrnehmung von Betreuungsaufgaben) (Bimrose 2008). Weitere Ergeb-nisse aus unterschiedlichen Arbeitsfeldern verweisen auf verschiedene Einzelaspekte, dieerfolgreichen Berufskarrieren von Frauen im Wege stehen, wie z.B.:• Obwohl Frauen in der Wirtschaft zunächst einen im Vergleich zu Männern höheren Auf-stiegswillen zeigen, erreichen Frauen weniger oft die angestrebten Positionen (Bischoff2005). Im Unterschied zu Männern lässt die Motivation zu einem weiteren Aufstieg beiFrauen mit der Zeit nach (Bischoff 2005). Als Erklärung bieten sich anteilig andere Le-bensinteressen sowie die eigenen mühsamen Aufstiegserfahrungen an.• Frauen verbleiben häufig in Sachbearbeitungsfunktionen (Domsch 2005).• Frauen werden in der Personalentwicklung nach wie vor vernachlässigt, ihre Karrierelei-ter ist kürzer und lässt sich dennoch nur langsamer erklimmen (Längsschnittstudien da-zu von Mayrhofer 2005, Domsch 2005). Gleichzeitig wird von Personalentwicklern undPersonalentwicklerinnen immer wieder festgestellt, dass Frauen ihre Karrierevorstellun-gen weniger klar äussern als Männer, oder aber nicht erkannt werden.• Im Feld der Sozialen Arbeit werden mehr als 90 Prozent der Führungspositionen vonMännern besetzt, obwohl es sich um einen klassischen Frauenberuf handelt (Bitzan2008)• Klassische Karriereverläufe sind in den Feldern der Sozialen Arbeit kaum institutionali-siert (Schöne, Haller, Wigger 2009).Zudem zeigt die aktuelle Karriereforschung bei Frauen und Männern, dass zumeist Konzepteund Instrumente für die Berufsberatung von Männern konzipiert worden sind, um deren Kar-
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Kapitel 0: Einleitung2Karrierekonzeptionen von Frauen und Männernrierevorstellungen und -entwicklung zu fördern. Die Karriere- bzw. Laufbahnplanung vonFrauen verläuft jedoch im Allgemeinen anders als bei Männern und bedarf deshalb spezifi-scher Instrumente, die auf die Situation und Bedarfe von Frauen abgestimmt sind (vgl. Bim-rose 2008).Noch wenig bis gar nicht beleuchtet wurde in diesem Kontext die Frage, inwieweit die mitt-lerweile sehr breite Palette an Berufsförderprogrammen anschlussfähig ist an konkrete Kar-rierekonzeptionen von Frauen. Denn solange die Angebote an den biographisch verankertenVorstellungen von Frauen vorbei zielen, laufen die Fördermassnahmen zur Gleichstellungins Leere. Bisher wird in verschiedenen Förderprogrammen ebenfalls zu wenig berücksich-tigt, dass Frauen nicht einfach eine homogene Gruppe darstellen, sondern in Abhängigkeitvon• soziokulturellen Mustern• Fach- bzw. Berufskulturen• Berufsalterunterschiedliche Karrierevorstellungen entwickeln. Erst aus der Kombination der verschiede-nen Faktoren konstituieren sich die jeweiligen individuellen Karrierekonzeptionen. Daherkann vermutet werden, dass systematische Unterschiede sowohl zwischen Männern undFrauen als auch unter Frauen selbst bestehen.Ob und welche verschiedenen Karrierepraktiken sich zwischen Frauen oder Männern bzw.zwischen Fachkulturen oder Berufsaltern zeigen, diese Frage wurde im Rahmen eines quali-tativen Forschungszugangs bearbeitet.Ausgehend von begrifflichen Klärungen werden in Kapitel 1 aktuelle Debatten zur Karriere-planung bzw. Karrieregestaltung aus Sicht von Organisationen und aus individueller Per-spektive beleuchtet. Obwohl in diesen verschiedenen Konzepten unterschiedliche Formender Karriere festgestellt werden, wird der Zusammenhang zwischen gesellschaftlich konsta-tierten Veränderungen des Karrieremachens, den gruppenspezifischen Zugängen zu unter-schiedlichen Karriereformen und den individuellen Praktiken des Karrieremachens nichtwirklich thematisiert. Dies hängt mit einem Verständnis des Karrieremachens zusammen,das auf explizite Vorstellungen rekurriert und die Praktiken selbst zu wenig in den Blicknimmt. Der Zugang zur Karriere über die Analyse von Karrierepraktiken wird in Kapitel 2 er-läutert. Im Anschluss daran werden in Kapitel 3 die Ergebnisse des Forschungsprojektes, dieidentifizierten Praktiken des Karrieremachens, ausführlich erläutert. Schliesslich werden inKapitel 4 erste Schlussfolgerungen zur Karrierethematik diskutiert.
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Kapitel 1: Karriereplanung – Einblick in den aktuellen Forschungsstand3Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern1 Karriereplanung – Einblick in den aktuellen ForschungsstandDer Begriff „Karriere“ (lat. Wagen, frz. Laufbahn, Rennbahn) wird in verschiedenen Wissen-schaftsdisziplinen unterschiedlich verwendet. Jenseits des Alltagsverständnisses handeltsich um einen analytischen Begriff, der verschiedene theoretische Konzepte beinhaltet, die inden Disziplinen unterschiedliche Forschungsperspektiven eröffnen (Danusien 2006, Müller2008). Während im allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff „Karriere“ fast immer als einerasche Abfolge von Aufwärtsbewegungen in Organisationen verstanden wird, bedeutet derBegriff in der wissenschaftlichen Diskussion die Folge von objektiv wahrnehmbaren Positio-nen im Zeitablauf und umfasst damit auch Abwärts- und Seitwärtsbewegungen (Becker1999, S. 384).Allerdings wird im deutschen Sprachraum der Karrierebegriff relativ eng mit „beruflichem Er-folg“ verbunden und bezeichnet den „sozialen Aufstieg einer Person durch die Übernahmehöher bewerteter Funktionen in der hierarchisch gegliederten Organisation“ oder aber dendurch „soziale Mobiltät ermöglichten Wechsel von niedrigeren zu höheren Stellen innerhalbeines gesamtgesellschaftlichen Rahmens“ (Hermann 2004, S. 114). Im angloamerikanischenRaum ist hingegen das Verständnis von „career“ weiter gefasst und wird meist mit „Lauf-bahn- und Berufsentwicklung“ gleich gesetzt. Es umfasst die Abfolge verschiedener Berufs-positionen und -rollen, welche eine Person während ihres Lebens besetzt (Mayrhofer 2002,S. 394).Im Sinne einer umfassenderen Betrachtung von Karriere haben sich heute drei verschiedeneKarrierebegriffe herauskristallisiert: die „aufstiegsorientierten Karriere“, welche dem traditio-nellen Karrierebegriff entspricht, eine Vorstellung von Karriere als „Erwerbsarbeit im Zeitab-lauf“ und das Verständnis von „Karriere als universelle Lebensform“ (Hermann 2004, S. 115).Die Karriereforschung unterscheidet zudem zwischen objektiven und subjektiven Karrieren.Eine „objektive Karriere“ beschreibt die Positionsabfolge im Arbeitsleben und damit densichtbaren Teil der Karriere im Sinne einer vertikalen oder horizontalen Mobilitätsbewegung.Die Bewertung des Karriereerfolgs erfolgt unter objektiv nachvollziehbaren Kriterien wie etwaberuflicher Aufstieg, Hierarchieebene und Einkommen. Unter „subjektiver Karriere“ wird diepsychische Verarbeitung der eigenen Karriere verstanden, d.h. die individuelle Bewertungder eigenen Karriereerfolgs. Kriterien zur Beurteilung sind hier beispielsweise die eigenenKarrierezufriedenheit oder die wahrgenommen Karriereoptionen (Meyrhofer 2002, S. 394/5).Eine Karriere kann subjektiv als erfolgreich wahrgenommen, unter objektiven Erfolgskriterienjedoch als wenig erfolgreich eingestuft werden.
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Kapitel 1: Karriereplanung – Einblick in den aktuellen Forschungsstand4Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernKarriereplanung kann einerseits aus Sicht des Individuums und anderseits aus Sicht der Un-ternehmung betrachtet werden. Für beide Parteien gemeinsam ist, dass es sich bei der Kar-riereplanung um die gedankliche Vorwegnahme einer Stellenfolge handelt. (Staehle 1999, S.875) Vor diesem Hintergrund wird eine Laufbahn verstanden als ein Entwicklungsprozess,der ablesbar ist an der individuellen Abfolge von Teilschritten, also den einzelnen Stellen imLebenslauf. (Eckardstein 1971, S. 15ff) Damit wird bereits auf dieser begrifflichen Ebenedeutlich, dass Karriere- oder Laufbahnplanung als ein rationales Geschehen betrachtet wird,zu dem sowohl die Organisationen als auch das Individuum einen Beitrag zu leisten haben.Die Frage nach den Bedingungen des Karriereerfolgs wird daher in der Regel aus der Per-spektive der Unternehmungen oder aus der Perspektive von Individuen bzw. spezifischerGruppen untersucht. Daher werden nachfolgend aktuelle Befunde aus diesen beiden Per-spektiven vorgestellt.1.1 Karrieregestaltung aus der Perspektive der UnternehmenLaufbahnen und Karriereplanung beinhalten aus der Perspektive von Unternehmen zweizentrale Aufgaben: Zum einen geht es um die mittel- und langfristige Optimierung des Per-sonaleinsatzes indem Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen möglichst passend den vorhandenenStellenprofilen zugeordnet werden. Zum anderen wird die Karriereplanung als Instrument derPersonalbindung und Personalentwicklung gerade in Zeiten des Fachkräftemangels zuneh-mend wichtiger.Aus Unternehmensperspektive setzt Karriereplanung einen Vergleich des Qualifikationspro-fils der Zielstelle mit dem Potenzial des/der Mitarbeitenden voraus, um Entwicklungsmass-nahmen zu strukturieren und ein Förderprogramm zu initiieren. Je früherSchulabgänger/innen, Absolventen/Absolventinnen und motivierte Mitarbeiter und Mitarbeite-rinnen durch gezielte Employer-Branding-Aktivitäten für ein Unternehmen begeistert und ge-bunden werden können, umso größer sind die Chancen für eine langfristige produktiveZusammenarbeit (Schuhmacher/Geschwill, 2009; Stotz/Wedel, 2009).Welche betrieblichen Anreize notwendig für die Personalbindung sind, ist Gegenstand ver-schiedener Erhebungen. Während aus Sicht der Human Resource-Manager und-Managerinnen der Hauptgrund für eine hohe Mitarbeiterfluktuation in fehlenden finanziellenAnreizen und Karrieremöglichkeiten liegt, bewerten Arbeitnehmende die finanziellen Aspekteals weniger wichtig. Wichtigste Gründe für den Verbleib sind nach ihren Aussagen, das sozi-ale Umfeld, der Arbeitsinhalt und die Karriereentwicklungsmöglichkeiten. Damit entsteht die
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Kapitel 1: Karriereplanung – Einblick in den aktuellen Forschungsstand5Karrierekonzeptionen von Frauen und Männerngrösste Loyalität zum Arbeitgeber bzw. zur Arbeitgeberin durch ein adäquates soziales Um-feld und die Einhaltung von Karriereversprechen. Insgesamt gesehen scheint die Karriere-entwicklung die Dimension mit der stärksten Wirkung auf die Loyalität, den Verbleib undauch auf die Absicht, die Unternehmung zu verlassen, zu haben. (De Vos/Meganck 2008)Dies deutet darauf hin, dass aus Sicht der Unternehmen die Abstimmung zwischen den indi-viduellen Karriereerwartungen und den angebotenen Karrierewegen eine zentrale Aufgabedarstellt.Dieser Befund ist jedoch im Kontext globalisierter und flexibilisierter ökonomischer Verhält-nisse zu relativieren bzw. zu spezifizieren. Unter wachsendem Kostendruck und einer immerstärkeren Produkt- und Dienstleistungsdifferenzierung sind in den vergangenen Jahren dieFlexibilitätsanforderungen an Unternehmen gestiegen. In der Konsequenz müssen auch Be-legschaften je nach Bedarf und Kompetenzen flexibel angepasst werden können. Arbeits-verhältnisse sind dadurch in ihrem Fortbestand von einer zunehmenden Unsicherheitgeprägt. Die kürzer werdenden Zyklen von Krise und Aufschwung treffen kleinere und mittle-re Unternehmen noch stärker als grosse Organisationen. Der Wechsel von Kurzarbeit zurMehrarbeit, aber auch der Wechsel vom Personalüberhang zu qualitativen und quantitativenPersonaldefiziten, sind bei KMUs besonders herausfordernd. Erschwerend kommen die de-mographische Entwicklung und der sich weiter ausdehnende Fachkräftemangel hinzu.(Grossholz et al. 2012)Vor diesem Hintergrund entwickelt sich seit einigen Jahren der Trend, zur „atmenden Orga-nisation“, wonach Mitarbeitende immer stärker entsprechend der anhaltenden Auftragslagerekrutiert und gehalten werden. Dieser Trend ist in der IT Branche schon länger etabliert.Freelancer/innen und Zeitarbeitnehmer/innen werden häufig in Projekten eingesetzt, um ei-nerseits die gewünschte Flexibilität zu erhalten und anderseits mit Spezialisten und Spezia-listinnen Know-how von aussen zu internalisieren (Computerwoche 16). Das bedeutet, dassUnternehmungen zunehmend mehr personalstrategische Entscheidungen treffen und dieBelegschaft in sogenannte „Rand- und Kernbelegschaft“ einteilen. Diese Zuteilung ist ab-hängig einerseits von den für den Unternehmungszweck notwendigen Schlüsselkompeten-zen und andererseits von der schnellen Verfügbarkeit notwendiger Arbeitsqualifikation aufdem Arbeitsmarkt. Im Kontext der Karrieregestaltung bedeutet dieser Trend, dass die Bin-dungsbemühungen der Unternehmen zunehmend auf das Schlüsselpersonal in ihrer eige-nen Unternehmung zielen. Gemäss Jochmann (2011) beschränkt sich die aktuellePersonalarbeit schwerpunktmässig auf zehn bis 20 Prozent der Kernbelegschaft. Dabei han-delt es sich hauptsächlich um Mitarbeitende im Management und spezialisierte Fachkräfte.
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Kapitel 1: Karriereplanung – Einblick in den aktuellen Forschungsstand6Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernVor diesem Hintergrund steht die Diskussion, inwiefern traditionelle, organisationale Lauf-bahnen ihre Bedeutung als „Normalfall“ einbüssen und die bisher stark von der Unterneh-mensseite geprägten und im öffentlichen Sektor sogar in formalen Laufbahnen mündendenWerdegänge durch sogenannte vom Individuum selbst gesteuerte „boundaryless“ oder „pro-tean“ Karrieremuster abgelöst werden (Arnold/Cohen 2007). Traditionelle Karrieren folgendefinierten Laufbahnen von Unternehmen, indem Mitarbeitende definierte Karriereschrittedurchlaufen. Der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin übernimmt dabei weitgehend die Ver-antwortung für die Entwicklung der Mitarbeitenden. Moderne Karrieren legen die Verantwor-tung für die Laufbahn in die Hand des/der Einzelnen. Dabei sind „boundaryless careers“dadurch gekennzeichnet, dass Karrieren nicht der klassischen Aufwärtsbewegung in einemUnternehmen folgen, sondern räumliche und aufgabenbezogene Wechsel un-ternehmensübergreifend stattfinden und auf die individuelle Situation abgestimmt werden(Arnold/Cohen 2007). Ein „protean“ (proteisches) Karrieremuster zeichnet sich weniger durchphysische Flexibilitätsaspekte, sondern durch die eigenständige individuelle Gestaltung desberuflichen Werdegangs aus (Briscoe/Hall 2006). Im Unterschied zur „boundaryless career“,die vor allem auf Mobilität, Marktbetrachtungen und Nutzenerwägungen basiert, beinhalteteine „protean“ Karriere eher eine Vorstellungen von „Berufung“: „the fulfilment of self throughthe expression and experience of living authentically and sharing the (re)creation of orga-nizations and society“ (Lips-Wiersma/McMorland 2006, nach Cohen 2008). Der Unterschiedeiner “boundaryless” zu einer “protean career” lässt sich pointiert formulieren als „career be-comes the branding of oneself for the purpose of economic exchange rather than the fulfill-ment of self through the expression and experience of living authentically and sharing in the(re)creation of organizations and society through career and vocational anactment“ (Lips-Wiersma/ McMorland 2006, S.148).Eine Gegenüberstellung der klassischen Karriere („bounded career“) und moderner Karriere-formen bietet die nachfolgende Abbildung.
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Kapitel 1: Karriereplanung – Einblick in den aktuellen Forschungsstand7Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernAbbildung 1: Klassische versus moderne Karriere (Forrier et al. 2005)Ob überhaupt und in welcher Form weltweit eine Zunahme von “boundaryless careers” zuverzeichnen ist und sie daher zum prägenden Muster von Karrieren werden, bleibt umstritten(Gerber 2009, Gubler 2011, Gunz 2000, Kattenbach 2011). Diese Frage lässt sich so ab-strakt kaum beantworten, da zwischen den Branchen grosse Unterschiede bestehen. Soexistieren nach wie vor zahlreiche Berufsfelder, in denen Karrieren und Laufbahnen nur überformale Abschlüsse zugänglich sind und bei denen sich die Karriereentwicklung des/der Ein-zelnen in vordefinierten Karriereschritten vollzieht.In einer abstrakten Form greifen Mayrhofer et al. (2002) unter dem Begriff „Karrierefelder“den Aspekt unterschiedlicher Spielregeln für die Karriereentwicklung auf, die in verschiede-nen Branchen erwartet werden können. Sie lehnen darin an Bourdieu an, indem Karrierefel-der unterschiedliche soziale Arenen des Kampfes um die eigene Position darstellen, dienach bestimmten Regeln strukturiert sind. Entlang der Dimensionen „Konfiguration“ und„Koppelung“ entwickeln sie eine Typologie zur Unterscheidung von Karrierefeldern (vgl. Ab-bildung 2).
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Kapitel 1: Karriereplanung – Einblick in den aktuellen Forschungsstand8Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern„Konfiguration“ beschreibt die Veränderung der Zusammensetzung und Variabilität der Be-ziehungs-muster zwischen den Beteiligten. Im Rahmen stabiler Konfigurationen bleiben die-se Muster über die Zeit konstant. Bei variablen oder instabilen Konfigurationen bestehenhäufige Veränderungen. Lose „Koppelungen“ sind dadurch gekennzeichnet, dass Entschei-dungen eines Individuums für die anderen kaum Relevanz besitzen, wohingegen enge Kopp-lungen auf eine gegenseitige Beeinflussung bzw. Abhängigkeit z.B. infolge geringerAlternativen am Arbeitsmarkt hinweisen.Abbildung 2: Typologie von Karrierefeldern (Mayrhofer 2002)Der traditionellen Organisationswelt im Verständnis von Mayrhofer lassen sich z.B. Indust-rieunternehmen zuordnen, insbesondere das Kerngeschäft der Entwicklung und Konstrukti-on, in denen sie in der Regel auf eine Kernbelegschaft angewiesen sind. SelbständigeBerufsfelder, die eine lose Kopplung, aber hohe Stabilität der Akteure aufweisen, finden sichin durch spezifische formale Einstiegshürden geschützten Berufen, etwa bei Anwälten, Än-wältinnen, Steuerberatern, Steuerberaterinnen usw. Demgegenüber ist die Stabilität in nichtgeschützten Berufen, denen viele Beratungsberufe wie Unternehmensberater/innen, Perso-nalberater/innen, IT-Freelancer/innen zugeordnet werden können, deutlich stärker durch dasAuftreten – aber auch wieder Verschwinden – von Akteuren und Akteurinnen gekennzeich-net. Viele Dienstleistungsberufe sowie die „Randbelegschaften“ lassen sich dem „freischwe-
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Kapitel 1: Karriereplanung – Einblick in den aktuellen Forschungsstand9Karrierekonzeptionen von Frauen und Männernbenden Professionalismus“ zuordnen, da hier meist weisungsgebundene Arbeitsverhältnissevorliegen, die aber vergleichsweise schnell – und teilweise vorprogrammiert – wieder gelöstwerden. Mit Bezug auf diese definierten Karrierefelder wird deutlich, dass sich die sogenanntmodernen Karriereformen eher in Feldern mit variabler Konfiguration und loser Kopplung fin-den lassen.Vor diesem Hintergrund lässt sich feststellen, dass neben der traditionellen Karriereformauch moderne Karriereformen an Bedeutung gewinnen und sich abhängig von der Karriere-form auch die Erfolgsfaktoren verändern. So wird intensiv die Frage diskutiert, ob eine Zu-nahme an „boundaryless careers“ für Individuen eher Chancen oder Risiken birgt. Einerseitsbesteht nach Arthur/Rousseau (1996) eine höhere Karriereautonomie und Unabhängigkeitvon organisationalen Arrangements die dem Individuum mehr Einfluss auf die Richtung, dieGeschwindigkeit und Gestalt seiner Karriere überlässt. Andererseits sind „boundarylesscareers“ auch mit einer höheren Unsicherheit verbunden. Infolge wird argumentiert, dass dieBelegschaften sich auf diese wachsende persönliche Unsicherheit einstellen müssen undsich um ihre eigene „Employability“ und „Workability1“ zu kümmern haben. Im Kern dieserAussage steckt die Auffassung, dass Arbeitskräfte um ihren Marktwert besorgt sein sollenund sich selbst um die Aufrechterhaltung und den Ausbau des eigenen Marktwerts kümmernmüssen. Konkret bedeutet das, dass sich die Person nur solche Funktionen aussucht undnur solange ausübt, wie diese zur Steigerung des eigenen Marktwertes beitragen. Ob undinwiefern die eigene Employability tatsächlich selbst hergestellt werden kann, wird unter an-derem von Colakoglu (2011) in Frage gestellt, da nicht nur eigene Fähigkeiten, Motivationenund Verhaltenweisen Einfluss auf den Erfolg von Karriere haben, sondern auch unterschied-lich förderliche oder hinderliche Rahmenbedingungen (Lips-Wiersma/McMorland 2006). ImKontext sich verändernder Karriereformen haben Mayrhofer et al. (2002) nachfolgende Sys-tematik von Karrierefaktoren entwickelt.1„Workability“ als „Arbeitsfähigkeit“ bezieht sich in höherem Masse auf die physischen und psychischen Voraus-setzungen, Beschäftigungsverhältnisse eingehen zu können. Während „Employability“ sich deutlicher auf dieKompetenzen und das Engagement von Arbeitskräften bezieht.
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Kapitel 1: Karriereplanung – Einblick in den aktuellen Forschungsstand10Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernKarrierefaktorBeschreibungOrganisationaleOrganisationaleChancenstrukturStrukturelle Merkmale einer Organisation mit Einfluss auf beruflicheChancen/Karriere (z.B. Funktionen, Positionen)KarrierepfadeffekteFunktionsabfolgen im Stellengefüge einer Organisation und ihr Einflussauf den KarriereerfolgHumankapital-investitionenFähigkeiten, Qualifikationen und Erfahrungen einer Person, die profitabeleinsetzbar sind.TurnierprozessePersönliche Durchsetzung gegenüber Konkurrenten/Konkurrentinnen inder Höhe des Einstiegsniveaus und erfolgter BeförderungenInterpersonaleNetworkingBerufliche und fachliche Beziehungen und/oder persönlicher Aufbau ei-nes BeziehungsnetzesMentoringUnterstützende Beziehung zwischen einer erfahrenen Persönlichkeit undeinem SchützlingIndividuelleLebenszyklus-effekteWahl und Anpassung beruflicher Optionen in typischen Karrierestadien(Exploration, Etablierung, Erhaltung, Abbau)Self-MonitoringFähigkeit von Personen, Situationen zu erkennen und sich je nach Situa-tion angepasst zu verhalten.SelbstwirksamkeitEigene Erwartung einer Person, gewisse Situationen bewältigen zu kön-nen.MachiavellismusErreichen der eigenen Ziele unter Einsatz mikropolitischer Taktiken.GesellschaftlicheChancenstrukturPersönliche, für berufliche Chancen innerhalb einer Gesellschaft relevan-te Merkmale (Aspekte der Primärsozialisation)Abbildung 3: Einflussfaktoren auf den Karriereerfolg (Karrierefaktoren) nach Mayrhofer (2002)
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Kapitel 1: Karriereplanung – Einblick in den aktuellen Forschungsstand11Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernDie Autorenschaft geht davon aus, dass sich in Zukunft die Prozesse zur Leistungserstellunginnerhalb verschiedener Branchen angleichen und vermehrt in variable und lose gekoppelteOrganisationsformen übergehen werden, so dass der/die Einzelne zunehmend gefordert ist,sich immer wieder flexibel in neue Funktionsfelder einzubringen. In einer ausgeprägten Formwird diese Arbeitsorganisation beispielsweise für Arbeitnehmende in der IT-Entwicklung amBeispiel von IBM deutlich. Im Rahmen des Outsourcings von Humanressourcen will IBM zu-künftig IT-Fachkräfte auf einer eigenen Internetplattform anwerben. Dort sollen sich freie Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter aus der ganzen Welt präsentieren und nach von IBMentworfenen Qualitätsmerkmalen zertifiziert werden. Diese Massnahme hat zum Ziel, dieAnzahl der Festangestellten deutlich zu verringern (Mayrhofer 2002).Bedeutung• Gesellschaftliche Chancenstruktur• Networking: viele „weak ties“ bieten neue Chancen• Selbstwirksamkeit: das Vertrauen in die eigenen Kompetenzenwird zum zentralen Stabilitätsfaktor• Self-Monitoring: Wichtiger ist es, sich an verschiedenste Erwar-tungen anderer anpassen zu können, als sich selbst treu zu blei-ben• Macchiavellistisches Verhalten: da die Kopplung loser wird und„alle sich durchwursteln müssen“• Organisationale Chancenstruktur: Organisationen sind immer we-niger für Karrieren verantwortlich• Karrierepfadeffekte: Zufälle und die eigene Employability wiegenstärker als vorausgehende Funktionen• Turnierprozesse: Erfolgreich durchlaufene Turnierprozesse garan-tieren immer weniger Erfolg im nächsten• Lebenszykluseffekte: lebenslange Lernerfordernisse führen dazu,dass Zykluseffekte an Bedeutung verlieren• Mentoring: einzelne „strong ties“ werden weniger wichtig als viele„weak ties“Abbildung 4: Bedeutungsverschiebungen von Karrierefaktoren nach Mayrhofer (2002)Der gesellschaftliche Kontext behält nach Mayrhofer (2005) eine hohe Bedeutung für Karrie-ren, es ändert sich jedoch die Art des Zugangs bzw. die Zugänglichkeit von förderlichen oderhinderlichen Lebenssituationen für die Karriere. Die gesellschaftliche Ausgangssituation hatdemnach mehr Einfluss auf den Erfolg. Um die am besten geeigneten Mitarbeiterinnen undMitarbeiter für Unternehmen zu gewinnen, sie zu binden und sie je nach Bedarf in eine be-trieblich beste Verwendung zu bringen bleibt es für Unternehmen wichtig, auch bei moder-
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Kapitel 1: Karriereplanung – Einblick in den aktuellen Forschungsstand12Karrierekonzeptionen von Frauen und Männernnen Karrieren, die Entwicklung nicht nur dem/der Einzelnen zu überlassen. Für die betriebli-che Karriereförderung sind Unterstützungsformen zentral, die den Mitarbeitenden Perspekti-ven eröffnen und ihre Employability fördern, ohne dem Individuum die Eigenverantwortungfür die Gestaltung der Karriere abzunehmen. Je mehr Unterstützung geboten wird, umso hö-her erweist sich auch die Motivation der Arbeitnehmenden aktiv zu sein (Kuipers/Scheerens2006, Nabi 2000).In der Debatte über veränderte Karriereformen und Karrierefelder wird die Frage ausgeblen-det, wie bei der Entstehung neuer Karriereformen das Zusammenspiel zwischen den sichverändernden Rahmenbedingungen und den konkreten Akteurinnen und Akteurinnen aus-sieht.So liegt der Fokus der Karrieredebatte auch aus individueller Perspektive auf der Thematikder Passgenauigkeit und auf der Frage nach den zentralen individuellen Voraussetzungenfür das Karrieregelingen.1.2 Karrieregestaltung als individuelle AnforderungDie Frage nach der Motivation zum beruflichen Aufstieg, den Karrieremustern und -zielenmuss, wie dargestellt, vor dem Hintergrund eines Vergesellschaftungsprogramms gesehenwerden, in dem das Individuum zunehmend gefordert ist, sein Leben selbst zu organisierenund die Verantwortung für den Verlauf der eigenen Biographie zu übernehmen. Diese Fähig-keit und Notwendigkeit zur biographischen Selbststeuerung bedeutet auf der subjektivenEbene für den Einzelnen und die Einzelne, das eigene Leben in der Auseinandersetzung mitnormativen und institutionellen Vorgaben als „individuelles Projekt“ zu entwerfen.Die selbst gestaltete Karriere bringt steigende Anforderungen mit sich, die alle Kompetenz-bereiche betreffen. Ohne klare Karrierewege müssen Individuen eigene Zielsetzungen undWege formulieren oder selbst Sinn erzeugen. Dies birgt Unsicherheiten (Sennett 1998), diedie Individuen nicht nur ertragen, sondern auch aktiv gestalten müssen. Anforderungen andie eigene Reflexionsfähigkeit sowie Überzeugungen im Hinblick auf das Selbst gewinnenals personale Kompetenzen in unterschiedlicher Schattierung an Bedeutung. „Boundarylesscareers“ erfordern ein proaktives Verhalten, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, Offenheit undein Bewusstsein der eigenen Stärken und Schwächen (vgl. Hall/Mirvis 1996). Im Hinblick auf„protean careers“ wird die Anforderung, eigenständig immer wieder Identität und Sinn zu er-zeugen und die Notwendigkeit eines ausgeprägten Wertbewusstseins konstatiert (Briscoe2006).
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Kapitel 1: Karriereplanung – Einblick in den aktuellen Forschungsstand13Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernHäufig wird in der Literatur eine Unterscheidung der für Karriere notwendigen Kompetenzenentlang der Einteilung „knowing why“, „knowing how“ und “knowing whom“ getroffen (De Fil-lippi/Arthur 1996, Singh et al. 2009, Colagolu 2011). Im Einzelnen wird darunter verstanden:• „Knowing why”: Wissen um eigene Interessen, Bedürfnisse und Erwartungen an Arbeits-/Lebenssituationen; Bewusstsein eigener Motivationen, Identität und Werthaltungen undAnpassung an sich ändernde Gegebenheiten.• “Knowing How”: proaktives Suchen und Ergreifen von beruflichen Möglichkeiten; Wissenund Fähigkeiten in Bezug auf die Erreichbarkeit, Gestaltung und Verfolgung der eigenenLaufbahn und beruflichen Funktionen; permanente Erweiterung der relevanten eigenenWissensbasis.• “Knowing whom”: Aufbau, Unterhalt und Nutzung für die Karriere relevanter Beziehun-gen und persönlicher Netzwerke zum Zweck der Information, Unterstützung oder Ein-flussnahme.Zentral sind darüber hinaus Reflexionskompetenzen, die eine Aktualisierung der notwendi-gen Fähigkeiten für die eigene Karriere wie auch die Beobachtung der eigenen Werthaltun-gen und Motive gewährleisten, so dass Entscheidungen vor dem Hintergrund der genanntenMöglichkeiten getroffen und bewertet werden können (Kuijpers/Scheerens 2006, Kuijpers2011).Die skizzierten Ansätze zur Bestimmung der individuellen Karrierevoraussetzungen abstra-hieren in hohem Masse von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und den eng damit ver-knüpften geschlechts- und milieuspezifischen Zugängen zum Erwerb dieser Kompetenzen.In dieser Betrachtungsweise werden unabhängig von der Individualität und der Branche oderdem spezifischen Arbeitsfeld nur allgemeine Voraussetzungen individueller Karrierefähigkeitfestgehalten.Demgegenüber entwickelten sich aus der Debatte um die Gleichstellung von Frauen undMännern beim Zugang zu Führungspositionen kritische Ansätze, die die berufsspezifischeBetrachtungsweise erweiterten. So erarbeiten Geissler/Oechsle (1994) in ihren „Lebenslauf-modell-Ansatz“ das Modell der „doppelten Lebensführung“, welches durch die Verbindungvon Erwerbsautonomie und Familienpräsenz gekennzeichnet ist. „Zentrales Merkmal ist dieGleichgewichtigkeit der beiden Lebensbereiche Partnerschaft/Familie einerseits und Berufandererseits.“ (Geissler/Oechsle, S. 152) Der Beruf und das Bedürfnis nach Erwerbsauto-nomie haben eine zentrale Bedeutung für die eigene Identität, die nicht vom Wunsch nachPartnerschaft und Familie verringert wird. Da es jedoch keine institutionelle Absicherung derdoppelten Lebensführung gibt, wird die Frage der Vereinbarung von Beruf und Familie letzt-
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Kapitel 1: Karriereplanung – Einblick in den aktuellen Forschungsstand14Karrierekonzeptionen von Frauen und Männernendlich wieder zu einer individuellen Entscheidungsfrage von Frauen und vereinzelten Män-nern, welche im Konfliktfall zwischen Beruf und Kinderversorgung entscheiden müssen unddie praktische Gestaltung der Erwerbstätigkeit den familiären Aufgaben anpassen.Das Modell der „individualisierten Lebensplanung“ stellt nicht nur die Erwerbs- und Familien-arbeit in einen neuen Zusammenhang, sondern thematisiert die qualitativ neue Relation zwi-schen Beruf und Privatleben. „Bezugspunkt ist hier das eigene Selbst, biographischeKontinuität wird als innere Kontinuität im Sinne einer inneren Entwicklung definiert. Auch dis-kontinuierliche Lebensläufe können als erfolgreich im Sinne einer kontinuierlichen Entwick-lung des Selbst bilanziert werden. Massstab des biographischen Handelns ist die möglichstvielseitige Entwicklung der Persönlichkeit.“ (ebd, S. 162) Karriere als das Erreichen einer be-ruflicher Position wird in diesem Modell in eine umfassende Biographiegestaltung eingebet-tet, die die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zum Ziel hat und damit auch andererKompetenzen bedarf. Gegenüber der Erwerbsarbeit ist vor allem das Kriterium der Identifika-tion mit der Arbeit entscheidend und der Handlungsspielraum, den sie für die Selbstbestim-mung und die Selbstverwirklichung eröffnet. Grundlage ist eine qualitativ neue Beziehungsämtlicher Lebensbereiche zueinander, die im privaten Bereich eine partnerschaftliche Ar-beitsteilung im Haushalt und in der Kinderbetreuung beinhaltet. Charakteristisch ist die „re-flexive Struktur biographischer Entscheidungen“ (ebd, S. 163), der kein bestimmtes Modellzugrunde liegt, sondern die einen offenen Prozess darstellt. Das aus den Untersuchungenweiblicher Karriereverläufe gewonnene Modell beschreibt in gewisser Weise eine normativeSetzung, da offen bleibt, inwieweit dieses Modell (das deutliche Bezüge zum Modell der “pro-tean career” aufweist) faktisch realisiert werden kann bzw. von welchen gesellschaftlichenGruppen es umgesetzt wird.Die Besonderheit der Lebensgestaltung von Frauen zeichnet sich durch höhere Konfliktpo-tenziale bei der Vereinbarkeit der unterschiedlichen Lebensbereiche Beruf und Partner-schaft/Familie aus. Denn es sind vor allem die Frauen, bei denen Karriereplanung meist vonBeginn an in engem Zusammenhang zur privaten Lebensplanung steht (Schlüter 2006). Ein-schlägige Studien legen allerdings nahe, dass Strukturveränderungen in der Gesellschaftund auf dem Arbeitsmarkt mit veränderten Geschlechterverhältnissen einhergehen. NeuereForschungsergebnisse zeigen etwa (Pro Familia Schweiz 2011, Bürgisser 2011a/b, Ju-rczyk/Lange 2009), dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zunehmend auch ein The-ma männlicher Karriereplanung darstellt. So äussern Väter klar den Wunsch, sich mehr ander Erziehungsarbeit beteiligen zu können. Gleichzeitig sind aber auch mehr oder wenigerstark ausgeprägte Identitätskonflikte bei der Findung der neuen Rolle(n) festzustellen (Weh-ner 2010). Das dominante Bild des Mannes als Familienernährer eröffnet vielen jungen
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Kapitel 1: Karriereplanung – Einblick in den aktuellen Forschungsstand15Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernMännern scheinbar kaum eine andere Perspektive als zu arbeiten und möglichst einen Berufzu wählen, der ein gutes Einkommen verspricht (Maihofer 2010). Meist wird mit der Vater-schaft für die Männer das Vollzeitmodell obligatorisch, d. h. Männer, die Vater werden, sehenoft keine andere Wahl, als Vollzeit erwerbstätig zu sein, zumal für die Sicherung der Existenzoft zwei Erwerbseinkommen notwendig sind (Levy 2006).Zunehmend kritisch wird in diesem Zusammenhang der Begriff der „Work-Life-Balance“ ge-sehen (Schlüter 2006), da er das konfliktive Verhältnis von Familie und Karriere negiert unddie Vorstellung unterstellt, dass beide Bereiche in eine harmonische Balance gebracht wer-den können. Dieser Ansatz greift jedoch zu kurz, weil er die Verantwortung für Kinder, Haus-halt und Beruf einseitig an das Individuum – in der Regel an die Frauen – delegiert und damitzu einem Problem der individuellen Lebensführung macht. Entsprechend zeigt sich in be-trieblichen Work-Life-Balance-Massnahmen, dass die Vereinbarkeitsleistung an die weibli-chen Mitarbeiterinnen und Führungskräfte delegiert wird (Danusien 2006). Kritikerinnenmerken an, dass der Begriff eine gesellschaftliche Norm formuliert und somit den Blick aufden notwendigen Diskurs über die gesellschaftliche Organisation des sozialen Lebens unddie unterschiedlichen Verantwortlichkeiten verdeckt (ebd).Vor dem Hintergrund des Konzepts der selbstorganisierten Lebensführung und der individu-ellen Verantwortung für die eigene Biographie stellt sich das Problem der „Vereinbarkeit“ derunterschiedlichen Lebensbereiche Partnerschaft/Familie und Beruf. Die Geschlechterfor-schung hat in verschiedenen Studien nachgewiesen (Schlüter 2006), dass zwischen den ge-sellschaftlichen Systemen der Erwerbsarbeit und der Familie systematische Widersprüchebestehen, die in der Struktur der Gesellschaft begründet und eng mit den Geschlechterver-hältnissen verknüpft sind. Die damit gewonnene analytische Perspektive zeigt, dass biogra-phische Karrieren keineswegs nur eine Frage des privaten Wollens oder individuellerberuflicher Pläne sind, sondern die Lebensentwürfe der Subjekte immer im Rahmen gesell-schaftlicher Möglichkeitsräume zu betrachten sind. Die individuelle Karriere ist nicht einfachvoraussetzungslos an die Leistungsbereitschaft und den Willen des Subjekts geknüpft, son-dern abhängig von gesellschaftlichen Bedingungen und institutionellen Vorgaben.Genau an dieser Schnittstelle, an dem Zusammenspiel von gesellschaftlichen Rahmenbe-dingungen und den durch die Akteure, Akteurinnen entwickelten Karrierepraktiken, sind dieerarbeiteten Ergebnisse unserer Forschung angesiedelt. Sie beleuchten damit eine Leerstel-le und gehen der Frage nach, wie denn die einzelnen Frauen und Männer aus unterschiedli-chen Milieus, in unterschiedlichen Branchen und Berufs- bzw. Lebensaltern ihrenKarriereweg gestalten.
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Kapitel 2: Individuelle Karrierearbeit als gesellschaftlich vermittelte Praktik16Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern2 Individuelle Karrierearbeit als gesellschaftlich vermittelte PraktikAusgangspunkt des Forschungsprojektes war die Feststellung, dass Diskussionen im The-menfeld Karriere und berufliche Laufbahn zentral von der Frage dominiert werden, welcheindividuellen Voraussetzungen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine Karriere-wahrscheinlichkeit bestimmen und ein Karrieremuster entstehen lassen und welche Bedin-gungen es sind, die dazu führen, dass Frauen weniger in Führungspositionen zu finden sind.Je nach Ansatz der Studie werden verschiedene Faktoren für die Ungleichheit angeführt:hinderliche Rahmenbedingungen (z.B. der Unvereinbarkeitsdiskurs), die immer noch mani-feste Orientierung an traditionellen Rollenbildern bei der Wahl des Berufsfeldes, männlichgeprägte Organisationskulturen oder geschlechtsspezifisch unterschiedliche Orientierungenin der Lebensführung. Dabei ist zu beobachten, dass niedrigere Ausbildungsabschlüsse alsUngleichheitsbarriere zumindest für Frauen aus der Mittelschicht schon lange nicht mehr zu-trifft.Als gesellschaftliche Reaktion auf den Ungleichheitsdiskurs werden neben der Bearbeitungstruktureller Ungleichheiten zunehmend Fördermassnahmen im privaten und öffentlichen Be-reich ausgeschrieben, welche stärker die individuelle Ebene adressieren („girls day“, „boysday“, Mentoring, frühe Sensibilisierungsprogramme, interne Frauenförderprogramme in Un-ternehmungen etc.). In der Tendenz beinhalten diese Programme implizite Annahmen, diekaum diskutiert werden. So wird die Chancengleichheit in der Erwerbsarbeit und in der Fami-lienarbeit häufig an einer statistischen Gleichverteilung von Männern und Frauen in Füh-rungspositionen oder im Voll- bzw. Teilzeiterwerb festgemacht. Diese strukturelleBetrachtungsweise, die auf die unterschiedliche Verteilung von gesellschaftlicher Macht undVerantwortung verweist, kann jedoch auf der individuellen Ebene der Laufbahnförderung zukurz greifen, da sich die Lebensführung der Frauen und Männer möglicherweise an anderenPräferenzen ausrichtet.Eine zweite Verkürzung besteht bei vielen Studien zur Karrierethematik in der Unterstellung,dass die von Frauen und Männern explizit ausgesprochenen Präferenzen – oft erhoben inForm vorgegebener Skalen – tatsächlicher Handlungsorientierungen widerspiegeln.
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Kapitel 2: Individuelle Karrierearbeit als gesellschaftlich vermittelte Praktik17Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern2.1 „ Doing Karriere“ – ein anderer Zugang zur KarrierethematikDas vorliegende Forschungsprojekt setzt bei den tatsächlichen Handlungsorientierungen anund richtet das Erkenntnisinteresse auf die Frage nach der individuellen „Karrierearbeit“. InAnlehnung an Keupps Konzept der Identitätskonstruktion wird Karriere als ein subjektiverKonstruktionsprozess begriffen, in dem das Subjekt unabhängig vom Geschlecht eine Kohä-renz zwischen innerer und äusserer Welt sucht (Keupp 2002). In der alltäglichen Karrierear-beit schafft das Individuum situativ stimmige Passungen zwischen inneren und äusserenberuflichen Erfahrungen. In der Art und Weise wie die Individuen vor dem Hintergrund vonPluralisierungs-, Individualisierungs- und Entstandardisierungsprozessen der Gesellschaftdiese Passungsarbeit leisten, spiegelen sich unterschiedliche individuelle „Karrierekonzepti-on(en)“. Unserem Verständnis nach handelt es sich daher bei „Karrierekonzeption(en)“ um„Praktiken der Karrierearbeit“, die auf eine spezifische Art und Weise beschreiben, wie dasIndividuum im Handeln mit seinen biographischen Besonderheiten und den gesellschaftlichKarrierevorstellungen umgeht und individuell für sich sinnhaft Karriere herstellt.Dahinter steht das handlungstheoretische Leitparadigma der „Theorie sozialer Praktiken“,wonach Handlungen in eine umfassende, sozial geteilte und durch ein implizites, methodi-sches und interpretatives Wissen zusammengehaltene Praktik sind eingebettet, dem soge-nannten „Doing“ (Reckwitz 2003). Durch diese Perspektive gelingt es im Rahmen desForschungsprojektes einen Blick auf die (Re-)Produktion neuer sozialer Entwürfe von Män-nern und Frauen hinsichtlich ihrer Karriere und beruflichen Laufbahn zu werfen. Denn „Prak-tik(en) der Karrierearbeit“ sind zugleich individuell und gesellschaftlich und damit immer auchAusdruck einer gesellschaftlichen Konzeption von Karriere, die in konkreten Berufsverläufenvon Frauen und Männern zum Ausdruck kommt. Die Perspektive auf das „Doing“ kann aberumgekehrt auch für individuelle Berufsverläufe als Orientierungsrahmen genutzt werden, in-dem erkennbar wird, wie jeder und jede Einzelne zwischen äusseren gesellschaftlichen Be-dingungen und Anforderungen von Karriere und beruflichem Verlauf auf der einen Seite undeigenen Vorstellungen und Bedürfnissen auf der anderen Seite vermittelt. Will Karriere- undBerufsförderung vor diesem Hintergrund gezielt ansetzen, so gilt es, die „Praktiken der Karri-erearbeit“ mit ihren jeweiligen Besonderheiten zu erkennen, die sich in individuellen Verläu-fen auf sehr unterschiedliche Art und Weise zeigen.Im Zentrum dieses Forschungsprojektes steht ein deskriptiv-analytischer Zugang zum The-ma Karriere und nicht die Frage nach den Ursachen unterschiedlicher Karrieren bzw. denVoraussetzungen für eine Karriererealisierung aus Sicht von Unternehmen oder Individuen.Wir gehen davon aus, dass sich in der Karrierearbeit vieler Einzelner allgemein gesellschaft-
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Kapitel 2: Individuelle Karrierearbeit als gesellschaftlich vermittelte Praktik18Karrierekonzeptionen von Frauen und Männernliche Praktiken von Karrierearbeit finden lassen, also mit Max Weber (1980) gesprochen,Idealtypen der Karrierearbeit, die mit Blick auf die einzelnen Personen wiederum eine Orien-tierungsfunktion übernehmen. Darüber entsteht eine Differenzierung von Karrierepraktiken,die nicht vorschnell eine geschlechtsspezifische Zuschreibung vornimmt und damit selbstwieder zur Etablierung der Geschlechterunterschiede beiträgt.Bevor die Ergebnisse dieser Studie dargestellt werden, folgt eine Erläuterung des For-schungsdesigns.2.2 ForschungsdesignDie theoretischen Vorannahmen des „Doing Karriere“ sind handlungsleitend für die For-schungsanlage. Wenn es zutrifft, dass die individuellen Karrierepraktiken Ausdruck einerPassungsarbeit zwischen eigener biographischer Struktur und gesellschaftlichen Deutungs-mustern von Karriere sind, dann ist es zunächst notwendig, auf der Basis narrativer Le-benserzählungen die individuellen Muster der Karrierearbeit2 zu rekonstruieren. Insofernhandelt es sich bei dieser Forschung um eine explorative qualitative Studie.Vor diesem Hintergrund wurden folgende erkenntnisleitende Forschungsfragen formuliert:Welche Karrieremuster lassen sich bei Frauen und Männer aus den Fachkulturen Pflegewis-senschaft, Soziale Arbeit, Technik und Wirtschaft bei gleicher Ausbildung identifizieren?Können in Abhängigkeit von Berufsalter, Fachkultur und Geschlecht typische Karrieremusteridentifiziert werden?Ob und inwieweit eine logisch nachvollziehbare Zuordnung einzelner Karrieremuster zu denKategorien Geschlecht, Fachkultur und Berufsalter möglich und sinnvoll ist, kann vor demHintergrund dieses theoretischen Zugangs erst nachrangig diskutiert werden.Für die Bearbeitung der Forschungsfrage entschied sich das Forschungsteam im nächstenSchritt für die Durchführung biographisch-narrativer Interviews in Anlehnung an Schütze(1983) und Corbin/Strauss (1996). Um möglichst vielfältige Karrieremuster in den Blick zubekommen, wurde zunächst ein konzeptioneller Rahmen für das theoretische Sampling der2Obwohl der Projekttitel die Frage nach den Karrierekonzeptionen stellt, sind wir im Verlauf des Forschungs-prozesses zu dem Schluss gekommen, dass der Begriff Karrieremuster – verstanden als eine spezifische Aus-prägung individueller Karrierearbeit – angemessener ist, da der Begriff der Konzeption vorschnell mit explizitenVorstellungen von Karriere verknüpft wird. Explizite Vorstellungen sind jedoch immer nur ein Teil umfangreicherindividueller Karrierepraktiken.
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Kapitel 2: Individuelle Karrierearbeit als gesellschaftlich vermittelte Praktik19Karrierekonzeptionen von Frauen und Männernindividuellen Fälle entwickelt. Dabei war das Prinzip der maximalen Kontrastierung aus-schlaggebend.Um im zweiten Schritt Vergleiche zwischen Geschlecht, Fachkulturen und Berufsalter zu er-möglichen, sollten je zur Hälfte Frauen bzw. Männer aus den vier definierten Fachkulturen in-terviewt werden. Beim Berufsalter waren es vor allem drei berufsbiographisch relevanteZeitpunkte im objektiven Verlauf der Berufslaufbahn, die wir in den Fokus genommen haben.Zum einen haben wir Studierende am Ende des Bachelorstudiums (Juniors), zum zweitenPersonen mit fünf bis acht Jahren Berufserfahrung (Professionals) sowie Personen mit 10bis 18 Berufsjahren (Seniors) befragt. Mit diesen drei Berufsaltersgruppen konnten wir si-cherstellen, dass spätestens in der Gruppe der Professionals für alle Personen die Frage derLebensform bzw. der Familienplanung als altersspezifische Entwicklungsaufgabe explizit o-der implizit zum Thema geworden ist.Die Auswahl der Fachkulturen Pflegewissenschaft, Soziale Arbeit, Technik und Wirtschaftauf dem tertiären Ausbildungsniveau orientiert sich an den relevanten Ausbildungs- bzw. Be-rufszweigen der FHO Fachhochschule Ostschweiz. Da sich das Projekt in diesem Rahmenverortet, liegt hier mit Blick auf die Einordnung der Ergebnisse ein wesentlicher Analysefo-kus. Dem theoretischen Sampling liegt die Annahme zugrunde, dass die Fachkultur implizitund explizit unterschiedliche Karrieremuster vermittelt und jede Fachkultur selbst eine hoheBinnendifferenzierung in Abhängigkeit von folgenden Faktoren aufweist: einerseits die Bran-che, in der eine Person tätig ist, andererseits innerhalb einer Branche die Betriebs- bzw. dieOrganisationsgrösse sowie die jeweilige betriebliche Funktion, die sich durch die Aufgaben-logik als Fach-, Misch- oder vorherrschende Managementaufgabe spezifizieren lässt. Vordiesem Hintergrund wurden weitere fachspezifische Auswahlkriterien abgeleitet.2.2.1 Feldspezifische Auswahlkriterien innerhalb der Fachkultur Soziale ArbeitFür die Soziale Arbeit, die eine grosse Variation von Arbeitsfeldern aufweist, werden zweigrosse Arbeitsfelder unterschieden, die beide dem klassischen Bereich der Non-Profit-Organisationen angehören. Arbeitsfeld 1: ambulante oder stationäre pädagogische Alltags-begleitung/Unterstützung. Beispiele sind die offene Jugendarbeit, Kinderheime und die Be-hindertenbetreuung. Das so definierte Feld ist anschlussfähig an den angebotenenStudiengang der Sozialpädagogik. Arbeitsfeld 2: gesetzlich basierte ambulante Aufsichts-,Beratungs-, Unterstützungsarbeit. Beispiele sind die Sozialen Dienste, Bewährungshilfe oderSozialdienste und Kinderschutzbehörden. Das so definierte Feld ist anschlussfähig an denStudiengang der Sozialarbeit.
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Kapitel 2: Individuelle Karrierearbeit als gesellschaftlich vermittelte Praktik20Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern2.2.2 Feldspezifische Auswahlkriterien innerhalb der Fachkultur PflegewissenschaftFür den Bereich Pflegewissenschaft wurde das Arbeitsfeld Spitex als ambulant organisierteeher kleinere Pflegeorganisation mit dem Arbeitsfeld Spital als vergleichsweise grosse Orga-nisationseinheit kontrastiert und mit dem dritten Arbeitsfeld der Langzeitpflege in Pflegehei-men ergänzt. Aufgrund der vorhandenen Feldkenntnisse kann davon ausgegangen werden,dass sowohl in der Spitex als auch in der Langzeitpflege das sich schnell verändernde Spe-zialwissen weniger benötigt wird und sich daher für den Wiedereinstieg bzw. Teilzeitarbeitsehr gut eignet.2.2.3 Feldspezifische Auswahlkriterien innerhalb der Fachkultur TechnikEntsprechend dem Grundsatz der grösstmöglichen Kontrastierung wurden unter dem Kriteri-um der Geschlechtergleichheit Arbeitsfelder ausgewählt, in denen Frauen in grösserer bzw.in geringer Anzahl vertreten sind. Zusätzlich wurde das Genderkriterium der Lohngleichheitbzw. Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern als Auswahlkriterium für die einzelneBranche hinzugenommen. Deshalb wurden die Bereiche Bauingenieurwesen und Architekturals Arbeitsfeld mit einer geringen Frauenquote und die IT-Branche, in der mehr Frauen ver-treten und die Lohnunterschiede geringer sind, ausgewählt.2.2.4 Feldspezifische Auswahlkriterien innerhalb der Fachkultur WirtschaftAls Branche mit hohen Lohnunterschieden und damit hoher Geschlechterungleichheit wurdedas Finanzwesen (Kreditgewerbe) als Arbeitsfeld 1 ausgewählt. Deutlich geringere Lohnun-terschiede finden sich demgegenüber in der Industrie. Mit dieser Kontrastierung konnte auchder Unterscheidung zwischen Grossunternehmen und KMUs gewährleistet werden. Als KMUgelten Unternehmen bis 249 Mitarbeiter. Sie stellen rund 67 Prozent der Schweizer Unter-nehmen dar. Die Kriterien Unternehmensgrösse und branchenspezifische Geschlech-tergleichheit wurden dabei kombiniert.
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Kapitel 2: Individuelle Karrierearbeit als gesellschaftlich vermittelte Praktik21Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern2.2.5 SamplingVor dem Hintergrund dieser konzeptionellen Überlegungen zur Samplinstrategie wurde in-nerhalb des Projektteams der Zugang zu den einzelnen Fachkulturen verteilt und durch zweiProjektmitarbeiter/innen zentral koordiniert. Dabei erfolgte der Zugang zu den Befragten amEnde des Bachelorstudiums (Juniors) durch unsere Direktansprache der Studierenden anverschiedenen Fachhochschulen der Deutschschweiz. Der Zugang zu den berufserfahrenenInterviewpartnerinnen und -partnern geschah über Multiplikatoren und Multiplikatorinnen derPraxispartner/innen und über weitere Unternehmen, soziale Einrichtungen und Verbände, zudenen wir zum Teil über die jeweiligen Fachbereiche direkten Zugang hatten. Allerdings er-wies sich dabei auch, dass nicht alle Gruppen gleich gut erreichbar waren. So konnten z.B.keine Männer aus dem Arbeitsfeld der Spitex ausfindig gemacht werden, so dass hier dieFallzahl nach unten korrrigiert werden musste. Auch erwies sich der Zugang zu Technikernund Technikerinnen als schwieriger als erwartet, so dass im Sample die Verteilung zwischenden Fachkulturen leicht von der geplanten Gleichverteilung abweicht.Vor diesem Hintergrund wurden 83 biographisch-narrative Interviews im Zeitraum von Mitte2010 bis Ende 2011 durchgeführt, davon waren• 42 Frauen, 41 Männer• 29 Juniors, 26 Professionals, 28 Seniors• 23 aus der Sozialen Arbeit, 22 aus der Gesundheit, 20 aus der Wirtschaft und18 aus der Technik2.2.6 Interviewleitfaden / Befragungs- und AuswertungsmethodikDer Interviewleitfaden wurde in Anlehnung an Schütze so aufgebaut, dass Narrationen zuden Episoden des beruflichen Werdeganges generiert werden konnten. In einem zweitenSchritt wurden diese Erzählungen – wo notwendig – durch Nachfragen weiter vertieft oderergänzt. In einem dritten Schritt wurden die Personen aufgefordert, ihr eigenes Karrierever-ständnis zu erläutern und ihren bisherigen beruflichen Werdegang mit Blick auf ihr eigenesKarriereverständnis einzuschätzen.Die Durchführung der Interviews erfolgte einerseits durch die einzelnen Mitglieder des Pro-jektteams. Andererseits konnte ein erweiterter Kreis von 15 Interviewern und Interviewerin-nen, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus allen vier Fachbereichenrekrutiert werden. Alle Interviewer/innen wurden im Rahmen einer dreitägigen internen Wei-terbildung zur „Qualitativen Sozialforschung am Beispiel der Biographieforschung“ im Mai
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Kapitel 2: Individuelle Karrierearbeit als gesellschaftlich vermittelte Praktik22Karrierekonzeptionen von Frauen und Männernund Juni 2010 an der FHS St.Gallen in die narrative Interviewführung und die hermeneuti-schen Auswertungsmethode der Grounded Theory eingeführt, damit sie über die theoreti-schen und praktischen Grundlagen der Interviewführung und -auswertung verfügten.Koordiniert wurde die Interviewdurchführung und -auswertung durch zwei zentrale An-sprechpartner/innen im Projektteam, die zum einen für die Fachkulturen Soziale Arbeit undGesundheit, zum anderen für die Bereiche Technik und Wirtschaft zuständig waren. Nach-dem die einzelnen Interviews verteilt waren, wurden die Interviews in der Regel am Arbeits-ort der befragten Personen durch die Interviewer/innen durchgeführt. Die Dauer dereinzelnen Interviews lag dabei zwischen einer und zwei Stunden. Anschliessend wurde dieTranskiption durch das Institut für Soziale Arbeit an der FHS St.Gallen organisiert unddurchgeführt und wieder an die InterviewerInnen zurückgestellt, da diese in der Regel auchdie Personen waren, die die Interviews auswerteten. Um möglichst diffenrenzierte Auswer-tungen zu erhalten, erfolgte die Auswertung der einzelnen Interviews nicht nur durch eineeinzelne Person. Im Rahmen der Weiterbildung wurden Tandems gebildet, die sich im Aus-wertungsprozess der Interviews jeweils unterstützten.Zunächst wurden alle Einzelfälle mit folgenden drei Frageperspektiven ausgewertet:1. Welches Verlaufsmuster zeigt sich im Einzelfall? Basierend auf der Biographieanalysevon Schütze wurden die Prozessstrukturen der individuellen Verlaufskurve in den Blickgenommen und dokumentiert (Schütze 1983).2. Auf welche expliziten Vorstellungen von Karriere wird in jedem Einzelfall zurückgegrif-fen? Anhand einer qualitativen Inhaltsanalyse wurden in jedem Einzelinterview die expli-ziten Vorstellungen von Karriere herausgearbeitet (Mayring 2008).3. Was ist das „Doing Karriere“ im Einzelfall und in welchem Bedingungsgefüge ist es ver-ankert? Die Rekonstruktion erfolgte in Anlehnung an die Grounded Theory(Strauss/Corbin 1996), da durch die Analyse des zentralen Phänomens des Doings Kar-riere in seinem jeweiligen Bedingungsgefüge die Verknüpfung von individuellem und ge-sellschaftlichen Faktoren unmittelbar zum Thema wird. Auf diese Art und Weise werdendie in den Praktiken liegenden spezifischen Merkmale sichtbar, anhand dessen sich dieindividuelle Karrierearbeit begrifflich fassen lässt.Aus erkenntnistheoretischen und forschungsmethodischen Gründen wurden in einer erstenPhase zunächst die Juniors ausgewertet, danach die Gruppe der Seniors und erst zumSchluss die der Professionals. Nach der Auswertung der Einzelinterviews in den Tandemswurden alle weiteren Auswertungsschritte kollektiv im Forschungsteam vorgenommen.
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Kapitel 2: Individuelle Karrierearbeit als gesellschaftlich vermittelte Praktik23Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernAnschliessend an die Einzelfallanalysen fand – basierend auf dem ausgewerteten Sampleder Juniors und der Seniors – kontrastierend eine Realtypenbildung statt, d.h. entlang vonaus dem Material generierten Merkmalsräumen des Doing Karriere und des Verlaufs wurdenGemeinsamkeiten der einzelnen Fälle herausgearbeitet und unter abstrakteren Begrifflichkei-ten gebündelt. Auf der Basis der 83 Einzelfälle konnten fünf Realtypen und vier biographi-sche Strukturmuster identifiziert werden. Demgegenüber zeigten die explizitenKarrierevorstellungen wenig Varianz. Hier wurde deutlich, dass sich in den expliziten Karrie-revorstellungen bekannte gesellschaftliche Deutungsmuster wiederfinden, die Karriere imSpannungsfeld von gesellschaftlichem Statuserwerb, der Identifikation mit der Sache unddem Anspruch auf Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung bewegen.Ausgehend von den herausgearbeiteten Realtypen wurden im letzten methodischen SchrittIdealtypen gebildet, indem nach logischen Zusammenhängen zwischen einzelnen Realtypendes „Doing Karriere“, den herausgearbeiteten biographischen Verlaufsmustern und den fest-gestellten gesellschaftlichen Deutungsmustern von Karriere gesucht wurde.Die fünf identifizierten Idealtypen verweisen auf die Wesenskerne konkreter Karrieremuster,auch wenn sie in dieser ausformulierten Form in der Realität nicht in dieser Eindeutigkeitvorkommen. Denn nach Max Weber bildet ein Idealtypus eine Erkenntnisfolie für das Verste-hen von realen Fällen, da „das Ergebnis auf mehrere Erscheinungen und Prozesse ihrerHerausbildung anwendbar ist […]. Aber genau in dieser Vereindeutigung dient er der Klärungder Logik dessen, was wir in der Wirklichkeit finden“ (Pryzborski/ Wohlrab-Sahr 2009, S. 329;Weber 1980).Die Idealtypenbildung wurde in einem letzten Auswertungsschritt durch die Zuordnung dereinzelnen Fälle validiert. Dazu stellten wir jeweils die Frage, ob und wie eindeutig sich dieFälle den gebildeten Idealtypen zuordnen liessen – dies im Wissen darum, dass die fakti-schen Fälle in der Vielfalt ihrer Erscheinungsformen sehr wohl in den Details abweichenkönnen. Trotzdem zeigte sich, dass die einzelnen herausgearbeiteten Karrieremuster in derRegel einem Idealtyp eindeutig zugeordnet werden konnte.Die fünf identifizierten Karrieremuster als Ausdruck unterschiedlicher Karrierearbeit werdenim nächsten Kapitel vorgestellt.
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens24Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern3 Fünf Handlungsmuster des KarrieremachensDie Darstellungsform der fünf aus dem Fallmaterial gewonnenen Karrieremuster orientiertsich an der Grounded Theory (Strauss/Corbin 1996). Zuerst wird das zentrale Phänomen inseinen einzelnen Facetten beschrieben, anschliessend in seinem Bedingungsgefüge erläu-tert und im letzten Schritt mit typischen Fällen veranschaulicht.3Die gewählten Begrifflichkeiten und Bilder sind dabei analytisch-deskriptiv zu verstehen undstellen keine positiven oder negativen Bewertungen der verschiedenen Karrieremuster dar.Mit anderen Worten: Ob eine Laufbahn subjektiv als positiv gelingend oder als belastendnichtgelingend erlebt wird, ist nicht abhängig von dem praktizierten Karrieremuster.3.1 Karrieremuster I: Konkrete Lebensposition(en) bewusst anzielen3.1.1 Beschreibung des zentralen PhänomensDas Karrieremuster ‚Konkrete Lebensposition(en) bewusst anzielen‘ zeichnet sich durch einerelativ klare Zielperspektive aus. Personen mit diesem Karrieremuster wissen oft schon rela-tiv früh, welche gesellschaftliche Position sie in ihrem Leben anstreben möchten und gestal-ten mit Blick auf diese Position ihren Lebens- oder/und Berufsweg.Die verschiedenen Fälle zeigen, dass die angestrebten Lebenspositionen vielfältig sind undsich unterschiedliche Ausprägungen unterscheiden lassen:Hierzu gehören Personen, die explizit eine Karriereposition in der Berufswelt anstreben, umein Optimum an gesellschaftlicher Anerkennung, materiellen Wohlstand und einen hohen in-dividuellen Gestaltungsspielraum in der Berufswelt und im privaten Leben für sich zu ermög-lichen. Diese Orientierung ist eng mit der Überzeugung verknüpft, dass ein hoher sozialerStatus in unserer Gesellschaft in der Regel durch die berufliche Position erreicht wird. Ent-scheidungen zur Ausbildungs- und Berufswahl, zum konkreten Arbeitsfeld bis hin zum Un-ternehmen bzw. zur Organisation werden vor dem Hintergrund der Erreichbarkeit derangestrebten Position getroffen.3Ausgehend von den Fällen erfolgte bei der Auswertung nach der offenen Codierung der Schritt des axialen Co-dierens mit der Frage nach den zentralen Handlungsstrategien, den Ursachen, Bedingungen und intervenieren-den Variablen, den daraus abzuleitenden Folgen und der Ausarbeitung eines Bedingungsgefüges wurdeanschliessend mit dem Schritt des selektiven Codierens das zentrale Phänomen identifiziert. In der Ergebnisdar-stellung wurde der umgekehrte Weg gewählt. Die Geschichte jedes Karrieremusters wird sozusagen vom Endeher, vom zentralen Phänomen aus, erzählt.
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens25Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernAndere Personen streben eine Art Selbstverwirklichungsposition an, d.h. eine Position, vonder sie sich ein höheres Mass an Selbstbestimmungsmöglichkeiten gerade auch im Ver-gleich zu ihrem Herkunftsmilieu oder zu traditionellen Rollenvorstellungen versprechen. Per-sonen dieser Gruppe werden z.B. eine höhere Führungsposition ablehnen, wenn sie sichvon einem Status als Spezialist oder Spezialistin mehr berufliche Selbstverwirklichung ver-sprechen.Innerhalb dieses Karrieremusters gibt es Personen, die oft schon in der Kindheit ein klaresInteresse an einem Sachgebiet bei sich wahrnehmen und daran anknüpfend in relativ jungenJahren gezielt eine konkrete Berufsposition anstreben. Betrachtet man innerhalb der Fälledas Spektrum der angezielten Berufspositionen, so kann zwischen klassischen Führungs-funktionen – die häufiger von Personen aus den Arbeitsfeldern Wirtschaft und Gesundheit –,und Fachfunktionen – die häufiger im Bereich Technik und Soziale Arbeit angestrebt werden– unterschieden werden.Im Material fällt schliesslich eine vierte Spielart von angestrebter Lebensposition auf, diehäufiger von Frauen angestrebt wird. In dieser Spielart geht es um das Anstreben von Teil-positionen in verschiedenen Lebensfeldern wie Berufswelt, familiäres und gesellschaftlich-öffentliches Feld, aus der sich die angestrebte Lebensposition zusammensetzt.Das Anzielen von konkreten Positionen entspricht den alltäglichen Vorstellungen von Karrie-re, auch wenn diese eng mit der klassischen Führungskarriere verknüpft ist und das Anstre-ben anderer Positionen weniger im Blick hat. Letztlich geht es jedoch in denunterschiedlichen Positionsvorstellungen nach Bourdieu (1985) um das Anstreben einesspezifischen Platzes im Sozialen Raum. Nach Bourdieu entscheidet die Position im SozialenRaum über die individuellen Gestaltungschancen, sowohl mit Blick auf das eigenen Lebenals auch auf die Gesellschaft, da die Zugangschancen zu den relevanten Kapitalsorten (ma-terielles, kulturelles und soziales Kapital) über die jeweiligen Positionen vermittelt werden.Zentral für dieses Karrieremuster ist die Vorstellung der Akteure und Akteurinnen, dass ihnendas Erreichen einer Position spezifische Lebenschancen eröffnet – sei es durch die über ei-ne Position vermittelte gesellschaftliche Anerkennung, durch den hohen fachlichen Gestal-tungsspielraum oder die eigene Zeitautonomie. Innerhalb dieses Karrieremuster lassen sichzwei Formen unterscheiden: einerseits die Gruppe, die über eine Position in der Arbeitswelteine Lebensposition anstrebt; und andererseits die Gruppe, die gleichzeitig in verschiedenenLebensfeldern – in der Arbeit, im privaten Bereich sowie in der Öffentlichkeit – Teilpositionenanstrebt, die sie miteinander verbinden möchte. Der Unterschied zwischen diesen beidenKarrieremustern liegt darin, dass die angestrebten Teilpositionen in den verschiedenen Le-bensfeldern gleichzeitig angestrebt bzw. bearbeitet werden mit dem Risiko, dass bei auftau-
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens26Karrierekonzeptionen von Frauen und Männernchenden Unvereinbarkeiten sie aufgefordert sind Prioritäten zu setzen. So müssen sich die-se Personen damit auseinandersetzen, welchen Teilpositionen sie bei Unvereinbarkeitenden Vorrang geben sollen, zum Beispiel der angestrebten beruflichen oder der privaten Teil-position.Studien zu beruflichen Sozialisationsprozessen von Frauen zeigen, dass diese in der Regelschon sehr früh ihr Augenmerk auf lebensfeldspezifische Teilpositionen richten. Frauen stre-ben also häufig parallel die Position einer erfolgreichen Partnerin und Mutter sowie die Posi-tion einer erfolgreichen Berufsfrau in der von ihnen gewählten Branche an. Demgegenüberkonzentrieren sich Männer in der Regel auf das Anstreben einer Position im Berufsfeld. Dazugehört heute jedoch auch, dass sie Erwartungen an ihre familiäre Rolle in ihre beruflichePlanung einbeziehen. Sehr viel seltener finden sich bei Männern Verläufe, in denen Teilposi-tionen im Beruflichen wie im Privaten parallel mit der gleichen Energie angestrebt werden.Männliche Muster, so könnte innerhalb dieses Idealtyps gesagt werden, fokussieren auf dasAnstreben beruflicher Positionen. Die Ansprüche an die eigene Partner- bzw. Familienrollewerden zwar wahrgenommen, aber immer noch der beruflichen Position untergeordnet. Da-her stellt sich das Problem aus dieser Perspektive eher als eine Frage der Vereinbarkeit oderWork-Life-Balance Thematik dar. Diese Formulierungen verdecken jedoch den zentralen Un-terschied im Rahmen des hier diskutierten Karrieremusters. Es ist ein klarer Unterschied, obdie individuelle Lebensposition über Teilpositionen in verschiedenen Lebensfeldern oderüber eine berufliche Position angestrebt wird. Für die Interpretation ist es wichtig zu sehen,worin sich innerhalb dieses Idealtypus das männliche „Doing“ deutlich vom weiblichen„Doing“ unterscheidet.3.1.2 HandlungsstrategienTrotz Unterschiede in den Positionsvorstellungen lassen sich für diese Gruppe gemeinsameHandlungsstrategien identifizieren, die dieses Karrieremuster auszeichnen. Die individuelleHerausbildung von klaren Positionsvorstellungen – so zeigen die Fälle – ist ein aktiver Pro-zess. Diese Personen lassen sich nicht einfach von bildhaften, unhinterfragten Vorstellungenleiten, sondern setzen sich analytisch mit verschiedenen Positionsmöglichkeiten auseinanderund entwickeln konkrete Vorstellungen sowohl von der Position selbst als auch von den ein-zuschlagenden Wegen. In allen Fällen kann eine relativ hohe Leistungsbereitschaft festge-stellt werden, die häufig mit einer hohen Belastungsfähigkeit und einer grossen Flexibilitätverbunden ist. Die Fallmaterialien zeigen, dass hier nicht einfach von einem blinden Karrie-restreben, sondern eher von einem auf die angestrebte Position bezogenen kalkulierten,nutzenabwägendem Vorgehen gesprochen werden kann. Dieses „Doing Karriere“ basiert auf
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens27Karrierekonzeptionen von Frauen und Männerneinem nutzenabwägenden Verhältnis zum eigenen Berufs- bzw. Lebensweg und erfordertvon den Akteurinnen und Akteuren einen aktiv planerisch gestaltenden Zugang wie auch ei-ne reflexive Distanz zum eigenen Tun. Die Neugier auf Neues, die Suche nach neuen Her-ausforderungen,einekontinuierlicheLernbereitschaftsowieerfolgreicheBewältigungsstrategien gehören ebenfalls zum Handlungsrepertoire dieses Musters. Die hieraufgezeigten Handlungsstrategien zeichnen sich durch ein hohes Mass an Reflexivität aus,da die eigene Befindlichkeit, aber auch die eigenen Fähigkeiten und Interessen sowie dieRahmenbedingungen im Arbeitsfeld kontinuierlich mit Blick auf die anzuzielende Positionanalysiert werden, um bei stärkeren Abweichungen von der angestrebten Position neue Ent-scheidungen in die Wege leiten zu können. In nur wenigen Fällen laufen diese Wege schein-bar ohne jede Anstrengung. In vielen Fällen sind Hindernisse und Rückschläge Bestandteilder eigenen Erfahrungen, die das Repertoire der eigenen Bewältigungsstrategien festigenund erweitern.3.1.3 Auslöser, Treiber des KarrieremustersFragt man danach, wodurch dieses Karrieremuster energetisch genährt wird, so stellt einegut ausgeprägte Selbstwirksamkeitsüberzeugung die Basis des intrinsischen Antriebes dar.Die innere Überzeugung, eine konkrete Lebensposition anstreben zu wollen und zu können,bildet sich oft bereits am Ende der Sekundarschulzeit heraus – etwa in Form eines emotionalbedeutsamen Interesses an einem Arbeitsfeld. So finden sich in diesem Sample Personen,die schon früh wissen, welche Fähigkeiten und Neigungen sie haben, oder Männer undFrauen, die schon in jungen Jahren einen konkreten Positionswunsch vor Augen hatten. DenZeitpunkt des Bewusstwerdens von sich Selbst oder der eigenen Positionswünsche bringendie Befragten in den Erzählungen häufig mit Familienerlebnissen, wichtigen Schlüsselperso-nen oder Schlüsselereignissen in Verbindung (wie dem Auszug aus dem Milieu oder Tren-nung/Tod der Eltern).44Zu dem phasenspezifischen Verlauf dieses Bewusstwerdungsprozesses vgl. das von Felix Bühlmann aus sei-ner qualitativen Studie abgeleitete Phasenmodell. Er unterscheidet bei Führungskarrieren folgende Phasen: 1.Aufwachen als individueller Ausbruch, 2. Bestätigung, Ablösung und neue Banden bei der Mauserungsphase, 3.die Versuchsphase und die Suche eines Karriereankers und schliesslich 4. Aufstieg und Konsolidierung (Bühl-mann (2011): Aufstiegskarrieren in der Schweiz. In: Swiss Journal of Sociology 37 (3) 2011, 439-459).
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens28Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern3.1.4 KontextWerden die verschiedenen Einzelfälle betrachtet, so zeigt sich, dass sich dieses Karriere-muster in spezifischen Kontexten herausbildet. Diese Kontexte lassen sich abstrakt als ‚gutausbalanciertes, fördernd-forderndes Milieu‘ beschreiben. Sowohl die persönliche Einbettungin die Herkunftsfamilie und die Peergroups als auch die schulischen Erfahrungen werdensubjektiv als fordernd, aber letztlich unterstützend erlebt. Diese Grunderfahrung spiegelt sichdarin, dass die meisten Personen aus dieser Gruppe auch im Erwachsenenalter ein ähnlichförderliches Umfeld aktiv suchen. So betont diese Personengruppe die unterstützende Be-deutung von Partner, Partnerin, von der eigenen Familie, den beruflichen Netzwerken oderden Freizeitbeziehungen für ihre Positionserreichung.3.1.5 Intervenierende VariableEin Blick auf die verschiedenen Verläufe zeigt, dass die intervenierenden Variablen mehr-heitlich positiv bewertete Ereignisse sind, die das eigene Positionen-Anzielen unterstützt ha-ben (z.B. unerwartete Angebote, türöffnender Chef, chanceneröffnendes Auslandsangebot).In einzelnen Erzählungen werden belastende Episoden beschrieben (z.B. nicht bestandenePrüfung, schwieriger Chef, stagnierende Firmenkultur), die zwar mit negativen Gefühlen ver-bunden sind, retrospektiv jedoch als wichtige Bewältigungserfahrung bewertet werden, wel-che die Person persönlich weitergebracht hat. Im Unterschied zu anderen Karrieremusternfällt in dieser Gruppe auf, dass die Bewältigung schwieriger Phasen zu einer höherenSelbstwirksamkeitserfahrung führt und damit zu der Bestätigung, dass das Anstreben dergewünschten Position im Bereich der eigenen Möglichkeiten liegt.3.1.6 FolgeDie Folge des Zusammenspiels von innerer Überzeugung und Orientierungsgewissheit, re-flexiv ausgerichteten Handlungsstrategien mit hoher Leistungsbereitschaft und unterstützen-dem Umfeld ist ein sich selbst verstärkendes Karrieremuster, das sich als relativ stabil unddamit eben auch erfolgreich erweist. Die Überzeugung, sich im Rahmen förderliche KontexteSchritt für Schritt eine Lebensposition erarbeiten zu können, verstärkt die schon früh erlebteSelbstwirksamkeit.Instabilitäten innerhalb dieses Karrieremusters können in erster Linie durch kritische Leben-sereignisse ausgelöst werden, die die Erreichbarkeit der angestrebten Position ganz grund-sätzlich in Frage stellen (z.B. durch eigene Krankheit oder strukturelle Massnahmen wie
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens29Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernBetriebsschliessungen). Das Anstreben einer Lebensposition über verschiedene Teilpositio-nen scheint demgegenüber mehr Unsicherheiten mit sich zu bringen, da diese stärker vonden externen Rahmenbedingungen der verschiedenen Lebensfelder abhängig ist. Abhängig-keitsfaktoren sind zum Beispiel die Erwartungen des Partners, der Kinder, des privaten Net-zes an die zeitliche Verfügbarkeit von Frauen oder betriebliche Vorgaben, die höhereFührungsfunktionen nur an Vollzeitbeschäftigte vergibt.Es liegt auf der Hand, dass das Andocken an vorgegebenen Laufbahnen innerhalb diesesKarrieremusters dann am einfachsten ist, wenn die individuell angezielte Position über einekonkrete berufliche Position angestrebt wird und wenn in den ausgewählten Arbeitsfelderninstitutionalisierte Karrierewege angeboten werden. Je individualisierter die eigene Positi-onsvorstellung ist und je stärker sie von den in der eigenen Branche üblichen Positionsange-boten abweicht, umso individueller werden die eingeschlagenen Wege und eine grösserepersönliche Gewissheit ist notwendig, um die angestrebte Position zu erreichen.3.1.7 FallbeispieleNachfolgend werden vier Fälle vorgestellt, die diesem Idealtyp entsprechen und die sich imWesentlichen durch die konkreten Positionsvorstellungen unterscheiden.Als Beispiel für das Anstreben einer konkreten Berufsposition steht Herr A5 (Junior/ Wirt-schaft), ein junger Mann, der schon als Kind klare Vorstellungen von seinem späteren Be-rufsfeld, dem Bankensektor, hatte. Sein Interesse an Zahlen und Geld verbindet er schonfrüh mit dem Anstreben einer konkreten Funktion. So ist für ihn die Position eines Geschäfts-leiters auf einer regionalen Bank ein realistisches Ziel. Sein individuelles Karrieremuster lässtsich als ‚Umsichtiges Gestalten der eigenen Lebenskarriere‘6 beschreiben. Umsichtig gestal-tet er seine Lebenskarriere, indem er eine konkrete berufliche Position anstrebt und auf die-se bezogen, sorgfältig die einzelnen Schritte von Ausbildung, Praxis, Weiterbildung,Stellenwechsel auswählt und diese immer wieder mit Blick auf die Zielerreichung auswertet.Herr A lebt zum Zeitpunkt des Interviews in einer Partnerschaft mit einer beruflich ebenfallsambitionierten Frau. Interessant ist an diesem Fall, dass Herr A seine berufliche Wunschpo-sition lokal ausrichtet und damit die Vorstellung verbindet, dass mit dieser Begrenzung – imUnterschied zu einer Führungsposition in einer Grossbank – eine gleichberechtigte Partner-schaft im Erwerbsleben und eine gemeinsame Familiengründung realistisch ist.5Die Fälle sind anonymisiert und werden im Bericht mit Grossbuchstaben versehen.6In den Falldarstellungen sind das Zentrale Phänomen des Einzelfalls und die herausgearbeiteten Kategorien ineinfache Anführungsstriche gesetzt.
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens30Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernDemgegenüber orientiert sich Herr B (Senior/Gesundheit) weniger an einer konkreten beruf-lichen Funktion als vielmehr an einer Karriereposition im Gesundheitssektor. Sein „Doing“lässt sich als ‚Verwirklichung der eigenen Karrierevorstellungen‘ beschreiben. Er sucht ge-zielt berufliche Positionen, die ihm ein Optimum an beruflicher Weiterentwicklung ermögli-chen und ihn auf diese Weise zu Berufspositionen führen, in denen er sich beruflich undauch persönlich weiterentwickeln kann. Herr B hat sich zum Physiotherapeuten ausbildenlassen mit der klaren Absicht, daran anschliessend eine Pflegeausbildung zu absolvieren.Nach verschiedenen Berufsstationen hat er zurzeit eine leitende Funktion in der Inneren Me-dizin inne. Aus dieser Funktion heraus plant er bereits die nächste Weiterbildung, einen MASin Health Management.Auch Frau C (Senior/Technik) lässt sich aufgrund ihres „Doings“ diesem Idealtyp zuordnen.Ihre aktuell erreichte Position als selbständige Architektin mit eigenem Büro ist für sie derGarant ihrer eigenen Freiheit und Unabhängigkeit – und zwar persönlich wie beruflich. Ver-knüpft ist die angestrebte und über verschiedene Schritte auch erreichte Position mit derVorstellung, auf diese Weise am besten ihre beruflichen Leidenschaften leben zu können. Ihr„Doing“ lässt sich beschreiben als ‚Leidenschaftlich auf ihre Traumposition hinarbeiten‘. Soarbeitete sie zunächst in für ihre Branche wichtigen Schlüssel-KMUs. Während dieser Phaseals Angestellte suchte sie sich Herausforderungen, um sich optimal auf die angestrebteSelbständigkeit vorzubereiten. Aktuell lebt sie diese Selbstständigkeit mit grosser Leiden-schaft und viel Spass, auch wenn das Aufrechterhalten der erreichten Position von ihr erfor-dert, ein von kompetitiven männlichen Strategien durchsetztes Feld aktiv zu bearbeiten.Die angestrebte Lebensposition von Herrn D (Senior/Soziale Arbeit) zielt auf eine beruflicheFunktion, die in eine spezifische Lebensweise eingebettet ist. Ihm geht es um die Aufhebungder institutionell etablierten Trennung von Beruf und Privatleben, von beruflichen und priva-ten Lebenswelten. Die Arbeit mit der Klientel ist für ihn mit der Vorstellung der grösstmögli-chen Selbstbestimmung verbunden. Eine solche Position lässt sich jedoch kaum iminstitutionalisierten Feld der Sozialen Arbeit finden. Daher richtet Herr D seinen Berufswegmit dem Ziel aus, ein eigenes Heim als Familienunternehmen zu gründen. Die Heimaner-kennung empfindet Herr D als den eigentlichen Startpunkt seines Karriereerfolgs. Sein„Doing“ lässt sich als ‚Unternehmerische und familiäre Selbstverwirklichung‘ beschreiben, fürdie er immer wieder kämpfen muss und die er über vielfältige Strategien aufrechterhält. Sosucht er Wege aus dem Dilemma der Rollenvielfalt, die sowohl das private Netz als auchstaatliche Aufsichtsinstanzen von ihm fordern. Er geht verschiedene Kompromisse ein, umletztlich sein Lebensprojekt „über den Tod hinaus“ absichern zu können.
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens31Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernAllen vier beschriebenen Fällen ist gemeinsam, dass sich die Personen von der angestreb-ten bzw. erreichten Position spezifische Gestaltungschancen für sich und ihre Lebensweltenversprechen. Sie verbindet die individuell in unterschiedlichen Sozialisationskontexten ge-wachsene Überzeugung, dass sie selbst Einfluss auf ihre Position im Sozialen Raum neh-men können. So individuell die Entstehungsbedingungen für diese biographisch gewachseneÜberzeugungen sind, so sichtbar wird in den zugeordneten Fällen (21 Fälle, 25% des ge-samten Samples), dass die jeweiligen Herkunftsfamilien über überdurchschnittliches gesell-schaftlich Kapital verfügen (materielles, kulturelles, soziales Kapital). Während dieSpannbreite beim materiellen und kulturellen Kapital zwischen den verschiedenen Her-kunftsmilieus relativ gross ist, verfügen sämtliche Herkunftsmilieus über ausreichendes sozi-ales Kapital.3.2 Karrieremuster II: Ungewisse Berufs-, Selbst- und Fremdbilder imBerufsweg regulieren3.2.1 Beschreibung des zentralen PhänomensAuffallend an diesem Karrieremuster ist die Orientierung an Selbst- und Fremdbildern in derGestaltung der eigenen beruflichen Laufbahn. Im Unterschied zum Idealtypus I stehen hierkeine klaren Ziele, sondern Bilder mit sehr unterschiedlichen Inhalten als Orientierungsfolieim Vordergrund. Bildhafte Vorstellungen haben zunächst den Vorteil, dass sie konkret fass-bar und oft auch einen höheren emotionalen Gehalt als abstrakte Positionsvorstellungen ha-ben. Allerdings zeigt sich, dass die Orientierungsfunktion für die Gestaltung und Planungeines Werdeganges in Abhängigkeit von den jeweiligen Bildern sehr unterschiedlich ausfällt.Konkret lassen sich innerhalb dieses Karrieremusters unterschiedliche Bildinhalte unter-scheiden.Zum einen finden sich in dieser Gruppe Personen, die vermittelt über emotional bedeutsameErlebnisse (z.B. Krankenhausaufenthalt als Kind) oder emotional bedeutsame Schlüsselper-sonen konkrete Zustandsbilder von einer beruflichen Rolle oder Tätigkeit entwickelt haben.Viele Kinder und Jugendliche entwickeln im Verlauf ihrer Biographie solche Bilder, deren In-halte meist mit positiven Gefühlen verknüpft sind. Der Unterschied besteht hier jedoch darin,dass die Bilder dieser Personengruppe auch im jugendlichen bzw. jungen Erwachsenenalternoch als wichtige Orientierungsfolie dienen. Ihre Orientierungsfunktion zeigt allerdings Gren-zen, denn konkrete Zustandsbilder (z.B. das Bild eines anerkannten Arztes am Krankenbett,eines CEO mit Chauffeur und Luxuslimousine auf dem Weg zum Flughafen oder einer Inge-nieurin im Overall allein in einer grossen Maschinenhalle) enthalten zwar ein hohes Identifi-
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens32Karrierekonzeptionen von Frauen und Männernkationspotenzial, jedoch keine Hinweise, auf welchen Wegen die positiv besetzen Bilder er-reichbar sind und welche Fähigkeiten benötigt werden, um diese Funktion einzunehmen.Auch eröffnen diese Zustandsbilder nur bedingt einen Zugang zur beruflichen Alltagsrealität,die mit dieser Funktion verknüpft ist. Wirken diese Zustandsbilder hintergründig – sozusagenhinter dem Rücken einer Person – im beruflichen Werdegang weiter, dann dienen sie derAufrechterhaltung der individuellen Motivation, ohne dass die Bilder konkrete Orientierungs-folien bieten. Daher besteht die Gefahr, dass die reale Berufswelt im Vergleich zu den ten-denziell idealisierten Bildern ständig Enttäuschungen produziert.Eine zweite Spielart ungewisser Bilder sind in der Kindheit entstehenden Selbst- undFremdbilder, die aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit zu einer zwiespältigen Orientierung füh-ren. Die Differenz kann sich auf eigene Neigungen oder Fähigkeiten oder auf die Bewertungvon Rollen und Funktionen wie auch auf die mit einem beruflichen Werdegang verbundenenniedrigen oder hohen Statuserwartungen beziehen. Ungewiss wird die Orientierung dann,wenn diese Differenzen nicht explizit, sondern an für die Person nicht verhandelbaren unddaher unausgesprochenen Bildern festgemacht werden. So stellt beispielsweise dasFremdbild der naturwissenschaftlich unbegabten Frau die naturwissenschaftlichen Neigun-gen eines Mädchens in Frage, weil dieses Bild für das Mädchen eine reale Welt darstellt.Ebenso kann die bildliche Fixierung unvereinbarer gesellschaftlicher Milieus oder Rollen, diemit beruflichen Funktionen verknüpft sind, dazu führen, dass Entscheidungen für oder gegenden beruflichen Aufstieg getroffen werden. Die Fallauswertungen machen deutlich, dass die-se wirkmächtigen Bilder den Akteuren und Akteurinnen nicht bewusst sind. Die besondereQualität dieser Bilder liegt in ihrer Widersprüchlichkeit, die die Orientierung deutlich er-schwert, so dass eigene Entscheide immer wieder von Ungewissheit geprägt sind.Eine dritte Spielart wirkmächtiger Bilder ist ein ungewisses Selbstbild, das im beruflichenWerdegang reguliert wird. Ein unscharfes Selbstbild führt mit Blick auf eigene Interessen,Neigungen, Fähigkeiten, Wertschätzung und Selbstwirksamkeit dazu, dass im beruflichenWerdegang nach einer Schärfung des Bildes gesucht wird. Es gilt auszuprobieren, was dieeigene Person ausmacht und worin die eigenen Bedürfnisse und Fähigkeiten bestehen.Das Besondere dieses Karrieremusters besteht darin, dass diese Personen bei der Gestal-tung ihres Berufsweges diese Bilder hintergründig aktiv bearbeiten. So fällt auf, dass Einzel-ne Stellen wählen oder wieder verlassen, weil die berufliche Alltagswelt dem Vergleich zumidealisierten Berufsbild nicht standhält. Andere sind eigentlich nicht auf der Suche nach einerberuflichen Funktion, sondern nach dem eigenen Selbstbild. Sie haben Schwierigkeiten dieOrientierungen, welche die Arbeitswelt anbietet, mit sich selbst zu verknüpfen. Hier findensich Personen, die sich Vieles vorstellen können und nach einer konkreten Entscheidung
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens33Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernZweifel haben, ob sie die richtige Entscheidung getroffen haben. Die Akteure und Akteurin-nen lassen sich einerseits von hintergründigen Bildern leiten, andererseits regulieren sie imBerufsweg ihre eigene Ungewissheit, in dem sie sich an den eigenen expliziten und implizi-ten wirkmächtigen Bildern abarbeiten. Die Regulierung des durch diese Bilder mit erzeugtenBerufswegs wird durch eine subjektiv mitschwingende Unsicherheit bei der Ausbildungs- undBerufswahl, bei anstehenden Entscheiden für einen neuen Betrieb oder eine neue Funktionsichtbar.3.2.2 HandlungsstrategienDas Karrieremuster ‚Ungewisse Berufs-, Selbst- und Fremdbilder im Berufsweg regulieren‘ist eng mit spezifischen Handlungsstrategien verknüpft. Die Bearbeitung der Ungewissheitsteht im Zentrum der Handlungsstrategie. Dazu gehört die Fähigkeit, sich entscheiden zukönnen, ohne sich in den Entscheidungsgrundlagen sicher zu fühlen. Dies drückt sich darinaus, dass Personen mit diesem Muster häufig berichten, sich aufgrund von Bauchgefühlenzu entscheiden. Eine Strategie im Umgang mit der eigenen Ungewissheit ist die Suche nachobjektiven Entscheidungskriterien, die Delegation von Entscheidungen an das Umfeld sowieder Versuch, sich in den eigenen Entscheidungen an Kolleginnen und Kollegen zu orientie-ren. Andere versuchen die Unsicherheit im Trial-and-Error-Verfahren zu bearbeiten. DieseHandlungsstrategien führen dazu, dass diese Personengruppe einen Umgang mit der eige-nen Unsicherheit finden muss, und sei es einfach nur, diese Unsicherheit auszuhalten. Dieskann bei abweichenden Selbst- und Fremdeinschätzungen ein hohes Mass an Spannung er-zeugen. In diesen Situationen können sowohl Strategien des Vermeidens oder Verdrängensals auch der Kompromissbereitschaft im Material beobachtet werden. Insgesamt lässt sichfeststellen, dass die Personengruppe im Rahmen dieses Karrieremusters ein hohes Enga-gement im beruflichen Werdegang zeigt. In einzelnen Fällen wechselt berufliches Engage-ment mit Phasen eines von Selbstzweifeln genährten Rückzugs oder Sich-Rausnehmens.Die eigene Unsicherheit wird meist an unscharfen Berufsbildern, unklaren Pflichtenheftenoder nicht transparenten Erwartungen der Führung festgemacht. Das besondere Merkmaldieses Karrieremusters besteht darin, dass vordergründig ein je individueller Berufsweg ge-staltet wird und hintergründig die mitgenommenen Bilder bearbeitet werden. Das benötigtdoppelte Energie, was in einzelnen Fällen dazu führen kann, dass die unbewussten Bilderden Werdegang stärker regulieren, als der Person bewusst ist.
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens34Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern3.2.3 AntriebAntrieb des Karrieremusters sind durch bildliche Vorstellungen erzeugte Ungewissheiten, dieim Berufsweg reguliert werden. So löst ein ungewisses Selbstbild die Suche nach Selbstge-wissheit aus. (Keupp 2001, Krappmann 1973) Diese spiegelt sich etwa in beruflichen Ent-scheidungen, die vordergründig an Sachinteressen, Fähigkeiten und Neigungen ausgerichtetsind, die hintergründig jedoch durch das Bedürfnis nach persönlicher Anerkennung (vermit-telt über Chefs, Teams, Fachkollegen) oder gesellschaftlicher Anerkennung (vermittelt übereinen sozialen Status) bestimmt werden. Ein anderer Antreiber für den beruflichen Werde-gang liegt in divergenten Erwartungen aufgrund ungewisser Selbst- und Fremdbilder, denendiese Personen genügen möchten: Was bedeutet das Eigene in Abgrenzung zu den Aus-senerwartungen? Wie wirkt sich die Verwirklichung eigener Interessen auf die Zugehörigkeitzur Familie, zum Milieu, zu einer Berufskultur aus? Diese Ungewissheiten werden im Be-rufsweg hintergründig ausbalanciert. Bei den idealisierten Zustandsbildern ist es die emotio-nale Kraft des Bildes selbst, das vorder- und hintergründig als Zielperspektive dient.3.2.4 KontextBei den Fällen, die diesem Karrieretypus zugeordnet werden, entfaltet sich das Karrieremus-ter in einem stark familiär geprägten Kontext. Je nach familiärer Konstellation lassen sichverschiedene Ausprägungen unterscheiden. Es finden sich familiäre Milieus, die vermitteltüber die Eltern bzw. nur den Vater oder die Mutter Leistungs- und Aufstiegserwartungen vor-geben, an denen sich die Akteure und Akteurinnen oft relativ ungebrochen orientieren. DieFamilie fungiert hier als emotional bedeutsamer Ort für die eigene Orientierung. Ist dieseemotionale Verankerung weniger gegeben und differieren die Selbst- und Fremdbilder, kanndiese ausgeprägte Erwartungshaltung schon früh zur Entwertung der eigenen Interessenund Neigungen und damit zu einem spannungsreichen Verhältnis von Selbst- und Fremdbildführen. Schliesslich kann die emotionale Verankerung im familiären Milieu auch dazu führen,dass die eigene berufliche Entwicklung durch Zugehörigkeitserwartungen oder Zugehörig-keitsbedürfnisse begrenzt wird.In einer weiteren Variante führt die subjektiv fehlende familiäre Unterstützung zur Ungewiss-heit über sich selbst und damit auch zur Ungewissheit darüber, ob der eingeschlagene Le-bensweg sinnvoll, individuell leistbar und gesellschaftlich anerkannt ist.In allen Fällen wird deutlich, dass Ungewissheit erzeugende Berufs-, Selbst- und Fremdbil-der, die im Berufsweg reguliert werden, oft mit einem familiären Herkunftsmilieu oder und mitbedeutsamen frühen schulischen Erfahrungen verknüpft sind.
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens35Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernWie stark diese Bilder ihre Wirkung entfalten, hängt von den Möglichkeiten der Auseinander-setzung ab. In einzelnen Fällen zeigt sich, dass bestimmte berufliche Situationen dazu füh-ren, dass die latenten Bilder explizit und dadurch für die Betroffenen verhandelbar werden.So äussert ein Senior aus der Technik, dass es verschiedene berufliche Stationen benötigte,bis ihm bewusst wurde, von welchen Bildern er sich bisher habe leiten lassen. Das Be-wusstwerden ermöglichte ihm, sich von bestimmten Bildern zu verabschieden und „seineneigenen Weg zu gehen“.Werden die beruflichen Werdegänge dieses Karrieremusters betrachtet, so lässt sich fest-stellen, dass bei vielen Personen kritische Lebensereignisse (eigenes unerwartetes Leis-tungsversagen, erlebte massive Entwertungen in der Kindheit, negative Verlaufsprognosenin der Schule, Verlust von wichtigen Bezugspersonen) intervenierende Variablen sind, diediese individuelle Ungewissheit mit initiiert haben. Allerdings finden sich in verschiedenenEinzelfällen auch Schlüsselpersonen (z.B. Lehrkräfte, Jugendarbeiter/innen, Lehrmeis-ter/innen), welche die fehlende familiäre Förderung kompensiert und in ihrer Funktion auchdie Auseinandersetzung mit den fixierten Bildern vorangetrieben haben.3.2.5 FolgenVor dem geschilderten Hintergrund kann gesagt werden, dass in diesem „Doing“ emotionalbedeutsame Bilder den persönlichen Werdegang durchwirken. Auf den ersten Blick fallendiese Verlaufsmuster kaum auf. Viele Personen mit diesem Karrieremuster steigen in vorge-gebene Laufbahnen ein. Charakteristisch ist ihr Entscheidungsmuster, das sich häufig situa-tiver Entscheidungsparameter bedient: kurzfristiger individueller Nutzen, Aufwand und Ertragin konkreten Konstellationen, Risiko von Anerkennung bzw. Nichtanerkennung, Entschei-dungen für Orte oder Milieus. Das Bauchgefühl oder das Trial-and-Error-Verfahren im Ent-scheidungsprozess verweisen auf nicht bewusste, hintergründige Entscheidungsparameter.Dieser Entscheidungsmodus führt dazu, dass sie vor sich selbst und anderen nur beschränktbegründen können, warum sie diesen Weg einschlagen haben was sie genau von einer Wei-terbildung oder einer neuen Funktion erwarten. Wird ihr Weg durch Ereignisse, eigene Be-findlichkeiten oder durch andere in Frage gestellt, kann die latente Unsicherheit manifestwerden und stärkere Zweifel an der Sinnhaftigkeit des eigenen Weges auslösen. Dieser Ent-scheidungsmodus führt dazu, dass diese Personen den Eindruck formulieren, ihre beruflicheLaufbahn sei nur sehr begrenzt planbar und stark von Zufällen oder Gelegenheiten abhän-gig.
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens36Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern3.2.6 FallbeispieleStellvertretend für idealisierte Zustandsbilder als Orientierungsfunktion steht Frau E (Junior/Gesundheit). Ihr „Doing“ zeichnet sich durch ein ‚Anstreben von Idealvorstellungen im Un-gewissen‘ aus. Es sind einprägsame, frühkindliche Bilder von helfender, religiös motivierterPflege, die bei ihr schon früh den Pflegeberufswunsch gefestigt haben. Diese bildhaften Vor-stellungen wirken bei Frau E hintergründig als Bewertungsfolie einer von ihr im Berufsein-stieg erfahrenen Pflegelandschaft, in der im Unterschied zu ihrem Pflegebild handfesteKompetenzen, Ausbildungsabschlüsse, Leistungsorientierung und Karrierebereitschaft zäh-len. Frau E ist sich unsicher, ob ihr idealisiertes Bild gesellschaftlich anerkannter Hilfe nur inihrem Betrieb oder aufgrund ihrer Anfängerinnen-Position nicht gelebt werden kann oder obdies für den gesamten Pflegebereich gilt. Ihre Unsicherheit wird noch verstärkt durch aus ih-rer Sicht fehlende Karrieremodelle. Da die Ausbildungslandschaft im Pflegebereich aktuell imUmbruch ist, weiss Frau E nicht einzuschätzen, auf welche verlässlichen Wege sie sich ein-stellen kann.Ein anderes Beispiel stellt Herr F (Junior/Soziale Arbeit) dar. In seinem Werdegang sind eszunächst auseinanderklaffende Selbst- und Fremdbilder, die ihn von einen wenig leistungs-starken Schüler zum Fotoangestellten werden lassen, der eine FH-Ausbildung in SozialerArbeit absolviert, die schliesslich zu einer akademischen Laufbahn führt. Zu Beginn seinesanvisierten Universitätsstudiums resümiert Herr F mit gewissem Erstaunen: „Ich habe Karrie-re gemacht – so für das, was ich auch schon gedacht habe, was einmal aus mir wird“. Sein„Doing“ charakterisiert eine sich entwickelnde Karrierepassion, die er mit zunehmender Be-stätigung betreibt. Es wird deutlich, dass sein Bild von Karriere unmittelbar mit dem akade-mischen Werdegang verknüpft ist. Dieses Bild – verstärkt durch eine akademisch geprägteFamilie und Verwandtschaft – scheint seinen Werdegang nachhaltig zu regulieren. Demge-genüber tritt das Interesse an Sachinhalten (Lehre, tertiäre Ausbildung, Studium) deutlich inden Hintergrund. Dass es sich bei Herrn F eher um ein Bild als um eine Positionsvorstellunghandelt, zeigt sich darin, dass er keinerlei Vorstellungen über eine angestrebte Position ent-wickelt, die er über das Studium erzielen möchte.Demgegenüber steht Frau G (Senior/Wirtschaft) zwischen dem von ihrem Herkunftsmilieugeprägten Familienfrauenbild und dem leistungsorientierten Bild, dass durch persönlichenEinsatz vieles erreichbar ist. Das ihr in der Schule zugeschriebene Bild einer „Hilfsschülerin“löst bei Frau G eine hohe Leistungsbereitschaft aus, um das Fremdbild zu entkräften. Aller-dings scheint ihr „Doing“ – ‚Leistungsorientiertes Anpassen mit dem Aufgreifen von Karriere-gelegenheiten‘ – durch das verankerte Familienfrauenbild an Grenzen zu stossen. Frau Gäussert auf ihre berufliche Zukunft bezogen: „Irgendwo wird mich die Work-Life-Balance da-
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens37Karrierekonzeptionen von Frauen und Männernvon abhalten, noch fünf Karriereschritte zu machen“. In diesem Punkt grenzt sie sich von ih-ren männlichen Berufskollegen ab, da sie nicht das Gefühl verspürt, „sie müsse noch denKarriereschritt haben“. Frau G reguliert in ihrem Lebensweg also verschiedene Bilder – einaus der frühen Schulzeit resultierendes kränkendes Bild einer schwachen Schülerin, dem siemit Unterstützung der Eltern eine hohe Leistungsbereitschaft entgegensetzt. Dies korres-pondiert mit ihrer Vorstellung, dass nur die erbrachten Leistungen zählen und zum Erfolgführen. Karriere – ein scheinbar männliches Privileg – ist für Frau G jedoch keine Option. Siestaunt, dass andere ihren beruflichen Werdegang als Karriere beschreiben. In ihrer eigenenWahrnehmung stellt sich dies nicht so dar. Es scheint, dass sie bewusst oder unbewusst ih-ren eigenen Positionserfolg als Anlageberaterin herunterspielt und fast ausschliesslich aufgute Mentoren zurückführt. Offensichtlich weicht ihr eigener Werdegang vom individuell ver-ankerten Frauenbild ab. Aus Sicht von Frau G besteht die Gefahr, dass sie beruflich „abhe-ben“ könnte. Aber dagegen, so teilt sie im Interview mit, schützt sie ihr Mann, der alsHandwerker beim ersten Kind teilweise Hausmannfunktionen übernommen hat, und ihr eige-ner Entschluss, höchstens noch in der Horizontale Karriere zu machen.Ganz anders gelagert ist die Ungewissheit bei Herrn H (Junior/Technik). Sein bisheriger Wegzeichnet sich durch den Kampf gegen Orientierungslosigkeit aus. Herr H erklärt seine Orien-tierungslosigkeit mit den externen Rahmenbedingungen, die ihm keine objektiven Entschei-dungskriterien zur Gestaltung seiner beruflichen Laufbahn liefern. Seine Angst, sich vorzeitigfestzulegen und sich dadurch wichtige Möglichkeiten zu verspielen, bestimmt hintergründigseine einzelnen Entscheidungen. In ihm hat sich ein Bild entwickelt, dass Karriere und Füh-rungsrollen nur gelebt werden können, wenn der Person Respekt entgegengebracht wird.Ohne genau zu wissen, über was sich im Einzelnen dieser Respekt herstellt, ist für Herrn Hselbst Wissen eine zentrale Respektquelle. Der hohe Stellenwert, den Respekt als nur be-dingt erwerbbare Führungsqualifikation für Herrn H hat, führt dazu, dass er immer wiederChancen ergreift, sich weiterzubilden, ohne jedoch zu wissen für welche konkrete beruflicheFunktion. Akkumuliertes Wissen scheint ihm – und darin zeigt sich die Wirkmächtigkeit vonbildhaften Vorstellungen – ein Garant für gesellschaftliche Anerkennung und damit auch füreine berufliche Funktion zu sein, in der ein hoher Selbstbestimmungsgrad erreichbar ist. BeiHerrn H führt das ungewisse Selbstbild zu einer ungewissen beruflichen Orientierung, da erdie Suche nach persönlicher Anerkennung in seiner beruflichen Laufbahn bisher nicht expli-zit zum Thema machen konnte oder wollte.In allen Fällen innerhalb dieses Karrieremusters wird deutlich, dass wirkmächtige Bilder ausunterschiedlichen Gründen eine ambivalente Orientierungsfunktion im beruflichen Werde-gang darstellen. Erst die direkte Auseinandersetzung mit diesen Bildern und den implizitenVorstellungen kann zu einer Klärung führen und die Unsicherheit im Werdegang begrenzen.
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens38Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern3.3 Karrieremuster III: Sich sicher bewegen (lassen) von und in vertrau-ten Bahnen3.3.1 Beschreibung des zentralen PhänomensDieses „Doing“ zeichnet sich dadurch aus, dass diese Personengruppe sich im beruflichenWerdegang den in der Arbeitswelt vorgegebenen Bahnen anvertraut. Im Unterschied zumKarrieremuster II zeigt sich hier die biographisch verankerte Gewissheit, dass diese Bahnenzu einem sinnvollen Berufsziel führen.Diese individuelle Gewissheit bildet in Kombination mit den vertrauten Bahnen die Basis fürdie persönliche Orientierung. Diese Personengruppe zeigt ich ihrem „Doing“ grundsätzlichdie Möglichkeit, entlang eigener Interessen, Fähigkeiten und Befindlichkeiten und innerhalbdes vorgegebenen Bahnenspektrums auszuwählen und gegebenenfalls auch umzusteigen.Der Begriff „Bahnen“ verweist auf institutionalisierte berufliche Wege. Hierbei handelt es sichum Wege, die einen Aufstieg versprechen, eine beruflich-inhaltliche Verankerung ermögli-chen oder eine hohe Garantie dafür bieten, dass berufliche und private Interessen vereinbarsind. Das arbeitsfeldabhängige Bahnenspektrum stellt in gewisser Weise einen Entschei-dungsraum dar, in dem die realisierbaren Tätigkeiten, Betriebskulturen, individuellen Entfal-tungs- und Statuschancen als konkrete Orientierung für den eigenen Verlauf dienen.3.3.2 HandlungsstrategienDas Karrieremuster ist mit spezifischen Handlungsstrategien verknüpft. Sich in einem ge-wählten Bahnenspektrum sicher zu bewegen, bedeutet bildlich gesprochen, das Bahnenan-gebot und die angebotenen Richtung grundsätzlich zu kennen, das zugehörige Signalsystemzu verstehen und beides in Beziehung zu den eigenen Befindlichkeiten, Neigungen und Inte-ressen zu setzen.Vor diesem Hintergrund entscheiden sich Personen für oder gegen Angebote und Chancen,die sie mit einem entsprechenden Streckenabschnitt verknüpfen. Grundsätzlich verbindensie damit eine Haltung der Offenheit, eine gewisse Neugier auf das, was die jeweilige Bahnoder der Streckenabschnitt ihnen bringen wird. Um sich sicher in einer Bahn bewegen zukönnen, benötigen die Individuen die Fähigkeit, in der Bahn zu bleiben, auszuhalten, sich mitGegebenen zu arrangieren oder einfach abzuwarten, ob das Angebot mittelfristig das hält,was es verspricht, auch wenn situativ die Passung mit eigenen Neigungen und Fähigkeitennur teilweise befriedigend ist. Je genauer die gegebene Laufbahndynamik durchschaut undverstanden wird, umso besser können die Personen sich vertrauensvoll der gewählten Bahnhingeben oder sich entscheiden die Bahn zu wechseln. Aus dieser Perspektive ist der beruf-
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens39Karrierekonzeptionen von Frauen und Männernliche Werdegang ein Wechselspiel zwischen eigenen inneren Impulsen, sich auf eine Bahneinzulassen, und der jeweiligen Angebotsstruktur. Die individuelle Leistung besteht genau inder Feinabstimmung zwischen Innen und Aussen – eine Leistung, die von den betroffenenPersonen eher mit Begriffen wie Intuition oder Gefühlsentscheid beschrieben wird.3.3.3 AntriebDie Antriebskräfte dieses Karrieremusters bestehen in biographisch verankerten Normali-tätsvorstellungen von beruflichen Werdegängen, also in der konkreten Erfahrung, dass diemit der Ausbildung beginnenden Bahnen sinnhaft und verlässlich sind. Als Angebote wirkensie aus sich selbst heraus sinnstiftend. Bei dieser Personengruppe fällt auf, dass ihre berufli-chen Erwartungen aus einer Mischung aus allgemeinem Sachinteresse und Statuserwartun-gen bestehen, die einer konkreten beruflichen Laufbahn zugeschrieben werden.3.3.4 KontextWird der Kontext näher betrachtet, in dem dieses Karrieremuster entsteht, so zeigt sich inden meisten Fällen ein gewährendes, emotional stützendes Herkunftsmilieu. In der Regelwachsen diese Personen in einem emotional sicheren Milieu auf. Ihre Eltern zeichnen sichdurch anerkannte Berufspositionen in ihrem Milieu aus. Häufig wird der eigene Berufsein-stieg durch die Familie, Kollegen oder andere Netzwerke vermittelt und als Einstieg in einekonkrete Bahn geschildert, die über diese Vermittlungspersonen teilweise vertraut ist.Der sichere Kontext scheint den Betroffenen die Gewissheit zu geben, dass ihre an gesell-schaftlichen Normalvorstellungen orientierten Berufsvorstellungen in diesen Bahnen erreich-bar sind. Sie vertrauen auf die Normalitätsvorstellung, dass formalisierte Abschlüsse für dieNutzung der Bahnen sinnvoll sind, vorgeschriebene Abläufe (z.B. Praktikum, Auslandserfah-rung, Filialleitung) nützlich sind und die Pflege beruflicher Netzwerke notwendig ist. DiesePersonen fühlen sich von diesen Normalitätsvorstellungen getragen und bewegen sichdadurch sicher in den Bahnen oder lassen sich sicher von ihnen bewegen.3.3.5 FolgenLaufbahnbezogene Normalitätsfolien sind damit der zentrale Ausgangspunkt individuellenberuflichen Werdegang. Um sich in den Bahnen bewegen zu können und von ihnen bewe-gen zu lassen, benötigt es biographische Erfahrungen, die die Sinnhaftigkeit dieser Laufbah-nen untermauern, und ein Gespür für die eigenen Fähigkeiten und Vorlieben, um
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens40Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernFeinabstimmungen innerhalb der gewählten Bahn leisten zu können. Einmal in eine Bahneingetreten, ist das Lesen und Verstehen innerer und äusserer Signale ein wichtiger Garantfür die individuell optimale Passung im vorgegebenen System.Aus dieser Konstellation kann im Idealfall ein Selbstlauf und in anderen Fällen ein Mit-Laufenauf einzelnen Teilstrecken werden. Dieses Karrieremuster zeigt sich in verschiedenen Spiel-arten: So finden sich hier Personen, die mit wenig Energieaufwand teilweise lustvoll das Kar-rierespiel mitspielen (Aufstieg als Selbstläufer). Andere arbeiten immer wieder anPassungsproblemen im Sinne eines kontinuierlichen Austarierens. Einige Individuen arran-gieren sich mit einer nicht optimalen Passung mangels externer oder interner Möglichkeiten.Labil wird dieses Muster, wenn die Passung über eine längere Wegstrecke subjektiv nichtmehr gelingt und darüber das Vertrauen in die vorgegebenen Bahnen verloren geht.3.3.6 FallbeispieleBeispielhaft für dieses Muster steht der Werdegang von Herrn I (Professional/Gesundheit).Mit Blick auf die Übernahme des väterlichen Baugeschäftes beginnt er eine Maurerlehre.Obwohl ihm schnell klar ist, dass er in diesem Metier nicht glücklich wird, macht er den Lehr-abschluss und arbeitet eine Zeitlang im Beruf. Die Militärzeit bietet ihm die Gelegenheit, ausder familiär vorgegebenen Bahn auszusteigen. In der Rekrutenschule eröffnen ihm Kollegendie Perspektive einer Pflegelaufbahn. Nach einem Schnuppereinsatz entscheidet er sich fürdie vierjährige Ausbildung. Dann absolviert er die ersten Karriereschritte von der Arbeit amBett hin zur Gruppenleitung und mit Aussicht auf eine Teamleitung. Das „Doing“ von Herrn Ilässt sich als ‚Sich in verschiedenen Bahnen bewegende, gelegenheitsorientierte Karriere-umsetzung‘ bezeichnen. Bei ihm ist die Karriere kein Selbstlauf, er wechselt immer dann dieBahn, wenn das institutionalisierte Angebot seinen Erwartungen zu wenig entspricht. Solehnt er zwei Mal ein Angebot zur Übernahme einer Stationsleitung ab, da es nicht seinenLohnvorstellungen entspricht. Er tut dies mit grosser Gelassenheit in dem Wissen, dass ihmim Pflegebereich ein grosses Laufbahnangebot zur Verfügung steht.Ein anderes Beispiel ist Frau J (Senior/Wirtschaft). Sie stammt aus einem gewerblichen Be-trieb, in dem die Mutter den kaufmännischen Bereich leitete. Die beiden Töchter unterstütz-ten sie dabei in ihrer Freizeit. Frau J absolviert ein Betriebswirtschaftsstudium. Im Studiumwecken erste Kontakte mit der IT-Branche ihr Interesse. Ein IT-Praktikum in einem Unter-nehmen eröffnet ihr direkt nach dem Studium eine feste Anstellung in dieser Firma. Ihr„Doing“ – ‚Sich den gebotenen Laufbahnen anpassen können‘ – verweist auf den sicherenWert, den Laufbahnangebote für Frau J haben. Nach dem Mutterschaftsurlaub und einem
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens41Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernWohnortswechsel übernimmt sie eine Teilzeitfunktion im IT-Bereich in einem Unternehmen,das es ihr ermöglicht, Familien- und Berufsarbeit miteinander zu verbinden. Als nach 11 Jah-ren diese berufliche Funktion in Frage gestellt wird, beginnt sie ihr Vertrauen in vorgegebeneLaufbahnen anzuzweifeln. So formuliert sie im Interview die Auffassung, dass Teilzeitfunkti-onen im Unternehmen zu wenig Anerkennung finden.Interessant ist, dass nur wenige Fälle (7 = 8% aller Fälle) diesem Muster zugeordnet werdenkönnen. Im Feld der Sozialen Arbeit, in dem es kaum institutionalisierte Laufbahnen gibt, istdieses Muster gar nicht vertreten. Ob es sich hier aufgrund vielfältiger Modernisierungsten-denzen um ein gesellschaftlich nur bedingt tragfähiges Muster auf der Stufe der Tertiäraus-bildung handelt, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden.3.4 Karrieremuster IV: Werte leben können3.4.1 Beschreibung des zentralen PhänomensDieses Karrieremuster zeichnet sich dadurch aus, dass das eigene Handeln an persönlichenWerten ausgerichtet ist. Biographisch früh verankerte Wertorientierungen bilden für die Ge-staltung des eigenen Lebens und für die berufliche Laufbahn eine wichtige Orientierungs-funktion. Welche Wertorientierungen im Zentrum der einzelnen Fälle stehen, istunterschiedlich. Es handelt sich um Werte wie soziale Gerechtigkeit oder ein nachhaltigerUmgang mit der Natur, aber auch um Überzeugungen von einem guten Leben. Personen mitdiesem Karrieremuster sind bestrebt, ihre inneren Vorstellungen in ihrem Lebens- und Be-rufsalltag umzusetzen.Der berufliche Weg ist in gewisser Weise ein Mittel, um die eigenen Wertvorstellungen zu le-ben und umzusetzen. Je nach Wertvorstellung eröffnen sich verschiedene berufliche Umset-zungsmöglichkeiten. Eine Laufbahn im Pflegebereich kann ebenso dazu dienen,humanistische Werte umzusetzen, wie ein technisches Berufsfeld. Die Wahl der beruflichenLaufbahn ist den eigenen Wertsetzungen gewissermassen nachgeordnet.In Abhängigkeit von den individuellen Wertsetzungen kann das Spektrum möglicher berufli-cher Wege unterschiedlich umfangreich sein. Die Realisierung der persönlichen Wertsetzun-gen stellt in diesem Karrieremuster den zentralen Entscheidungsparameter für dieGestaltung des Lebens- und Berufsweges dar. Damit wird auch deutlich, dass dieses Karrie-remuster sich in seiner Praktik auf das ganze Leben bezieht. Eine teilweise Verwirklichung –etwa nur privat nachhaltig ökologisch zu leben und in der beruflichen Tätigkeit das Gegenteilzu praktizieren – führte mittelfristig zu massiven inneren Spannungen.
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens42Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern3.4.2 HandlungsstrategienMit diesem Karrieremuster sind verschiedene Handlungsstrategien verknüpft. Die Personenzeichnen sich dadurch aus, aktiv etwas in Angriff zu nehmen, die Angebote kurz-, mittel- undlangfristig mit Blick auf die Umsetzungschancen der eigenen Werte abzuwägen und auf demberuflichen Weg schrittweise zu entscheiden – und dabei auch Enttäuschungen und mögli-che Fehlentscheidungen in Kauf zu nehmen. Diese Individuen verfügen über eine relativ ho-he Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Berufsmilieus, die es ihnen ermöglicht, dieRealisierungschancen in den jeweiligen Arbeitsfeldern auszuloten. Ihnen ist eine grundsätzli-che Bereitschaft eigen, Wege auszuprobieren und aufgrund der Erfahrungen zu entscheiden,ob diese mit den eigenen Leitorientierungen vereinbar sind. Daraus resultiert – ähnlich demKarrieremuster III – ein situatives Austarieren der Möglichkeiten, oft verbunden mit einer ho-hen Offenheit für unterschiedliche Wege und der persönlichen Bereitschaft, auch Umwege inKauf zu nehmen. Anders als im Karrieremuster III weist hier die Passungsarbeit in eine ein-deutige Richtung. Denn diesen Personen geht es darum, ihre Werte leben und umsetzen zukönnen.3.4.3 AntriebDie eigenen Werthaltungen übernehmen in diesem Karrieremuster eine doppelte Funktion.Zum einen stellen sie das Motiv für die ausgewählten Lebens- und Berufsetappen dar. Denndie persönlich sinnstiftenden Wertvorstellungen bilden in den beobachtbaren Fällen einezentrale Energiequelle. Zum anderen bieten die Werthaltungen eine klare Orientierungsfunk-tion in der Gestaltung des eigenen Lebens. Im Unterschied zum Karrieremuster III könnendiese Personen ihren inneren Kompass explizit benennen und durch die reflektierende Su-che nach geeigneten Möglichkeiten zur Umsetzung ihrer Werte ihre Orientierungsbasis wei-ter vertiefen und verfestigen. So eindeutig der Antrieb ist, so offen zeigt sich der Ausgangdes individuellen Weges. Weder eine berufliche Funktion noch eine bestimmte Laufbahnsind automatisch ein Beleg für die Wertumsetzung. Diese muss in der gelebten Realität einerberuflichen Funktion konkret realisiert werden.3.4.4 KontextEs bleibt die Frage offen, wie sich diese Werthaltungen überhaupt herausbilden. Typisch fürdieses Karrieremuster ist ein biographischer Kontext, in dem Personen aus Familie, Peer-group und nahem Umfeld oder emotional bedeutsame Schlüsselereignisse, eine wichtigeRolle bei der Herausbildung der individuellen Wertehaltung spielen. Aus der Sicht von Kin-
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens43Karrierekonzeptionen von Frauen und Männerndern oder Jugendlichen sind es meist emotional bedeutsame Vorbilder, die ihnen einen Zu-gang zu ihrer Wertewelt eröffnen. In einzelnen Fällen sind es auch Schlüsselpersonen aus-serhalb des vertrauten Milieus, die den Kindern oder Jugendlichen neue Wertehorizonteerschliessen und sie befähigen, sich neue Milieus zu erschliessen. Sind diese biographi-schen Erfahrungen in gesellschaftliche Bewegungen eingebettet (z.B. Friedens-, 68er-, Öko-oder Frauenbewegung), so führt dies oft zu einer Stärkung der eigenen Werteorientierung.Ob diese Werthaltung als Orientierungsfunktion für den eigenen Lebensentwurf nachhaltigist, zeigt sich erst im Lebenslauf.3.4.5 FolgenDieses Karrieremuster erzeugt abhängig von den intervenierenden Variablen (stärkendeSchlüsselpersonen, erfahrene Unterstützung, Verknüpfung mit im Arbeitsfeld anerkanntenWerteorientierungen) ein unterschiedliches Mass an individueller Sicherheit in der Gestal-tung des eigenen beruflichen Werdeganges.Unsicherheitsquellen können in diesem Muster auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sein:Je nach Lebenssituation, Milieu und gesellschaftlicher Entwicklung kann die individuelle Wer-torientierung problematisiert und damit als persönliche Orientierung brüchig werden. Eineandere Unsicherheitsquelle liegt in den beruflichen Etappen, die nicht immer halten, was sieversprechen. Das berufliche Engagement im alternativen Finanzsektor kann vordergründigden eigenen Wertvorstellungen entsprechen, in der konkreten Ausübung dieser Tätigkeit je-doch individuelle Verunsicherung auslösen.Ob die eigenen Erwartungen mit Blick auf die beruflichen Angebote und eigene Interessenund Kompetenzen realistisch sind, ist eine Unsicherheit, die in einzelnen Fällen spürbar ist.Im Unterschied zum Karrieremuster III zeichnet sich dieses Karrieremuster dadurch aus,dass es keine vorgegeben Modelllaufbahnen gibt, und es daher einer hohen individuellenEinzelarbeit bedarf, um den eigenen Weg zu gestalten. Fehlende Modelle der Werteumset-zung in beruflichen Laufbahnen können dazu führen, dass trotz klarer innerer Werteorientie-rung immer wieder Selbstzweifel auftauchen. Die relativ geringe Fallzahl (5 Fälle im Sample= 6%) deutet darauf hin, dass es sich hier vermutlich um seltene biographische Konstellatio-nen handelt, die zur Ausbildung dieses Karrieremusters führen. Es wäre interessant zu prü-fen, ob Individuen, die in Zeiträumen mit starken gesellschaftlichen Bewegungen (z.B.Antiatombewegung, Jugendbewegungen, Frauenbewegung, ökologische Bewegung) aufge-wachsen sind, vermehrt dieses Karrieremuster repräsentieren.
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens44Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern3.4.6 FallbeispieleAls Beispiel für dieses Karrieremuster kann Herr K (Junior/Soziale Arbeit) gelten. Sein„Doing“ lässt sich als ‚Positionieren gegen Ausgrenzung im Leben‘ beschreiben, das durchvielfältige Erfahrungen des Sich-selbst-fremd-Fühlens im Normalen ausgelöst wird. Herr Kstammt aus einem bürgerlichen Milieu (Vater Lehrer, Mutter Krankenschwester). ErsteFremdheitserfahrungen macht er in einer Jugendgruppe und in der Schreinerlehre, die ihmunterschiedliche Werthaltungen spiegeln. Militärverweigerung und Zivildienst werden zu ei-ner Schlüsselerfahrung, da seine Umgebung diesen Entscheid nicht nachvollziehen kann.Der von ihm erlebte Umgang mit Fremden während eines Praktikums in einem Asylbewer-berzentrum und während eines Auslandspraktikums bestärkt ihn darin, auch beruflich nachWegen zu suchen, sich gegen gesellschaftliche Ausgrenzung zu positionieren. Dieser Wertbestimmt im Kontext der Sozialen Arbeit seine konkrete Stellenwahl.Ganz ähnlich geht es Frau L (Junior/Technik) im Arbeitsfeld Technik. In ihrem Elternhauskommt sie schon früh mit dem Thema Forschung und Entwicklung in Verbindung. Es entwi-ckelt sich in ihr der Wunsch, auch für sich diesen Weg zu gehen, um einen sinnvollen Beitragan die Gesellschaft leisten zu können – etwa die Entwicklung nachhaltiger Umwelttechnolo-gien. Auf der Basis einer früh verankerten sozial-ökologischen Wertorientierung ist bei Frau Lder Wille zum sinnhaften Gestalten mit Positionsvorstellungen verknüpft, die ihre Möglichkei-ten erweitert, gesellschaftlich Wichtiges mit voranzubringen. Das führt bei ihr zu einem ho-hen Selbstanspruch, der einerseits ihre Leistungsbereitschaft speist und andererseitsSelbstzweifel auslöst, ob der eingeschlagene Weg in die richtige Richtung führt.Beiden Fällen ist gemeinsam, dass die in Jugendjahren herausgebildete Werteorientierungein zentraler Entscheidungsparameter und das Motiv für die Gestaltung des eigenen berufli-chen Werdeganges ist.3.5 Karrieremuster V: Persönlich sinnhaften Werdegang kreieren3.5.1 Beschreibung des zentralen PhänomensIm Zentrum dieses Karrieremusters steht die Arbeit am eigenen Lebensentwurf und damitam beruflichen Werdegang selbst. Personen, die diese Form der Karrierearbeit praktizieren,sind gefordert, vor dem Hintergrund eigener Interessen und Kompetenzen aus dem berufli-chen Angebotsspektrum das aus ihrer subjektiven Logik Passende auszuwählen. Passenderscheint eine Berufsetappe dann, wenn sie zwischen bisherigen Lebensetappen und mögli-chen Zukunftsentwürfen eine sinnvolle Brücke bildet. Im Unterschied zur Übernahme vorge-
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens45Karrierekonzeptionen von Frauen und Männerngebenen Laufbahnen, geht es darum, etwas Eigenes zu gestalten und in gewisser Weise ei-ne eigene Laufbahn zu kreieren. Im Fokus dieser Gestaltung liegt keine spezifische Lebens-oder Berufsposition, sondern der persönliche Werdegang. Masstab für die gelungene Gestal-tung ist die für sich selbst und andere erfahrbare Sinnhaftigkeit des eigenen Lebensentwur-fes. Letztlich geht es um eine immer wieder vorzunehmende Verknüpfungsleistung, die dazudient, aus einzelnen beruflichen Etappen einen für sich und andere stimmigen Werdegangzu erzeugen. In diesem Karrieremuster lassen sich verschiedene Ausrichtungen unterschei-den:• sich selber den Lebensweg und/oder Berufsweg bauen (der persönliche Werdegang alsLebensprojekt)• im und auf dem Weg sich selbst verwirklichen• im selbst gestalteten Weg scheinbar Gegensätzliches verknüpfen• der Lebensweg als EntdeckungsreiseIn diesen Variationen des Karrieremusters wird deutlich, worum es den Personen in ihrerVerknüpfungsarbeit geht: Der Lebens- oder Berufsweg wird zum Projekt selbst, zu einerEntdeckungsreise. Diese Menschen gehen davon aus, dass immer wieder Neues auf sie zu-kommt, ohne genau zu wissen, wohin diese Reise führt. Für einige ist bei der eigenen Weg-gestaltung wichtig, sich selber zu verwirklichen oder sich auf dem Weg erst selbst zuerzeugen. Schliesslich lassen sich Personen in diesem Karrieremuster finden, die in ihremLebensentwurf scheinbar Gegensätzliches integrieren: etwa die Verknüpfung unterschiedli-cher Milieus oder verschiedener Wertewelten bei der Ausbildungs- und Berufswahl. Orientie-rungspunkt in den Entscheidungsetappen auf dem beruflichen Weg ist damit weder eine vonBeginn an klare Wertehaltung, die es umzusetzen gilt, noch eine Position, die anzustrebenist, sondern die Sinnfrage mit Bezug auf sich selbst: Was will ich und welche Zukunftsoptio-nen ermöglicht mir diese Entscheidung?3.5.2 HandlungsstrategienDie dominanten Handlungsstrategien in diesem Karrieremuster zeichnen sich durch ein ho-hes Mass an Reflexivität aus. Deutlich wird dies im Selbstreflexiven-Wegfinden, Sich-weiterlernend-auf-den-Weg-Einlassen, Nächste-Schritte-Erproben und im Auswerten von Er-fahrungen für neue Schritte. Bezugspunkte der Reflexion sind die eigenen Interessen, Fä-higkeiten und Vorstellungen und damit verbundene Zukunftsperspektiven, die mit der konkretvorhandenen Angebotsstruktur in einen Ausgleich gebracht werden müssen. Denn ohne zu-gängliche Angebote kann der eigene Weg nicht kreiert werden. In gewisser Weise fehlt dann
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens46Karrierekonzeptionen von Frauen und Männerndas Baumaterial. Im permanenten Abwägen zwischen möglichen Angeboten und dem, wasselbst als sinnhaft erfahren wird, besteht die eigentliche Karrierearbeit. In Einzelfällen ist dieArbeit am eigenen Werdegang eine energieaufwändige Pionierarbeit, da diese Personen dieGrenzen ihres Herkunftsmilieus überschreiten oder Widerstände von aussen überwindenmüssen, um ihren eigenwilligen Weg gehen zu können. Dieses Sich-experimentell-auf-den-eigenen-Werdegang-Einlassen bedarf einer gewissen Kompromissbereitschaft und der Fä-higkeit, zwischen kurz-, mittel- und langfristig angelegten Entscheidungen unterscheiden zukönnen. Letztlich liegt der Entscheidungsparameter für die Auswahl einzelner Schritte in derSinnhaftigkeit des Schrittes, bezogen auf den bisherigen Weg und die damit verknüpften Zu-kunftsoptionen.3.5.3 AntriebskräfteDie Antriebskräfte liegen in der Suche nach einer eigenen sinnvollen Verortung vermitteltüber einen eigenen Lebensentwurf. Durch die persönliche Gestaltung des eigenen Lebens-weges scheint die eigene Individualität für sich und andere erfahrbar zu werden. Oder an-ders ausgedrückt: In dem selbst kreierten Weg besteht die Chance, das Eigene für sichselbst und andere sichtbar und erlebbar zu machen. In der dialektischen Verknüpfung vonSelbst- und Weggestaltung steht wechselweise der Weg oder das Selbst im individuellenGestaltungsfokus. Im Unterschied zum Karrieremuster III handelt es sich hierbei nicht um ei-ne Passungsfrage zwischen Laufbahn und Selbst, sondern um eine Gestaltungsfrage: Wieentwerfe ich mich im (oder vermittelt über den) Werdegang? Daher wird dieses Karrieremus-ter stark von der intrinsischen Selbstsuche, dem Selbstentwurf und der Selbstverortung an-getrieben – eine Lebensaufgabe, die für moderne Gesellschaften typisch zu sein scheint(Keupp 2002).3.5.4 KontextDer Kontext, in dem sich dieses Karrieremuster herausbildet, zeigt, dass diese Personen-gruppe in ihrer Kindheit mit sehr unterschiedlichen Erfahrungswelten in Berührung gekom-men ist. In dieser Gruppe finden sich relativ viele Personen mit einem Migrationshintergrund.Die Differenzerfahrung der Migration könnte den Anstoss gegeben haben, keine vorgegebe-ne Laufbahnen einzuschlagen, sondern nach dem eigenen Werdegang zu suchen. Diffe-renzerfahrungen oder die Erfahrung eines begrenzten Herkunftsmilieus, das jedoch alsemotional offenen und unterstützend erlebt wird, stellen eine gute Basis für die individuelleSelbst- und Wegerkundung dar.
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens47Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern3.5.5 Intervenierende VariablenAuslöser für dieses Karrieremuster sind häufig früh erfahrene andere Lebenswelten, kritischeLebensereignisse oder die Wahrnehmung der strukturell engen Milieugrenzen für die eigeneSelbstentfaltung. Emotional bedeutsame Schlüsselpersonen verstärken den eigenen Weg,indem sie die individuellen Wegvorstellungen unterstützen. In einzelnen Fällen sind belas-tende Ereignisse der Auslöser dafür, die familiären und persönlichen Grenzen zu sprengen.Gelegentlich können es Angebote sein, die sich zur richtigen Zeit als Türöffner für den eige-nen Weg erweisen. Da bei dieser Personengruppe eine ausgeprägte Prozessorientierungvorhanden ist, werden positiv oder negativ erlebte intervenierende Variablen im Rückblick alsChancen für neue Optionen in der Ausrichtung des eigenen Werdegangs wahrgenommen.3.5.6 FolgenDieses Karrieremuster zeigt sich in individuell gestalteten Verläufen, die einen inneren rotenFaden besitzen, auch wenn dieser von aussen nicht unmittelbar sichtbar ist. Es ist davonauszugehen, dass diese Personengruppe eine grosse Offenheit für verschiedene Berufsop-tionen zeigt, sich allerdings im konkreten Aushandlungs- und Entscheidungsprozess mit ei-genen klaren Vorstellungen einbringt. Ähnlich dem Karrieremuster IV prüfen die Individuengenau, welche Folgen eine Entscheidung für ihren persönlichen Werdegang hat. Auch wennsich diese Personen situativ die konkrete Orientierung immer wieder neu erarbeiten müssen,so können sie doch auf eine für sich selbst klare Orientierungsstruktur zurückgreifen. DerEntscheidungsparameter für die Ausrichtung des eigenen Werdeganges liegt in der Verknüp-fungsoption, ob sich die angebotene oder gesuchte Berufsetappe sinnvoll mit dem Bisheri-gen verbinden lässt. Der eigene Weg kann daher nicht einfach in einer grossen Liniegestaltet werden, sondern muss etappenweise – sozusagen kleinteilig – erarbeitet werden.Es handelt sich um einen ständigen Arbeitsprozess, der nicht durch ein konkret zu errei-chendes Ziel (z.B. eine berufliche Position) begrenzt ist. Diese Karrierearbeit kostet Zeit undEnergie, da diese Personen immer wieder gefordert sind, ihre berufliche Situation mit Blickauf mögliche Zukunftsoptionen zu analysieren. Letztlich sind es die persönlich wahrgenom-menen Entfaltungsmöglichkeiten, die den Entscheidungsraum für konkrete Entscheidungenzu einzelnen Berufs- oder Lebenswegetappen bilden. Aus betrieblicher Sicht kann davonausgegangen werden, dass Angebote, die diese Personengruppe als Entwicklungschanceidentifizieren, mit hoher Motivation angenommen werden. Umgekehrt können attraktive be-triebliche Angebote, die aus Sicht dieser Personengruppe als nicht sinnhaft empfunden wer-den, mit einem Schulterzucken verworfen werden.
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens48Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernDer persönliche Werdegang und das eigene Selbst werden zum individuellen Projekt mit of-fenem Ausgang. In diesem Karrieremuster können vorgegebene Laufbahnmuster nur be-dingt und gegebenenfalls noch in konkreten Teilabschnitten des eigenen Werdegangs eineOrientierungsfunktion übernehmen. Wenn mit den vorgegebenen Bahnen Eigenes verknüpftwerden kann, entsteht über Aneignungsprozesse ein persönlich sinnhafter Werdegang.3.5.7 FallbespieleAls Beispiel für dieses Karrieremuster steht der Werdegang von Herrn M (Senior/Soziale Ar-beit). Sein „Doing“ lässt sich bezeichnen als ‚Integrierungsmöglichkeiten folgen‘. Äusserlichbetrachtet zeichnet sich sein Werdegang durch verschiedene Ausbildungen und Stellen aus,die auf den ersten Blick nebeneinander stehen. Aus der subjektiven Perspektive von Herrn Msind es verschiedene Schritte, die er retrospektiv als Integrationsleistung wahrnimmt. Erkann einen für sich sinnhaften Zusammenhang zwischen den verschiedenen Lebensetappenherstellen: dem dörflichen Milieu mit wenig Berufsalternativen, in dem er eine Lehre als Ma-schinenmechaniker absolviert, seiner anschliessenden kaufmännischen Ausbildung, demWechsel in die Soziale Arbeit und den persönlichen Erfahrungen in der kirchlichen Jugend-arbeit und der aktuellen Leitungsfunktion. In seiner Wahrnehmung ist sein Werdegang vonNeugier und dem Wunsch nach einer Tätigkeit geprägt, die seinen Fähigkeiten entspricht.Dieser Prämisse folgend verwirklicht Herr M eine an den eigenen Bedürfnissen orientierteBerufsentwicklung.Der Werdegang von Frau N (Professional/Soziale Arbeit) repräsentiert eine andere Facettedieses Karrieremusters: Ihr „Doing“ – ‚Reflexives, selbst- und arbeitsfeldbezogenes Weiter-gehen mit offenem Ausgang‘ – zeigt deutlich, dass sie sich etappenweise in und über denWerdegang entfaltet. Die einzelnen Etappen müssen auf sich selbst bezogen passen. In ih-rer Laufbahn wird dies an verschiedenen, von aussen nicht logisch nachvollziehbaren Schrit-ten. So zieht Frau N eine kaufmännische Lehre in der Textilbranche einer gymnasialenAusbildung vor, obwohl sie eine sehr gute Schülerin ist. Nach einer nicht bestandenen Auf-nahmeprüfung an einer Fachhochschule für Soziale Arbeit entscheidet sie sich erst mit zu-sätzlicher vorgängiger Praxiserfahrung ein zweites Mal dafür, die Prüfung in Angriff zunehmen. Nach wenigen Monaten in einer Leitungsfunktion in einer Beratungsstelle kündigtsie diese Stelle, obwohl die Führungsfunktion mit mehr Lohn und Verantwortung ausgestattetist und sie für sich eine Karriere im Sinne einer ständigen Weiterentwicklung anstrebt.Bei Herrn O (Senior/Gesundheit) wird der Berufsweg in gewisser Weise zum Lebensprojekt.Sein „Doing“ – ‚Sich Beheimaten im Pflegebereich‘ – verweist auf die Bedeutung des Ar-
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens49Karrierekonzeptionen von Frauen und Männernbeitsbereiches für seinen individuellen Lebenszusammenhang. Sein Werdegang lässt sichals Wanderung durch die Arbeitswelt der Pflege beschreiben. Auffallend sind viele Stellen-wechsel, die von seiner inneren Orientierung abhängen. Solange er in der Pflege am Bettdas Wohl kranker Menschen fördern kann, dabei Zufriedenheit verspürt und sich im Teamund in der Organisation zu Hause fühlt, verweilt er am Arbeitsplatz. Sind diese persönlichenKriterien nicht mehr erfüllt, sucht er sich eine neue Stelle.Der Werdegang von Herrn P (Junior/Technik) ist geprägt von der Gewissheit, dass jedes In-dividuum den eigenen Weg gehen muss. Aus seiner Sicht ist dies nur möglich, wenn die „in-neren Werte einer Sache auch für sich selbst“ erkannt werden. Herr P sieht seine Prägungenin den „kulturellen Handschellen“ Südamerikas und in der Erfahrung, in den familiären Erwar-tungen gefangen zu sein. Als Migrant in der Schweiz benötigte er einige Zeit, um für sichherauszufinden, was ihm wichtig ist. Er nimmt sein in Südamerika abgebrochenes Bauinge-nieursstudium in der Schweiz erst wieder auf, als er im Rahmen von Forschungspraktika rea-lisiert, dass er durch die Lösung gesellschaftlich-technischer Probleme in diesem Feld etwasbewegen und der Gesellschaft zurückgeben kann. In Bezug auf seinen Werdegang formu-liert Herr P die Vorstellung, dass der Mensch „sich einen Faden, eine Linie beschaffen kann“.Diese „innere Orientierung“ hilft ihm auch dann seinen Weg zu gehen, wenn externe Gründe(bei ihm: die Liebe zu einer Schweizerin) die persönliche Situation bestimmen. Für Herrn Pist klar: “Diesen eigenen Weg sollte man zu hundert Prozent gehen”.Demgegenüber empfindet Herr Q (Professional/Technik) seinen Lebensweg als Ent-deckungsreise. ‚Aufbruch in unentdeckte Welten‘ kennzeichnet sein „Doing“ und die Einstel-lung zu seinem Werdegang. Im Unterwegssein ist er zuversichtlich und in der Retroperspek-tive erscheinen ihm die verschiedenen Lebensetappen als interessanter Schatz: Schule alsÜberlebenskampf, eingeschlagene und wieder aufgegebene Studienrichtungen, Familien-gründung, Hausmannerfahrungen während der Studienzeit, Freelancer-Erfahrungen undLehrtätigkeiten. Zu seinem Werdegang gehören auch die Ortswechsel, die er gemeinsam mitseiner Frau zunächst probeweise vornimmt, um sich dann definitiv zu entscheiden. Obwohler eine etablierte Position einnimmt, blickt er gespannt und mit einer offenen Haltung auf sei-nen weiteren Lebensweg.
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Kapitel 3: Fünf Handlungsmuster des Karrieremachens50Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern3.6 Anmerkung zu den IdealtypenDie fünf idealtypischen Karrieremuster sind sie in gewisser Weise anschlussfähig an bekann-te Forschungsergebnisse zur Karriere. Es fällt auf den ersten Blick leicht, das KarrieremusterI (‚Konkrete Lebensposition(en) anzielen‘) der traditionellen Karriereform und das Karriere-muster V (‚Persönlich sinnhaften Werdegang kreiern‘) den modernen Karriereformen‚boundaryless bzw. protean career‘ zuzuordnen. In Ergänzung zu den bisherigen Befundenwird jedoch aus dieser Analyse deutlich, dass für ein wirkliches Verständnis unterschiedli-cher Karriereverläufe nicht die äussere Form entscheidend ist, sondern das zugrunde lie-gende Muster der Karrierearbeit. Wir konnten feststellen, dass von aussen betrachtetPersonen scheinbar eine traditionelle Karriere durchlaufen, ihre Karrieremuster sich jedochdeutlich voneinander unterscheiden. So ist es gerade mit Blick auf Personalentwicklung unddie Förderung benachteiligter Personen oder Gruppen wichtig, anschlussfähige Angebote fürverschiedene Karrieremuster zu entwickeln.Ob und inwieweit sich bestimmte Karrieremuster einzelnen Personengruppen zuordnen las-sen und welche Schlussfolgerungen sich aus den Ergebnissen dieser explorativen Studieziehen lassen, wird im nächsten Kapitel diskutiert.
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Kapitel 4: Karrierepraktiken in ihrer Bedeutung für Laufbahn und Karriereplanung Einleitung51Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern4 Karrierepraktiken in ihrer Bedeutung für Laufbahn und Karriere-planung EinleitungWas bedeuten die herausgearbeiteten Idealtypen des „Doing-Karriere“, die fünf Karrieremus-ter, für die gestellte Forschungsfrage? Zunächst einmal kann feststellt werden, dass die her-ausgearbeiteten Praktiken des Karrieremachens, die Arbeit am eigenen Lebenslauf, einedeutlich höhere Differenziertheit aufweisen, als dies in den gesellschaftlichen Deutungsmus-tern von Karriere, wie sie sich in den individuellen Karrierevorstellungen darstellen, zumAusdruck kommt. Auch wenn die Karriereelemente Statuserwerbs, Hingabe an die beruflicheSache und Selbstverwirklichung in allen Selbstbeschreibungen vorhanden sind, bleiben siegegenüber den tatsächlichen Unterschieden zwischen den verschiedenen Arten der Karrie-rearbeit zu abstrakt.Die Praktiken des „Doing-Karriere“ entstehen im Wechselspiel von individuellen und kol-lektiven Prozessen (Reckwitz 2008) und verweisen damit immer zugleich auf die einzelnenkonkreten Individuen und die gesellschaftlichen Kontexte. Die fünf Idealtypen geben damitHinweise für den gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema Karriere einer bestimmten Per-sonengruppe, die sich durch ein gemeinsames Ausbildungsniveau auszeichnet. Auf einerallgemeinen Ebene lässt sich feststellen, dass der Idealtyp I (Konkrete Lebenspositionenbewusst anzielen) und der Idealtyp V (Persönlich sinnhaften Werdegang kreieren) dasSpannungsfeld in modernen Gesellschaften sichtbar machen, in dem diese Personengruppeihre individuellen Lebensentwürfe und ihre Karrierearbeit auf unterschiedliche Art und Weisegestalten. In Anlehnung an Bourdieu (1985) sind es strukturell die Positionen im SozialenRaum, die – vermittelt über die Verfügung unterschiedlicher Kapitalien – etwas über denGrad der gesellschaftlichen Teilhabe aussagen. Die Ergebnisse zeigen, dass es unterschied-lichen Spielarten gibt, wie sich Personen Positionen aneignen und wie sich darüber auchPositionen in ihrer Ausgestaltung verändern können.Ausgangspunkt war die Forschungsfrage, ob und welche Unterscheidungen sich im „DoingKarriere“ zwischen verschiedenen Personengruppen aufgrund des Geschlechts, des Berufs-alters oder der Zugehörigkeit zu verschiedenen Fachkulturen ausmachen lassen. Diese Fra-ge lässt sich aufgrund des methodischen Vorgehens nicht einfach über eine quantitativeVerteilung erschliessen. Allerdings lässt die hohe Fallzahl zu, aufgrund der vorhandenenVerteilung über mögliche logische Zusammenhänge zwischen einzelnen Karrieremusternund Personengruppen nachzudenken.
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Kapitel 4: Karrierepraktiken in ihrer Bedeutung für Laufbahn und Karriereplanung Einleitung52Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern4.1 Verteilung der Karrieremuster innerhalb des SamplesDie nachfolgende Tabelle stellt die Verteilung der Karrieremuster innerhalb des Samples dar.Karrieremusterabsolut relativTyp I Lebensposition(en) anzielen2125%Typ II Ungewisse Berufs-, selbst- und Fremdbilder im Berufsweg regulieren2125%Typ III Sich sicher bewegen (lassen) von und in vertrauten Bahnen78%Typ IV Werte leben können56%Typ V Persönlich sinnhaften Werdegang kreieren2935%Total83100%Tabelle 1: Verteilung der KarrieremusterEs fällt auf, dass Typ V mit 35 Prozent am häufigsten und Typ IV am wenigsten vertreten ist.Der Idealtyp V (Persönlich sinnhaften Werdegang kreieren) kann aus gesellschaftlicher Per-spektive als Ausdruck von Individualisierungsprozessen begriffen werden. Hitzler und Honer(1994) sprechen in diesem Zusammenhang von der „Bastelexistenz“, und verstehen darun-ter die prinzipielle Notwendigkeit, sich bewusst für die Ausrichtung des eigenen Lebens ent-scheiden zu müssen, ohne verlässliche, unhinterfragte kollektiven Orientierungen zurVerfügung zu haben.7 Dieser Idealtypus macht deutlich, dass Menschen sich nicht nur indi-viduell im Berufswerdegang für konkrete Berufsausrichtungen entscheiden müssen. Dieneue Anforderung besteht vielmehr darin, diese Entscheidungen auf und im beruflichen Wegimmer wieder zu treffen, ohne zu wissen, wohin dieser Weg das eigene Selbst führt. So be-kommt die aktuelle Identitätsarbeit, die Arbeit an der Sinnhaftigkeit, einen deutlich grösserenStellenwert. Die Sinnhaftigkeit beruflicher Werdegänge ist damit immer weniger vorgegeben,sondern muss von den Individuen selbst erschlossen und kreiert werden.7Welches „Bastelmaterial“ dem Individuum zur Verfügung steht, ist nach wie vor abhängig von der gesellschaftli-chen Position, in der sich Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene befinden. Hier liegt eine wesentliche Ein-schränkung der Ergebnisse dieser Studie. Die fünf Idealtypen wurden aus den Praktiken von Personengewonnen, die zum Zeitpunkt der Untersuchung eine tertiäre Ausbildung abgeschlossen hatten und im Arbeits-markt integriert waren. Man muss davon ausgehen, dass Personen, die schon früh aus dem Ausbildungssystemausscheiden, sich nicht in den Arbeitsmarkt integrieren können oder wollen, möglicherweise noch andere Prakti-ken des „Doing-Karriere“ repräsentieren.
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Kapitel 4: Karrierepraktiken in ihrer Bedeutung für Laufbahn und Karriereplanung Einleitung53Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernAndererseits zeigen die Ergebnisse auch, dass die Anforderungen moderner Gesellschaften– vermittelt über Prozesse von Globalisierung, Flexibilisierung und Individualisierung – vonden einzelnen Individuen auf unterschiedliche Art bewältigt werden. Das Karrieremuster III(Sich sicher bewegen lassen von und in vertrauten Bahnen) kann als eine andere Bewälti-gungsform der Individualisierung interpretiert werden. Dieses Karrieremuster scheint auf denersten Blick einen Kontrapunkt zu den individuellen Unsicherheiten zu setzen.8 Ob es sichhier um ein geschichtlich älteres Karrieremuster – sozusagen ein Auslaufmodell – handeltoder eine Gegenbewegung darstellt, kann aufgrund dieser Studie nicht entschieden werden.Auch das mit 25 Prozent häufig vertretene Karrieremuster II (Ungewisse Selbst- undFremdbilder im Berufsweg regulieren) verweist auf die gesellschaftlich geforderte individuelleKarrierearbeit und offensichtlich damit einhergehende Unsicherheiten. Dieses Karrieremusterspiegelt die Arbeit des Subjekts an den gesellschaftlich zugemuteten und über die Sozialisa-tion vermittelten Ungewissheiten. Demgegenüber scheinen Personen, die das Karrieremus-ter I (Lebenspositionen anzielen) praktizieren, noch davon auszugehen, dass der Erwerbkonkreter Positionen eine verlässliche Basis für die individuelle Lebenssicherheit und Le-benszufriedenheit darstellt.Die Verteilung macht deutlich, dass die Tendenzen moderner Gesellschaften, sich nicht ein-fach ungebrochen durchsetzen. Der genaue Blick auf die Akteurinnen und Akteure zeigt,dass wir es zeitgleich mit unterschiedlichen Bewegungen zu tun haben. Zugleich sind es dieAkteurinnen und Akteure mit ihren Karrierepraktiken, die einzelne Trends in Gang setzen, inGang halten oder auch untergehen lassen.Warum einzelne Individuen auf unterschiedliche Muster der Karrierearbeit zurückgreifen oderdiese kreieren, lässt sich im Einzelfall nur aus einer biographischen Rekonstruktion beant-worten. Das Material zeigt deutlich, dass die familiäre Sozialisation einen wichtigen Kontextdarstellt, in dem sich die individuellen Karrieremuster herausbilden. Die familiäre Sozialisati-on selbst ist eingebettet in gesellschaftliche Zusammenhänge und vermittelt über eine spezi-fische Berufstätigkeit der Eltern Zugänge zu unterschiedlichen Arbeitswelten. WennKarrieremuster als gesellschaftlich herausgebildete Praktiken verstanden werden, ist dieFrage legitim, inwieweit bei der Herausbildung unterschiedlicher Karrieremuster, die ver-schiedenen Fachkulturen einen Beitrag leisten.8Die nach wie vor stark genderorientierte Berufsauswahl von Mädchen bzw. Jungen könnte darauf hindeuten,dass dieses Muster gerade auch bei niedrig qualifizierten Personengruppen nach wie vor stark verbreitet ist.
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Kapitel 4: Karrierepraktiken in ihrer Bedeutung für Laufbahn und Karriereplanung Einleitung54Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern4.2 Verteilung nach FachkulturIn der nachfolgenden Tabelle wird die Verteilung der Karrieremuster nach Fachkulturen vor-gestellt.Tabelle 2: Verteilung nach FachkulturenIn dieser Verteilung lassen sich einige Besonderheiten feststellen. Das Karrieremuster III(Sich von und in vertrauten Bahnen bewegen lassen) ist in der Sozialen Arbeit gar nicht ver-treten. Ein Grund liegt möglicherweise darin, dass in der Sozialen Arbeit kein klar hierar-chisch strukturiertes Feld beruflicher Positionen existiert und damit keine klaren Laufbahnenvorgezeichnet sind, über die relativ eindeutig eine Position erreicht werden kann. Vermutlichhängt damit auch zusammen, dass das Karrieremuster I (Lebenspositionen anzielen) wenigvertreten ist. Dieser Befund korrespondiert mit der hohen Anzahl des Karrieremusters V(Persönlich sinnhaften Werdegang kreieren). Es scheint, dass das Feld der Sozialen Arbeitihre Mitarbeitenden im Karrieremuster V sozialisiert, da viele unterschiedliche Aufgaben dasBerufsfeld strukturieren, aber nicht vordefinierte Laufbahnen oder hierarchisch ausdifferen-zierte Positionen. Umgekehrt kann festgestellt werden, dass dieses Feld eine erfolgreicheUmsetzung des Karrieremusters V anbietet und damit entsprechende Personen anzieht.Vielleicht überrascht, dass in der Fachkultur der Technik eine ähnliche Verteilung – wennauch nicht so stark ausgeprägt wie in der Sozialen Arbeit – festzustellen ist. Es könnte sein,dass technische Arbeitsfelder ähnlich vielfältig, aber ebenfalls nicht so klar in Positionen undLaufbahnen strukturiert sind wie die Soziale Arbeit und dass die Orientierung an inhaltlichenAufgaben in der Karrierearbeit einen deutlich höheren Stellenwert einnimmt.Demgegenüber kann davon ausgegangen werden, dass die Fachkultur Wirtschaft das Karri-eremuster I (Lebenspositionen anzielen) deutlich präferiert. Es erstaunt daher nicht, dassBereich / BrancheSoziale ArbeitGesundheitWirtschaftTechnikGesamtAbsolut relativ Absolut Relativ absolut relativ Absolut relativ absolut relativTyp 13 13%6 27%9 45%3 17%21 25%Typ 26 26%5 23%6 30%4 22%21 25%Typ 300%29%3 15%2 11%78%Typ 429%15%00%2 11%56%Typ 512 52%8 36%2 10%7 39%29 35%Total:23 100%22 100%20 100%18 100%83 100%
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Kapitel 4: Karrierepraktiken in ihrer Bedeutung für Laufbahn und Karriereplanung Einleitung55Karrierekonzeptionen von Frauen und Männerndieses „Doing“ in diesem Feld am häufigsten auftaucht, da ein wesentlicher Teil der Be-triebsökonomie darin besteht, Personen für Management- und Führungsfunktionen auszubil-den, die zu den statushohen Funktionen in unserer Gesellschaft gehören. Naheliegendscheint, dass diese Fachkultur das Anzielen von Positionen als wichtige Orientierung vermit-telt. Nicht zufällig wurde von allen Befragten das traditionelle Karriereverständnis, der Erwerbeiner statushohen Funktion (ausgedrückt in Geld, gesellschaftlicher Anerkennung und Ver-antwortung) klassischerweise dieser Branche zugeschrieben. In der Fachkultur Gesundheitist das Karrieremuster I ebenfalls häufig vertreten. Auch hier lässt sich ein Bezug zum Ar-beitsfeld herstellen. Im Unterschied zur Sozialen Arbeit ist dieses Feld durch klare hierar-chisch Funktionen (z.B. Teamleitung, Stationsleitung, Pflegeleitung) gegliedert, in demtransparente Laufbahnen im Bereich der Führung, der Ausbildung und der Fachspezialisie-rung angeboten werden.4.3 Verteilung nach GeschlechtDie nachfolgende Tabelle dokumentiert die Verteilung der Karrieremuster nach Geschlechtdokumentiert.GeschlechtMännerFrauenGesamtAbsolutrelativAbsolutRelativabsolutrelativTyp 11332%819%2125%Typ 21024%1126%2125%Typ 3410%37%78%Typ 425%37%56%Typ 51229%1740%2935%Total:41100%42100%83100%Tabelle 3: Verteilung nach GeschlechtAuf den ersten Blick wird deutlich, dass das Karrieremuster I (Lebenspositionen anstreben)deutlich häufiger (fast doppelt so häufig) bei Männern als bei Frauen vorkommt. Dies scheintauf den ersten Blick alle bisherigen Befunde – nämlich die mangelnde Repräsentanz vonFrauen in Führungsfunktionen – zu bestätigen. Diese Interpretatiion führt jedoch zu einerverkürzten Betrachtungsweise, denn auch mit den anderen Karrieremustern lassen sich imGrundsatz Führungsfunktionen erreichen. Allerdings müssten dafür aus Personalentwick-
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Kapitel 4: Karrierepraktiken in ihrer Bedeutung für Laufbahn und Karriereplanung Einleitung56Karrierekonzeptionen von Frauen und Männernlungssicht andere Entscheidungsparameter eingeführt werden. Frauen scheinen stärker dasmoderne Karrieremuster V (Persönlich sinnhaften Werdegang kreieren) zu repräsentieren.Dies bedeutet, dass Frauen nur dann bereit sind, Führungsfunktionen zu übernehmen, wennes aus ihrer Perspektive sinnhaft erscheint. Allein der Positionserwerb scheint für Frauen einzu geringer Motivator zu sein. Auffällig ist, dass Frauen, die das Karrieremuster I praktizie-ren, häufiger als Männer eine Lebensposition anstreben, die sich aus verschiedenen Teilpo-sitionen in den Feldern Privates, Öffentlichkeit und Arbeit zusammensetzt. Männer mitdiesem Karrieremuster sind in der Regel auf eine berufliche Position ausgerichtet.Erkenntnisse aus der Frauenforschung belegen (Schlüter 2006), dass die Spannung von Be-rufs- und Familienrollen bei Frauen immer noch in hohem Masse konfliktträchtig ist, da dieVerantwortung für die Doppelrolle überwiegend den Frauen überantwortet wird. Können Be-rufskarriere und Familienmodell nicht gleichzeigt gelebt werden, so beschreiben neuere Un-tersuchungen im Nacheinander verschiedener Lebensphasen (Berufstätigkeit –Familienarbeit – beruflicher Wiedereinstieg) eine Vervielfältigung weiblicher Lebensentwürfe.Ausserdem sind Frauen im Berufsleben nach wie vor mit dem Phänomen des „glass ceiling“(gläserne Decke) konfrontiert, die sie nur selten in die Spitzenpositionen in der Wirtschaftaufsteigen lassen.9 Eine Rolle spielen möglicherweise auch Konkurrenzstrukturen undMachtmentalitäten in den Unternehmungen, die Frauen von Spitzenpositionen in der Wirt-schaft abhalten (MacKinsey „Frau und Karriere“ bei Kühni 2012). Auch das gesellschaftlichvorherrschende Mutterbild hemmt Frauen bei der Realisierung ihrer beruflichen Wünsche.Anders als in angelsächsischen oder nordischen Ländern gilt die Fremdbetreuung der Kinderin der Schweiz als potenziell der Entwicklung der Kinder nicht förderlich und immer noch alsdie zweitbeste Lösung.Unsere Befunde zeigen eine etwas andere Facette in dieser Gleichstellungsdebatte – näm-lich die Art und Weise, wie Frauen als Akteurinnen in spezifischen Karrieremustern dieseWidersprüche bearbeiten. Sowohl Frauen, die das Karrieremuster I wie auch das Karriere-muster V praktizieren, verweisen auf den wichtigen Stellenwert der Sorgearbeit. Diese Tätig-keit – die sich in Hausarbeit, Familienarbeit oder ganz allgemein in der Beziehungspflegeausdrücken kann – wird gesellschaftlich deutlich geringer bewertet als die Erwerbstätigkeit.Gerade das Karrieremuster V deutet jedoch daraufhin, dass die Sinnhaftigkeit der Tätigkei-ten (in oder ausserhalb bezahlter Tätigkeiten) für Akteure und Akteurinnen einen immerwichtigeren Stellenwert bekommt. Daher reicht der Vereinbarkeitsdiskurs von Erwerbs- oderFamilienarbeit – der nach wie vor die Sorgetätigkeit geringer als die Erwerbsarbeit wertet9In der Schweiz sind gerade einmal 8.7 Prozent Frauen in Verwaltungsräten vertreten (39.5% Norwegen, 25.7%USA, 12.7% Frankreich) (Kühni 2012).
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Kapitel 4: Karrierepraktiken in ihrer Bedeutung für Laufbahn und Karriereplanung Einleitung57Karrierekonzeptionen von Frauen und Männernund gesellschaftlich mit Blick auf eine höhere Erwerbsquote von Frauen geführt wird – nichtaus, um die in den Karrieremustern sichtbaren Gewichtungen von Frauen und zunehmendauch von Männern entgegenzukommen. Denn immerhin praktizieren in diesem Sample be-reits 29 Prozent der Männer das Karrieremuster V, das der persönlichen Sinnhaftigkeit vonRollen und Aufgaben im Werdegang eine besondere Bedeutung zumisst.Da in unserem Sample Männer und Frauen gleich häufig, jedoch in den einzelnen Branchenunterschiedlich vertreten sind, lohnt sich ein Blick auf die nachfolgende Tabelle zur Vertei-lung der Karrieremuster nach Branche und Geschlecht.Bereich / BrancheSoziale Arbeit GesundheitWirtschaftTechnikGesamtmwmwmwmwmwTyp 1 2/1/3/3/5/3/2/1/128Typ 2 3/3/1/4/2/4/4/0/1011Typ 3 0/0/1/1/2/1/1/1/43Typ 4 2/0/0/1/0/0/0/2/23Typ 5 4/8/4/4/2/0/5/2/1514Total:11/100%12/100%9/100%13/100%11/100%8/100%12/100%6/100%31/100%39/100%Tabelle 4: Verteilung nach Fachkultur und GeschlechtAngesichts der geringen Fallzahlen pro Einheit und haben die nachfolgenden Überlegungenden Status erster Ideen. Es fällt auf, dass in den Feldern Gesundheit – in denen Männer ins-gesamt kaum 10 Prozent der Angestellten ausmachen – und in der Sozialen Arbeit – in de-nen Männer insgesamt mit knapp 30 Prozent vertreten sind – das Karrieremuster I(Lebenspositionen anzielen) gleich viel oder häufiger von Männer repräsentiert wird. DieserBefund korrespondiert mit einer österreichischen Studie (Gönthör 2009), die zeigt, dass dieausführende Pflege und die operative Führung im Pflegebereich weiblich geprägt ist, diestrategischen Pflegepositionen jedoch männlich besetzt sind. Dies kann als Hinweis daraufgedeutet werden, dass Männer die zunehmende Professionalisierung des Pflegebereichesmit ihren neuen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten besser nutzen können. DieseSchlussfolgerung – auch wenn sie aus den eigenen Zahlen so nicht ableitbar ist – korres-pondiert mit der Erkenntnis, dass Männer, die in diesen Fachkulturen ihre berufliche Per-spektive sehen, in der Regel Führungspositionen innehaben und diese anzielen.
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Kapitel 4: Karrierepraktiken in ihrer Bedeutung für Laufbahn und Karriereplanung Einleitung58Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernTraditionelle Rollenbilder spielen in der Gleichstellungsdebatte eine wichtige Rolle. Auf demHintergrund unserer Befunde können wir feststellen, dass dieser Thematik bei Männern wieFrauen in ihrer Karrierearbeit eine wichtige Bedeutung zukommt. Immerhin 25 Prozent – fastin gleicher Verteilung zwischen den Geschlechtern – repräsentieren das Karrieremuster II(Unbewusste Bilder im Berufsweg regulieren). In den Fallmaterialien zeigt sich, dass dieseBilder in ihren einseitigen Zuschreibungen – oft vermittelt durch die familiäre Sozialisation,aber auch gepflegt in den Organisationskulturen – den jungen Frauen und Männer nicht wirk-lich bewusst sind. Hier gälte es frühzeitig, speziell in der Berufsberatung, an den mitgebrach-ten individuellen Bildern zu arbeiten, um sie der expliziten Verhandlung zugänglich zumachen, so dass der Handlungsspielraum im Kontext von Berufswahl und Gestaltung deseigenen Werdegangs erweitert werden kann.Mit diesen skizzierten Schlussfolgerungen soll deutlich gemacht werden, dass die Frage derGleichstellung und damit auch die Frage nach einer angemessenen Förderung weiblicherund männlicher Karrierewege individuell bei den Praktiken des Karrieremachens anzusetzenhat. Strukturell müsste es darum gehen, Laufbahnangebote so zu öffnen, um den unter-schiedlichen Karrieremustern die gleichen Chancen einzuräumen. Mit diesem Blick könntenFörderprogramme in Unternehmungen entwickelt werden, die sich an den Besonderheitender unterschiedlichen Karrieremuster orientieren. Denn analog der Kompatibilität zu den tra-ditionellen Karriereformen – so kann unterstellt werden – orientieren sich die Förderpro-gramme in erster Linie an dem Karrieremuster I (Lebenspositionen anzielen). Dies gilt zumBeispiel auch für die personenorientierte Forschungsförderung.
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Kapitel 4: Karrierepraktiken in ihrer Bedeutung für Laufbahn und Karriereplanung Einleitung59Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern4.4 Verteilung der Karrieremuster nach BerufsalterZum Abschluss wird anhand nachfolgenden Tabelle ein kurzer Blick auf die Verteilung derKarrieremuster nach Berufsalter geworfen.BerufsalterJuniorsProfessionalsSeniorsGesamtAbsolut Relativ absolutrelativabsolutrelativabsolutrelativTyp 1414%623%1139%2125%Typ 21034%727%414%2125%Typ 300%623%14%78%Typ 427%14%27%56%Typ 51345%623%1036%2935%Total:29100%26100%28100%83100%Tabelle 5: Verteilung nach BerufsalterDie Verteilung nach Berufsalter wirft mit Blick auf die Karrieremuster die grundsätzliche Fra-ge auf, ob und wie sich die individuellen Praktiken des Karrieremachens im Lebensverlaufverändern oder weiterentwickeln. Diese Frage kann hier nur theoretisch erörtert werden. Wirgehen davon aus, dass sich individuelle Praktiken im Rahmen der Sozialisation herausbildenund verfestigen, da alle Erkenntnisse darauf hindeuten, dass sich Individuen im Altersverlaufzunehmend stärker ihre Umwelten – ausgehend von den strukturellen Möglichkeiten ihrergesellschaftlichen Position – im Sinne der Kompatibiliät auswählen und damit die eigenenPersönlichkeitsmuster stabilisieren. Wird von dieser Annahme ausgegangen, dann liegt esauf der Hand, dass aussergewöhnliche Ereignisse (kritische Lebensereignisse), die eigenenStrukturen – hier also die Karrieremuster – in Frage stellen. Das bedeutet, dass wir von einerrelativen Stabilität dieser Karrieremuster im Erwachsenenalter ausgehen.In der Verteilung zeigt sich, dass das Karrieremuster II (Unbewusste Selbst- und Fremdbilderim Berufsweg regulieren) am häufigsten bei den Juniors und am geringsten bei den Seniorsvertreten ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass in der Berufsentwicklung diese unbewussten Bil-der aufgrund ihrer Widerständigkeit zum expliziten Verhandlungsthema werden und dadurchvon den Personen aufgearbeitet werden können, ist nicht von der Hand zu weisen. Aller-dings müsste die Frage der Stabilität vertiefter diskutiert werden, so dass wir diese Annahmeals offene Frage stehen lassen.
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Kapitel 4: Karrierepraktiken in ihrer Bedeutung für Laufbahn und Karriereplanung Einleitung60Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernDie Häufigkeit des Karrieremusters V (Persönlich sinnhaften Werdegang kreieren) bei denJuniors könnte damit zusammenhängen, dass sich in dieser Altersgruppe die Wirkungenmoderner Gesellschaften mit ihren Anforderungen deutlicher zeigen – oder anders ausge-drückt, dass diese Altersgruppe auf die gestellten Anforderungen mit diesem Karrieremusterreagiert. Diese Argumentation stützt sich jedoch nicht auf die Verteilung, sondern auf dietheoretische Kontextualisierung (Keupp 2002, Hitzler/Hohner 1994).Abschliessend lässt sich feststellen, dass die Identifikation von prägnanten, deutlich vonei-nander abgrenzbaren Karrieremustern einen anderen Blick auf die Frage nach angemesse-nen Personalentwicklungskonzepten oder Förderprogrammen zulässt. Die Ergebnissezeigen, dass aus den unterschiedlichen Karriereformen allein – seien sie nun traditionell odermodern – und aus den geschlechterspezifischen gleichen oder ungleichen Verteilungen vonPositionen noch keine direkten Schlussfolgerungen auf einzelne Personen oder Gruppe ge-zogen werden können.
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Kapitel 5: Ausblick61Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern5 AusblickAlle fünf Karrieremuster zeigen, wie unter aktuellen Bedingungen Frauen und Männer aufunterschiedliche Art und Weise mit den Herausforderungen des Karrieremachens im Kontextberuflicher Laufbahnen umgehen. In einem nächsten Schritt müsste geklärt werden, wie imRahmen von Ausbildungs- und Berufsberatungen diese Karrieremuster selbst zum Themagemacht werden können. Es erscheint uns wichtig, dass Ausbildungsorganisationen und Un-ternehmungen in ihren Personalentwicklungskonzepten die unterschiedlichen Karrieremus-ter, die sich in biographischen Prozessen herausgebildet haben, mit einbeziehen und diesezum Ausgangspunkt ihrer Beratungen machen.Auf der Basis der erarbeiteten Ergebnisse wird von der Projektgruppe in einem nächstenSchritt ein Handbuch entwickelt, das erste Vorschläge für die differenziertere Entwicklungder Karrieretypen unterbreitet. Grundsätzlich gilt es, die bestehenden Angebote der Lauf-bahn- und Karriereplanung, die in den verschiedenen Branchen angeboten werden, zu hin-terfragen. Schliesslich steht zu vermuten, dass sie nicht ausreichend den Interessen derBetroffenen (= Laufbahnnutzer/Laufbahnnutzerinnen) entsprechen und durch ihre Optimie-rung ein deutlicher Beitrag zur Zufriedenheit und Bindung der Mitarbeitenden geleistet wer-den kann. Unternehmen engagierten sich dann automatisch stärker für eineunternehmensübergreifende eigenständige Karriereplanung ihrer Mitarbeitenden und förder-ten auf diese Weise das Commitment der Mitarbeiter/innen.Grundsätzlich kann die Frage aufgeworfen werden, in welchem Ausmass die als „moderneEntwicklung“ zu betrachtenden flexiblen, eigenverantwortlichen Karrieren – wie sie am deut-lichsten von unserem Typ V geleistet werden – in den Stammbelegschaften tatsächlich auchauf Branchen übergreift, die bisher andere Karrierepfade vorgesehen haben. Zu klären sindneben den Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der verschiedenen Player und Player-innen, die situativen Voraussetzungen, die es in einem positiven Sinne ermöglichen, Karrie-ren selbst zu gestalten, ohne in eine prekäre Situation zu geraten. Der Schweizer Arbeits-markt bietet hierfür günstige Voraussetzungen.Unsere Aussagen und Ergebnisse basieren auf einer qualitativen Analyse. Quantitative Ana-lysen standen nicht im Fokus. Auf ihnen beruhende Aussagen sind daher vorsichtig zu nut-zen. Es wäre wünschenswert, die Typen einer einfachen Operationalisierbarkeit zugänglichzu machen und auf dieser Basis verlässlichere Aussagen zu ihrer Verbreitung zu formulie-ren. Eine solche Quantifizierbarkeit böte auch den Vorteil, Einflussfaktoren auf das „DoingKarriere“ zu analysieren und den Erfolg im Hinblick auf objektive und subjektive Erfolgsgrös-sen zu beurteilen.
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Kapitel 5: Ausblick62Karrierekonzeptionen von Frauen und MännernDie aufgezeigten Grenzen unserer Studie machen weiteren Forschungsbedarf notwendig. Ineinem nächsten Schritt wären die Typen in der Berufswelt zu validieren und zu ergänzen.Neben weiteren Fachgruppen müssten andere berufliche Qualifikationsprofile berücksichtigtwerden. Abhängig vom Qualifikationsstand nehmen viele Unternehmen eine Einteilung derBelegschaften in unterschiedliche Zielgruppen vor. Zielgruppenspezifisch unterscheiden sichdie möglichen Laufbahn- und Karriereplanungen massiv. Im Extremfall ist für so genannte„Randbelegschaften“ – meist Arbeitskräfte, die problemlos am Arbeitsmarkt zu beschaffensind – keine Laufbahnplanung vorgesehen. Darüber hinaus kann vermuten werden, dasssich die von uns gebildeten Fachgruppen noch näher in ihren Typen ausdifferenzieren las-sen. Dies legt beispielsweise eine differenziertere Betrachtung des Samples Technik nahe,wonach sich tendenziell bereits Ingenieure, Ingenieurinnen und IT-Fachkräfte unterscheiden.Eine weitere Frage besteht in der Übertragbarkeit der gebildeten Typen auf die französisch-sprachige Schweiz sowie andere Länder.
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Institut für Gender und Diversity IGD-FHO, c/o HSR Hochschule für Technik Rapperswil
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